Ergebnisse & Perspektiven des Marxismus

In der Werkstatt der Revolution – Lenins Philosophische Hefte

Lenins Notizen und Anmerkungen über sein Studium der Dialektik von Georg Wilhelm Friedrich Hegel zu Beginn des Ersten Weltkriegs, die posthum unter dem Titel Philosophische Hefte veröffentlicht wurden, gelten als einige seiner ergiebigsten Arbeiten zu den philosophischen Grundlagen des Marxismus. Peter Fryer geht in seinem Artikel „Lenin als Philosoph“1 von 1957 exzellent auf die marxistische Theorie des Bewusstseins als Widerspiegelung der materiellen Wirklichkeit, auf die Beziehung von Notwendigkeit und Freiheit und auf die Grundzüge der dialektischen Methode ein. Abschließend bemerkt er bescheiden:

„Dieser Artikel hat das schöpferische Werk von Lenin als marxistischem Philosophen nur am Rande gestreift. Äußerst wichtige und aktuelle Gebiete, wie seine Ansichten zu Objektivität und Parteilichkeit und seine Lehre der sozioökonomischen Strukturen, wurden notgedrungen weggelassen, da dieser Artikel vor allem eine Polemik und keine Darlegung ist.“

Der folgende Artikel von Cliff Slaughter geht auf einige dieser Punkte ausführlicher ein. Er wurde 1962 bis 1963 in drei Teilen ebenso wie Fryers Artikel in Labour Review veröffentlicht, der Zeitschrift der von Gerry Healy geführten britischen Socialist Labour League. Zu dieser Zeit unterhielten die US-amerikanische Revolutionary Tendency (Vorläuferin der Spartacist League) und die SLL enge Beziehungen, weil die SLL aus der Ferne den Anschein erweckte, tatsächlich das Programm des Trotzkismus zu verkörpern. Ebenfalls 1962 trug Slaughter Abschnitte über marxistische Theorie und Methode zu dem für die RT bzw. Spartacist League grundlegenden Dokument „In Defense of a Revolutionary Perspective“ bei.2 Sein Artikel „What Is Revolutionary Leadership?“3 wurde von der RT 1964 als Teil einer Broschüre gleichen Titels zusammen mit anderen Artikeln aus Labour Review sowie Artikeln von Trotzki veröffentlicht und als „vielleicht die beste englischsprachige Bekräftigung der Ziele der Trotzkisten seit dem Tode Trotzkis“4 gewürdigt.

1966 kam es zum Bruch zwischen der RT und der Healy-Gruppe, wobei sich letztere zunehmend als „politische Banditen“ herausstellten, deren opportunistische Praxis sich in immer krasserem Widerspruch zu ihren angeblichen Grundsätzen entwickelte.5 Entgegen der trotzkistischen Perspektive für die Verteidigung der Sowjetunion und den Kampf für weltweite Arbeiterrevolutionen unterstützte die SLL schon 1967 das antimarxistische Konzept einer klassenübergreifenden „arabischen Revolution“, unterstützte prinzipienlos eine Seite in dem als „Kulturrevolution“ bekannten innerbürokratischen Machtkampf der stalinistischen Bürokratie in Maos China und ging so weit, 1978 die Hinrichtung von 21 irakischen Kommunisten zu begrüßen und in den Folgejahren große Geldsummen von diversen arabischen bürgerlichen Regimes zu beziehen.6

Während Peter Fryer schon früh wegen ihres Gangstertums aus der SLL ausgetreten war, blieb Slaughter der Chef-Theoretiker von Healys Organisation, bis diese 1985 spektakulär zusammenbrach und zersplitterte.7 In der Folge war Slaughter neben Mike Banda der Führer eines der Spaltprodukte des Healyismus, die den Namen Workers Revolutionary Party trugen. Das heute bekannteste Überbleibsel in dieser antisowjetischen Tradition ist die Organisation von David North, die die „World Socialist Website“ betreibt.8

Fußnoten im folgenden Text, die nicht mit „E&P“ gekennzeichnet sind, stammen von Cliff Slaughter oder sind reine Quellenangaben. Die restlichen Anmerkungen stammen von uns.

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Das Jahr 1961 kennzeichnete den Beginn der englischsprachigen Veröffentlichung einer neuen Ausgabe der gesammelten Werke des größten Denkers dieses Jahrhunderts, W. I. Lenin.9 In dem derzeitig beginnenden Prozess, die marxistische Theorie dahingehend zu entwickeln, den revolutionären Aufgaben der Arbeiterklasse in diesem und jedem anderen Land zu begegnen, werden diese Schriften sich als außerordentlich wertvoll erweisen. Genau wie Lenin am Anfang dieses Jahrhunderts seinen eigenen enormen Beitrag zur Theorie als Teil des Aufbaus einer revolutionären Führung leistete, so wird auch heute die theoretische Entwicklung nur als Teil des lebendigen Kampfes zur Überwindung des Verrats und des theoretischen Verfalls der sozialdemokratischen und stalinistischen Bewegungen stattfinden. Die Überwindung der Folgen dieses Verrats ist keine Frage von Worten, sondern eine Frage des Aufbaus einer alternativen Führung, die die Arbeiterklasse mit der sich entwickelnden Theorie bewaffnen kann, die zur Erlangung eines Bewusstseins ihrer historischen Rolle und der notwendigen Strategie des Klassenkampfs erforderlich ist.

Entsprechend lesen wir Lenin nicht mit dem Ziel, Rezepte für unsere derzeitigen Probleme zu finden, sondern um einen Einblick in die Methode zu bekommen, die dieser herausragende Denker und politische Führer verwendete. Durch die Anwendung dieser Methode machte Lenin wichtige Entdeckungen über die Natur des Weltkapitalismus und über die sozialen Beziehungen und Ideologien seiner Zeit, insbesondere in Russland. Diese Entdeckungen wurden intensiver studiert als die Methode selbst, und doch war Lenins Verwendung der dialektischen Methode der Schlüssel, der ihm das Analysieren neuer Phasen der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung ermöglichte und ihm zu seiner Meisterschaft in politischen Strategien und Taktiken verhalf. Kommende Artikel in Labour Review werden einige von Lenins spezifischen Beiträgen in verschiedensten Bereichen aufgreifen.10 Hier beschäftigen wir uns jedoch vorrangig mit seiner methodischen Herangehensweise; alle bisher veröffentlichten Bände könnten zur Veranschaulichung von Lenins Methode herangezogen werden, doch die erstmalige Veröffentlichung seiner Philosophischen Hefte (Band 38) in englischer Sprache bietet eine gute Gelegenheit, an die Frage allgemeiner heranzugehen.

Die Hefte sind keine Bettlektüre. Nicht einer der enthaltenen Sätze war in irgendeiner Weise zur Veröffentlichung vorbereitet. Der Text besteht komplett aus Auszügen, die Lenin aus verschiedensten philosophischen Schriften und Übersichtsarbeiten entnahm, seine Unterstreichungen in diesen Auszügen und seine eigenen Kommentare sind meist sehr kryptisch. Von höchstem Interesse sind die Notizen zu Hegels Wissenschaft der Logik und Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Alle, die eine systematische Studie von Lenins Heften durchführen, sollten Hegels Logik neben sich haben; nur auf diese Weise kann man den ununterbrochenen Zusammenhang zwischen einzelnen Notizen und Auszügen sehen. Und selbst ohne dies werden marxistische Studierende viele von Lenins kurzen Notizen als sehr anregend und wert eines tieferen Studiums empfinden. Jedoch sind diese Notizen und Auszüge Teil eines Gesamtvorhabens und sind daher am besten als Ganzes zu betrachten, mehrmals von den Studierenden durchzulesen und im Lichte ihres eigenen Wissens aufzubereiten, welches sie bezüglich des Marxismus und Lenins eigener Schriften und Taten besitzen. Ist Lenin einmal über Hegels Vorwort und Einführung hinweg, schreibt er: „Ich bemühe mich im allgemeinen, Hegel materialistisch zu lesen“.11 Es geht aus seinen Notizen klar hervor, dass es seine Absicht war, eine Grundlage für eine materialistische Darstellung der dialektischen Methode zu schaffen, welche bei Hegel in mystischer Form verbleibt. Ein Studium dieser Notizen macht sehr viel klarer, was Marx und Engels damit meinten, sie müssten, um zu einer wissenschaftlichen Methode zu gelangen, lediglich „die Hegelsche Dialektik auf den Kopf, oder vielmehr vom Kopf, auf dem sie stand, wieder auf die Füße“12 stellen.

Logik und Wirklichkeit

Hegel bestand auf einer Logik, die nicht von der dem Menschen entgegentretenden Wirklichkeit abgespalten sei, einer Logik, die deckungsgleich sei mit der Reichhaltigkeit und Bewegung der gesamten Realität, einer Logik, die den gesamten Prozess der Zunahme des Bewusstseins des Menschen über die Wirklichkeit ausdrücke, und nicht nur eine trockene Zusammenfassung formaler Prinzipien der Argumentation, die nur eine kurze Phase in der Definition der Wirklichkeit durch den denkenden Menschen widerspiegelt. Lenin bemerkt:

„Hegel indes fordert eine Logik, in welcher die Formen gehaltvolle Formen, Formen lebendigen, realen Inhalts seien, mit dem Inhalt untrennbar verbunden. …

Die Logik ist die Lehre nicht von den äußeren Formen des Denkens, sondern von den Entwicklungsgesetzen ‚aller materiellen, natürlichen und geistigen Dinge‘, d. h. der Entwicklung des gesamten konkreten Inhalts der Welt und ihrer Erkenntnis, d. h. Fazit, Summe, Schlußfolgerung aus der Geschichte der Erkenntnis der Welt.“13

Bei seinem Vorhaben, „Hegel materialistisch zu lesen“, hatte Lenin das Ziel, den rationalen Kern dieser Logik aus dem Idealismus, in welchem sie eingeschnürt war, herauszulösen, denn Hegel glaubte, dass nur die „absolute Idee“ Realität hätte, die ihre notwendige Entwicklung in Natur und Geschichte zum Ausdruck bringe. Wenn das höchste Produkt dieser natürlichen und geschichtlichen Evolution, die kritische Philosophie, die Wahrheit dieses Prozesses bewusst erfasse, werde die Notwendigkeit durch Freiheit ersetzt. Durch Lenins „Umarbeiten“ von Passagen der Logik wird die Beziehung umgekehrt, ohne dabei auch nur einen Funken der Brillianz und Fülle von Hegels Erkenntnis einzubüßen. Unsere Begriffe sind die in der Geschichte der Logik und Philosophie herausgearbeitete Widerspiegelung der gegenständlichen Welt der Natur, erfasst durch den sozialen Menschen in seinem praktischen Kampf, zu überleben und sich zu entwickeln. Der „Sprung aus der Notwendigkeit in die Freiheit“14 ist dann keine philosophische Sache, kein mentaler Akt, sondern eine praktische Umwandlung der Gesellschaft und Natur durch Menschen, die Bewusstsein für die soziale Notwendigkeit der Revolution erlangt haben.

Lenin legt großes Gewicht auf Hegels Beharren, dass die Dialektik nicht etwa ein Generalschlüssel sei, eine Art magischer Zahlencode, mit dem alle Geheimnisse gelüftet werden würden. Es ist falsch, dialektische Logik als etwas zu betrachten, das an sich vollständig ist und dann auf bestimmte Beispiele „angewendet“ wird. Es ist nicht etwa ein Interpretationsmuster, das erlernt wird, und dann von außen auf die Realität aufgestülpt wird; die Aufgabe ist vielmehr, das Gesetz der Entwicklung der Wirklichkeit selbst zu enthüllen:

„Gewöhnlich versteht man unter Logik als der ‚Wissenschaft des Denkens‘ ‚die bloße Form einer Erkenntnis‘“15

„‚Man hat die Dialektik oft als eine Kunst betrachtet, als ob sie auf einem subjektiven Talente beruhe und nicht der Objektivität des Begriffes angehöre…‘“16

Solange dies die Herangehensweise ist, gelangen wir nicht über die Grenzen formaler Logik hinaus, die von Hegel als tot und unveränderlich angesehen wird, starr auf der Getrenntheit der Aspekte der Erscheinungen bestehend anstatt auf deren Überführung ineinander. Hegel sagt, Logik muss „nicht abstrakt, tot, unbewegend, sondern konkret“17 sein, und Lenin: „Charakteristisch! Geist und Wesen der Dialektik!“18 Folglich läuft es dem Geist der Dialektik völlig zuwider, einem beliebigen Prozess, den man abstrahieren möchte, die „Triplizität“ von These, Antithese und Synthese künstlich aufzuzwingen. Hegel ist äußerst deutlich:

„Daß es diese Einheit, sowie daß die ganze Form der Methode eine Triplizität ist, ist … ganz nur die oberflächliche, äußerliche Seite der Weise des Erkennens“19

Weiter sagt er über diese „Triplizität“:

„[D]er seichte Unfug und das Kahle des modernen philosophischen sogenannten Konstruierens, das in nichts besteht, als jenes formelle Schema ohne Begriff und immanente Bestimmung überall anzuhängen und zu einem äußerlichen Ordnen zu gebrauchen, hat jene Form langweilig und übel berüchtigt gemacht.“20

Die Logik, die den Prozessen selbst innewohnt, muss aufgedeckt werden. Hegel sagt, dass die Dialektik oft als ein müßiges Spiel mit gelehrten Konzepten belächelt wurde, dessen einziges Ziel es sei, skeptisch die Schwierigkeiten und Inkonsistenzen des „gesunden Menschenverstands“ zu demonstrieren:

„Gewöhnlich sieht man die Dialektik für ein äußerliches und negatives Tun an, das nicht der Sache selbst angehöre, in bloßer Eitelkeit als einer subjektiven Sucht, sich das Feste und Wahre in Schwanken zu setzen und aufzulösen, seinen Grund habe oder wenigstens zu nichts führe als zur Eitelkeit des dialektisch behandelten Gegenstandes.“21

Wenn Hegel hier eine Methode fordert, die „der Sache selbst angehöre“, dann meint er nicht, dass nur eine Beschreibung dessen notwendig ist, was dem Beobachter als Erstes ins Auge sticht. Solche Beschreibungen sind immer in bestimmte gedankliche Formen gefasst und sind keine „reinen Beschreibungen“. Es ist möglich, die äußerlichen Merkmale von Erscheinungen aufzuzeichnen und dann zu Urteilen zu gelangen, die sich auf diese Beobachtungen „stützen“, die aber tatsächlich das Aufzwingen einer unterschwelligen Annahme oder Theorie auf die Tatsachen sind. Die Dialektik versucht, der wesentlichen Selbstbewegung der Erscheinung selbst auf die Spur zu kommen; die Beziehungen zwischen ihren verschiedenen Aspekten können dann als Bestandteile eines einheitlichen Prozesses gezeigt werden, nicht bloß als getrennte Bestimmungen, deren Zusammenhang nur durch die Forderung nach Konsistenz des Denkens aufgezwungen wird. Hegel sagt:

„Die absolute Methode“ (d. h. die Methode des Erkennens der objektiven Wahrheit, sagt Lenin) „dagegen verhält sich nicht als äußerliche Reflexion, sondern nimmt das Bestimmte aus ihrem Gegenstande selbst, da sie selbst dessen immanentes Prinzip und Seele ist. – Dies ist es, was Platon von dem Erkennen forderte, die Dinge an und für sich selbst zu betrachten, teils in ihrer Allgemeinheit, teils aber nicht von ihnen abzuirren und nach Umständen, Exempeln und Vergleichungen zu greifen, sondern sie allein vor sich zu haben und, was in ihnen immanent ist, zum Bewußtsein zu bringen…“22

Dieses Vorgehen, „nach Umständen, Exempeln und Vergleichungen zu greifen“ und von ihnen zu „verallgemeinern“, wird oft als wissenschaftliche Methode gepriesen, insbesondere bei der Untersuchung der Gesellschaft und der Politik. Anstatt das Entwicklungsgesetz der Dinge zu entdecken, bekommen wir eine säuberliche oder „konsistente“ Anordnung abstrahierter Merkmale einander ähnelnder Erscheinungen. Lenin weist auf die Schärfe von Hegels Kritik an dieser Methode hin, zum Beispiel durch die Wiedergabe dessen Urteils gegen jenes

„‚Verfahren des über die Erfahrung reflektierenden Erkennens, das zuerst in der Erscheinung Bestimmungen wahrnimmt, diese nun zugrunde legt und für das sogenannte Erklären derselben entsprechende Grundstoffe oder Kräfte annimmt, welche jene Bestimmungen der Erscheinung hervorbringen sollen…‘“23

Was als Erklärung eines Dinges vorgebracht wird, stellt sich heraus, nur eines zu sein:

„‚aus dem, was sie begründen sollen, geschlossene Bestimmungen, von einer unkritischen Reflexion abgeleitete Hypothesen und Erdichtungen…‘“24

Hegels dialektische Methode wird, weil sie auf der „Identität von Gedanke und Objekt“25 beharrt, oft als eine Anpassung an den Status Quo verurteilt. Richtig verstanden führt die Dialektik aber keineswegs zu einer solchen Schlussfolgerung. Die folgenden Zitate erklären deutlich das dynamische und kritische Wesen der dialektischen Erkenntnis, und veranschaulichen nebenbei gut den Prozess, durch den Lenin an die materialistische Überarbeitung von Hegels Logik heranging:

„Die Identität der Idee mit sich selbst ist eins mit dem Prozesse; der Gedanke, der die Wirklichkeit von dem Scheine der zwecklosen Veränderlichkeit befreit und zur Idee verklärt, muß diese Wahrheit der Wirklichkeit nicht als die tote Ruhe, als ein bloßes Bild, matt, ohne Trieb und Bewegung, als einen Genius oder Zahl oder einen abstrakten Gedanken vorstellen; die Idee hat um der Freiheit willen, die der Begriff in ihr erreicht, auch den härtesten Gegensatz in sich; ihre Ruhe besteht in der Sicherheit und Gewißheit, womit sie ihn ewig erzeugt und ewig überwindet und in ihm mit sich selbst zusammengeht…“26

Lenin, der Hegel materialistisch liest, ersetzt dafür:

„Das Zusammenfallen des Gedankens mit dem Objekt ist ein Prozeß: der Gedanke (= der Mensch) muß sich die Wahrheit nicht als die tote Ruhe, als ein bloßes Bild (Abbild), blaß (matt), ohne Trieb, ohne Bewegung, als einen Genius, als Zahl, als abstrakten Gedanken vorstellen.

Die Idee hat auch den stärksten Gegensatz in sich, die Ruhe (für das Denken des Menschen) besteht in der Sicherheit und Gewißheit, mit der er ihn (diesen Gegensatz zwischen Gedanken und Objekt) ewig erzeugt und ewig überwindet…“27

Schließlich formuliert Lenin den Abschnitt so um:

„Erkenntnis ist die ewige, unendliche Annäherung des Denkens an das Objekt. Die Widerspiegelung der Natur im menschlichen Denken ist nicht ‚tot‘, nicht ‚abstrakt‘, nicht ohne Bewegung, , sondern im ewigen Prozeß der Bewegung, des Entstehens der Widersprüche und ihrer Lösung aufzufassen.“28

Lenin vor und nach 1914

In manchen Kreisen ist es üblich zu behaupten, dass Lenin die Dialektik erst begriff, als er 1914/15 Hegel las; tatsächlich ist es in Mode, das als erwiesen anzunehmen. Es heißt, in seinen frühen Schriften sei Lenin grob und mechanisch gewesen. Diese Grobheit soll in seinem Materialismus und Empiriokritizismus29 (1908) am deutlichsten gewesen sein, doch die Schlussfolgerung ist, dass seine Einstellungen zu Parteiorganisation und politischen Fragen starr und dogmatisch waren. Es ist wichtig zu sehen, dass diese Argumentation auf sehr schwachem Fundament steht: Anstelle einer Untersuchung von Lenins tatsächlichem Werk, einschließlich Materialismus und Empiriokritizismus, werden uns für gewöhnlich verkürzte Ausschnitte dieses Werks vorgelegt, die seine Bedeutung verzerren,30 oder eine Reihe von kurzen Zitaten aus den Heften, die zeigen sollen, dass Lenin seiner philosophischen Vergangenheit entsagt habe.31 Raya Dunayevskaya geht so weit, zu sagen: „Es ist unter dem Abschnitt über den ‚Syllogismus‘, wo Hegel den Gegensatz zwischen Subjektivität und Objektivität zerstört, dass Lenin mit den Sinnsprüchen hervorbricht, die offenbaren, wie entschieden sein Bruch mit seiner eigenen philosophischen Vergangenheit war“ (meine Hervorhebung, C. S.).

Diese Passage bezieht sich auf Lenins Bemerkungen auf den Seiten 179 und 180 der gegenwärtigen Ausgabe,32 vor allem folgende:

„Die Marxisten kritisierten (zu Beginn des 20. Jahrhunderts) die Kantianer und die Anhänger Humes mehr auf Feuerbachsche (und Büchnersche) als auf Hegelsche Art.“33

und:

„Man kann das ‚Kapital‘ von Marx und besonders das I. Kapitel nicht vollständig begreifen, ohne die ganze Logik von Hegel durchstudiert und begriffen zu haben. Folglich hat nach einem halben Jahrhundert nicht ein Marxist Marx begriffen!!“34

Eine Betrachtung von Lenins früheren Werken findet nicht statt, es wird nur spekuliert, dass diese Ausschnitte eine Verurteilung von Lenins vergangenen philosophischen Annahmen bedeuten, d. h. dass er sich selbst zu den „Marxisten, die Marx nicht begriffen haben“ zählt. Nun, während es außer Zweifel steht, dass Lenins Lektüre von Hegel am Anfang des Ersten Weltkriegs seine Theorie bereicherte und es ihm ermöglichte, tiefer zum Wesen der Widersprüche des Imperialismus und der Arbeiterbewegung vorzudringen, ist es ziemlich falsch, eine starre Trennlinie zwischen der „vor-Hegelschen“ und der „nach-Hegelschen“ Phase seines politischen Lebens zu ziehen, wie es jetzt so oft getan wird. Stattdessen gibt es in Lenins eigenem Werk eine wirklich dialektische Entwicklung. Das Jahr 1914 und seine Arbeit hin zur Revolution von 1917 und zum Aufbau einer neuen Kommunistischen Internationale markieren eine neue Stufe in der Geschichte der Bewegung; die Stufe, auf der Lenin und seine Anhänger die Realität des neuen Stadiums des Imperialismus und der Aufgaben, die dieses der Arbeiterklasse stellte, ins Bewusstsein eines Teils der Avantgarde der Arbeiterklasse brachten. Lenins Studium von Hegel ist Teil dieses Fortschritts, ein notwendiger Teil des Prozesses, durch den das Bewusstsein vorangebracht wurde. Wie jeder andere Fortschritt im Marxismus konnte er nur von einem Menschen kommen, der über viele Jahre in der intensiven Theorie und Praxis der lebendigen Bewegung von Gesellschaft und Politik eingetaucht war.

Hätte Dunayevskaya nur mit der gleichen Methode, wie Lenin sie in den Philosophischen Heften umreißt, sein ganzes Werk betrachtet, statt herausstechende Formulierungen darin formal mit Teilen zu vergleichen, die aus anderen, unter anderen Umständen und mit absichtlich anderen Schwerpunkten geschriebenen Werken abstrahiert wurden, dann hätte ihre Arbeit vielleicht für den Marxismus einen gewissen Wert gehabt; aber tatsächlich bleibt sie in genau der sehr formalen Methode festgefahren, die sie dem frühen Lenin vorwirft. Lenin mag sehr wohl auf seinen eigenen Fall hingewiesen haben, als er folgenden von Hegel angestellten Vergleich so bewundernd zitierte; Lenin schreibt:

„Die Logik ähnelt darin der Grammatik, daß sie für den Anfänger eins, für den Kenner der Sprache (und Sprachen) und des Geistes der Sprache etwas anderes ist. ‚Sie ist etwas anderes für den, der zu ihr und den Wissenschaften überhaupt erst hinzutritt, und etwas anderes für den, der von ihnen zu ihr zurückkommt.‘35

Dann gibt die Logik ‚das Wesen dieses Reichtums‘36 (des Reichtums der Weltvorstellung), ‚die innere Natur des Geistes und der Welt‘37…“38

Lenin ist ein erfahrener und verdienter Revolutionär, der zur Hegelschen Logik als Logik zurückkehrt. Er bringt in diese Aufgabe all seine Erfahrung von 20 Jahren des Kampfes für den Aufbau einer revolutionären Partei mit ein, gegen Strömungen, die die vielschichtigen Kräfte der russischen Gesellschaft widerspiegeln. Dieser Kampf ist immer begleitet von tiefgründigem Studium der gesellschaftlichen Wirklichkeit und aller Schulen des Denkens, die die Interessen der Klassen in dieser Wirklichkeit ausdrücken. Daher ist sein „Lesen“ von Hegel voll und reichhaltig, fähig, die Mannigfaltigkeit und Tiefe der dialektischen Methode zu würdigen und zu offenbaren, die von Hegel formal vorgestellt wurde. Dieses neue Anerkennen des Reichtums des dialektischen Erkenntnisbegriffs war ein wichtiger Teil seines Beharrens auf Theorie und Prinzip, auf dem Verstehen der Aufgaben der Arbeiterklasse und ihrer Führung in diesen Jahren wo, wie er selbst es formulierte, das Denken einiger Marxisten durch den Krieg in solchem Ausmaß „gelähmt“ und „unterdrückt“39 war, dass sie sich von den Interessen der Klasse abwandten, für die einzustehen sie angetreten waren, und stattdessen Theorien verbreiteten, die das Proletariat im Krieg an die herrschende Klasse fesselten.

Die Benutzung der Philosophischen Hefte zur Verunglimpfung Lenins früherer Arbeiten dient bei einigen Kritikern als Deckmantel für eine Neigung zum Idealismus.40 Es ist dann von Bedeutung, Lenins Darlegung der Vorstellung von Erkenntnis als Widerspiegelung der objektiven Wirklichkeit zu verurteilen, und implizit oder explizit auch sein Konzept einer „Partei neuen Typs“ als Notwendigkeit für die sozialistische Revolution zu verurteilen. Wir müssen uns deshalb solche Behauptungen wie Dunayevskayas vornehmen:

„Der Leitgedanke seiner Philosophischen Hefte ist nicht weniger als die Wiederherstellung der Wahrheit des philosophischen Idealismus gegen den vulgären Materialismus, dem er in seinem Werk Materialismus und Empiriokritizismus grünes Licht gegeben hatte.“

Natürlich zitiert Dunayevskaya Lenins Ausspruch: „Ein kluger Idealismus steht dem klugen Materialismus näher als ein dummer Materialismus.“41 (Er formulierte das folgendermaßen um: „Statt kluger Idealismus – dialektischer; statt dummer – metaphysischer, unentwickelter, toter, grober, unbeweglicher.“42) Doch zu unterstellen, dass Lenin seine Ansichten über die allgemeine Beziehung zwischen Materialismus und Idealismus geändert hätte, ist Unsinn. Auf Seite 29343 der Hefte schreibt er, nach den Notizen über die Logik, nach dem von den Idealisten so geliebten Zitat, folgendes:

„Ganz und gar unterschlagen (NB) hat Hegel die Hauptsache: (NB) das Sein der Dinge außerhalb des menschlichen Bewußtseins und unabhängig von ihm…“44

Genau um klarzumachen, dass das „die Hauptsache“ war, wurde 1908 als Antwort auf eine Gruppe „Gottsucher“ in der russischen Partei Materialismus und Empiriokritizismus geschrieben. In seinen Notizen über Hegel ist Lenins Anliegen stattdessen, ausdrücklich den rationalen Kern der Methode dieses Größten der Idealisten herauszusieben und zu zeigen, dass konsequenter „objektiver Idealismus“ die Philosophie gerade an den Rand des historischen Materialismus führt. Aber nur an den Rand; Dunayevskaya zitiert keinen einzigen von Lenins feurigen Angriffen gegen Hegels Versagen, den Idealismus hinter sich zu lassen, obwohl sie in den Heften breit gestreut sind. Eine kleine Auswahl wird genügen:

„Die Mystik, der Idealismus in der Geschichte der Philosophie werden von dem Mystiker, Idealisten und Spiritualisten Hegel (so wie von der ganzen offiziellen, pfäffisch-idealistischen Philosophie unserer Zeit) herausgestrichen und durchgekaut, während der Materialismus ignoriert und geringschätzig behandelt wird. Vgl. Hegel über Demokrit – nil!! Über Plato eine lange mystische Brühe.“45

„Und endloses Geschwafel über Gott…“46

„Hier häufig bei Hegel über den lieben Gott, Religion, Sittlichkeit überhaupt – abgeschmacktester idealistischer Unsinn.“47

Und an vielen Stellen prangert Lenin Hegel an, dieser

„verhüllt die Schwächen des Idealismus“,48 „Eine sophistische Ausflucht vor dem Materialismus!“,49 „feige Ausflucht vor dem Materialismus“,50 und „um Gott tut es ihm leid!! Gesindel, idealistisches!!“51

Dass diese Verurteilung des Idealismus Lenin nicht davon abhält, soviel wie möglich aus Hegels Logik herauszuholen, macht seiner großen geistigen Schärfe, verbunden mit unerbittlicher Parteinahme, alle Ehre. Es ist dem Geist seines Werkes ziemlich fremd, ihn bruchstückhaft zu zitieren, um den Eindruck zu erwecken, er habe „mit seiner philosophischen Vergangenheit gebrochen“. Er hat nichts dergleichen getan, und Materialismus und Empiriokritizismus wird seine Bedeutung als eine glänzende Erklärung der materialistischen Grundlagen des Marxismus gegen pseudo-wissenschaftlichen „Realismus“ behalten. Die Darstellung ähnlicher Probleme in den Heften ist eine Verfeinerung, aber beim besten Willen keine Zurückweisung des Werkes von 1908.

Die Rolle des Bewusstseins

Selbst wenn wir Lenins früheste Arbeiten über soziale und politische Fragen betrachten, ist es schwierig, irgendeine Rechtfertigung für Dunayevskayas Ansicht zu erkennen, dass Lenin vor 1914 das Konzept der Einheit der Gegensätze nicht wirklich verstand, dass er die entgegengesetzten Seiten der Erscheinungen als nebeneinander existierend ansah, anstatt als sich gegenseitig durchdringend und bestimmend. Sie muss zugeben, dass Lenin in seiner politischen Arbeit ein Verständnis für Dialektik gezeigt habe, aber dies scheine „unbewusst“ gewesen zu sein, während Lenin in seinen Gedanken starr und mechanisch geblieben sei. Ganz abgesehen von dem komischen Aspekt dieser Aufteilung kann gezeigt werden, dass die Schriften Lenins durch und durch von der dialektischen Methode durchdrungen sind und Prozesse in ihrer Gesamtheit und ihrer Entwicklung untersuchen, mit einem erbitterten Kampf gegen diejenigen, wie die Narodniki,52 die einzelne Aspekte der Gesellschaft abstrahierten und sie mit einer Reihe abstrakter Normen bewerteten. Beliebig viele Zitate aus „Was sind ‚Volksfreunde‘ und wie kämpfen sie gegen die Sozialdemokraten?“53 oder „Der ökonomische Inhalt der Volkstümlerrichtung und die Kritik an ihr in dem Buch des Herrn Struve“54 würden zeigen, wie Lenin bereits 1896 die „Einheit der Gegensätze“ begriff. Eine Zusammenfassung von Lenins Methode gegen die Soziologen der Volkstümler ist vielleicht nützlich. Diese Narodniki versuchten, den kleinbäuerlichen Besitz zu verteidigen, insbesondere als Teil der russischen Dorfgemeinschaft. Zu diesem Zweck führten sie eine Studie über den Zustand dieser Gruppe von Produzenten durch, über ihre Betriebe, die Auswirkungen anderer Klassen und der Politik der Regierung auf sie usw., sie berichteten oft über erschütternde Beispiele dafür, wie der Handel unabhängige Bauern ins Elend treibt.

Lenin wies darauf hin, dass eine Untersuchung des Landbesitzes allein und selbst eine glühende und parteiische Darstellung des Elends der Bauern keinen Ersatz dafür darstellte, mit einer Analyse der gesamten Wirtschaftsstruktur zu beginnen, die die vorherrschenden Entwicklungslinien und Beziehungen in der russischen Gesellschaft feststellte. Der Bereich dieser Gesellschaft, den die Volkstümler durch die Bloßstellung seines Elends zu verteidigen wählten, war keine Alternative zu den sich tatsächlich entwickelnden wirtschaftlichen Bedingungen, außer in ihren Köpfen. Nur wenn sie das kleinbäuerliche Eigentum als einen „Moment“ in der Entwicklung der Struktur der von ihnen beklagten Verhältnisse sahen, konnten sie es jemals verstehen, d. h. ihre theoretischen Konzepte mit der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung in Einklang bringen. Natürlich ist das nur ein Beispiel für das Prinzip, das Lenin (und Hegel) in den Zitaten am Anfang dieses Artikels erläutern. Solange die Volkstümler-Soziologen auf der Ebene der abstrakten Kritik am Ruin der kleinbäuerlichen Landwirtschaft blieben, unterstützten sie tatsächlich den Status quo der herrschenden Klassen. Wie konnte Lenin ihre Kritik an den herrschenden Bedingungen abstrakt nennen, wenn doch ihre Veröffentlichungen voll gepackt waren mit Daten über die Bedingungen des bäuerlichen Lebens? Weil die „kleinbäuerliche Landwirtschaft“ von ihrem sich tatsächlich entwickelnden Umfeld in der Wirtschaftsstruktur abgekoppelt wurde, einem Umfeld, in dem sie zwangsläufig mit all jenen „Aspekten“ verknüpft ist, die von den Volkstümlern abstrahiert und als „negativ“ bezeichnet wurden. Das Ergebnis dieser falschen Methode war politische Ohnmacht. Die Volkstümlerrichtung spiegelte zwar die grundlegende Tatsache des Konflikts zwischen Arbeit und Kapital wider, aber „durch das Prisma der Lebensbedingungen und Interessen des Kleinproduzenten und brachte sie deshalb ängstlich und entstellt zum Ausdruck, indem sie eine Theorie schuf, die nicht die Gegensätze der gesellschaftlichen Interessen, sondern fruchtlose Hoffnungen auf einen anderen Entwicklungsweg in den Vordergrund rückte“.55

Lenin setzte sich ebenso wie mit den Volkstümlern auch mit einigen der sogenannten Marxisten wie Struve auseinander. Es lohnt sich, bei seiner Kritik an Struves „Objektivismus“ zu verweilen, weil sie uns zu einem entscheidenden Punkt führt, nämlich der Rolle des menschlichen Bewusstseins und der Beziehung zwischen Theorie und Praxis. Lenins konsequenter Angriff gegen den „Objektivismus“ in den frühen Schriften straft jene Kritiker Lügen, die behaupten, er habe das menschliche Handeln in seiner Theorie vor 1914 vernachlässigt. Obwohl Struve die Volkstümler zu Recht für ihre Verteidigung der Rückständigkeit kritisierte, wurde er am Ende zum Apologeten für den Vormarsch des Kapitalismus anstatt zum Marxisten, der in der Lage wäre, dessen Widersprüche zu analysieren. Lenin griff ihn an, weil er den technischen Fortschritt „einerseits“56 als fortschrittlich und die Leibeigenschaft ‚„anderseits“57 als rückschrittlich ansah, als Bremse des technischen Fortschritts. Dies sind zwei Phasen derselben Entwicklung des Kapitalismus:

„Ist doch diese Schuldknechtschaft, die er soeben wegen ihrer Rückschrittlichkeit abgekanzelt hat, nichts anderes als die ursprüngliche Äußerung des Kapitalismus in der Landwirtschaft, eben jenes Kapitalismus, der in der Folge zu einem progressiven Aufschwung der Technik führt.“58

Was Struve fehlt, ist der Klassenstandpunkt im grundsätzlichen Klassenwiderspruch der Gesellschaft:

„Der Grundzug … ist sein enger Objektivismus, der sich darauf beschränkt, die Unvermeidlichkeit und Notwendigkeit des Prozesses zu beweisen und nicht darauf gerichtet ist, in jedem konkreten Stadium dieses Prozesses die ihm eigene Form des Klassenantagonismus aufzudecken – ein Objektivismus, der den Prozeß allgemein charakterisiert, nicht aber die antagonistischen Klassen im einzelnen, aus deren Kampf sich der Prozeß zusammensetzt.“59

„… obwohl er den betreffenden Prozeß zwar ganz richtig als eine tatsächliche Erscheinung hervorhebt – trotzdem nicht untersucht, welche Klassen sich in diesem Prozeß herausgebildet haben, welche Klassen seine Träger waren und auf diese Weise andere, ihnen untergeordnete Bevölkerungsschichten in den Hintergrund gedrängt haben; mit einem Wort, der Objektivismus des Verfassers dringt hier nicht bis zum Materialismus … vor.“60

Dieser Objektivismus führt Struve dazu, die Probleme in einer nicht-klassenmäßigen Weise zu stellen, was nicht ohne Parallelen im heutigen politischen Denken ist. Er fragt zum Beispiel: „Auf welche Weise aber, auf welchen Grundlagen kann unsere Volkswirtschaft reorganisiert werden?“61 und Lenin antwortet:

„‚Unsere Volkswirtschaft‘ ist eine kapitalistische Wirtschaft, deren Organisation und ‚Reorganisation‘ durch die Bourgeoisie bestimmt wird, die diese Wirtschaft ‚leitet‘. Anstatt die Frage einer möglichen Reorganisation aufzuwerfen, hätte die Frage nach den aufeinanderfolgenden Entwicklungsstufen dieser bürgerlichen Wirtschaft gestellt werden müssen …“62

Mit anderen Worten, Lenin verlangt eine Herangehensweise, die alle Materialismus in der Bedeutung für das bewusste Handeln sehr deutlich darstellen zu können. In Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution63 verurteilt Lenin jene Methode, die

„uns die allgemeine Beschreibung eines Prozesses vor[setzt], in der über die konkreten Aufgaben unserer Tätigkeit nichts gesagt wird. Die Art, wie die Neuiskristen ihre Gedanken darlegen, erinnert an den Ausspruch von Marx (in seinen berühmten ‚Thesen‘ über Feuerbach) über den alten Materialismus, dem die Idee der Dialektik fremd war. … [Sie] … würdigen … die materialistische Geschichtsauffassung dadurch herab, daß sie außer acht lassen, welche wirksame, führende und leitende Rolle in der Geschichte die Parteien spielen können und müssen, die die materiellen Bedingungen der Umwälzung erkannt und sich an die Spitze der fortgeschrittenen Klassen gestellt haben.“64

All dies liest sich sehr merkwürdig im Zusammenhang mit der Behauptung von Dunayevskaya, dass Lenin erst 1914 die Rolle des Bewusstseins und die Rolle der Volksmassen in der Geschichte bewusst verstanden habe. Lenin hat schon im Exil 1897 eine sehr klare Charakterisierung des Zusammenhangs zwischen dem Fehlen einer wissenschaftlichen Methode bei den Narodniki und ihrem Verhältnis zu den Aktionen der Massen gegeben. Dieses Zitat rundet diesen Abschnitt der Argumentation ab:

„Ferner führt der Mangel an soziologischem Realismus … bei ihnen auch zu jener besonderen Manier des Denkens und Urteilens über gesellschaftliche Angelegenheiten und Fragen, die man als enge intelligenzlerische Überheblichkeit oder wohl gar als bürokratische Denkweise bezeichnen kann. Der Volkstümler redet stets darüber, welchen Weg für das Vaterland ‚wir‘ wählen müssen, welche Leiden die Folge sein werden, wenn ‚wir‘ das Vaterland auf den und den Weg lenken, welche Auswege ‚wir‘ uns sichern könnten, wenn wir nur um die Gefahren herumkämen, die unser auf dem Wege harren, den die alte Dame Europa gegangen ist, wenn wir ‚das Gute nähmen‘ sowohl aus Europa als auch aus unserem angestammten Gemeinschaftsgeist usw. usf. Daher der völlige Unglaube des Volkstümlers an die selbständigen Tendenzen der einzelnen Gesellschaftsklassen, die entsprechend ihren Interessen Geschichte machen, und seine Verachtung dieser Tendenzen. … In dem Maße, wie sich das geschichtliche Schöpfertum der Menschen erweitert und vertieft, muß auch der Umfang der Bevölkerungsmasse wachsen, die bewußt Geschichte macht. Der Volkstümler dagegen redete stets von der Bevölkerung im allgemeinen und von der werktätigen Bevölkerung im besonderen als Objekt dieser oder jener mehr oder minder vernünftigen Maßnahmen, als Material, das auf diesen oder jenen Weg gelenkt werden muß, und niemals sah er in den verschiedenen Bevölkerungsklassen selbständige historische Kräfte auf dem gegebenen Wege, niemals fragte er danach, welche Bedingungen auf diesem Wege das selbständige und bewußte Tun dieser Schöpfer der Geschichte entwickeln (oder umgekehrt paralysieren) können.“65

Theorie und Praxis

Nur indem er die Existenz einer objektiven, vom menschlichen Bewusstsein unabhängigen Realität als „das Wesentliche“ ansah, ist Lenin in der Lage, den großen Beitrag zur Widerspiegelung und Erkenntnis als einem aktiven Prozess und nicht als einer toten Widerspiegelung zu leisten, wie er es in den Heften tut. Nur ein materialistisches Verständnis der aktiven Rolle der menschlichen Praxis in der realen Welt konnte die Grundlage für den Reichtum von Lenins Vorstellungen bilden, denn die sich unendlich erweiternde und anreichernde Wahrheit des menschlichen Verstehens wird aus dieser realen Welt abgeleitet. Wenn Lenin ein Buch über Dialektik auf der Grundlage der Hefte geschrieben hätte, dann wäre es eine Darstellung der Entwicklungslinien dieses menschlichen Wissens gewesen, des Vorganges, durch den der Mensch ständig neue Prozesse entwickelt hat, um durch seine Praxis und durch die Entwicklung des Denkens etwas über die reale Welt zu lernen. Jeder Aspekt der Entwicklung von Techniken, von Philosophie und Sozialwissenschaften muss als Teil dieses Prozesses gesehen werden, durch den die Konzepte der Menschen immer mehr „mit Inhalt gefüllt“ werden. Daraus folgt, dass jeder Aspekt der Geschichte des Denkens und der Philosophie nicht abstrakt, negativ, unter dem Gesichtspunkt der Anzahl der darin enthaltenen richtigen und falschen Elemente betrachtet wird, sondern in seiner eigenen konkreten Entwicklung und als Teil des gesamten menschlichen Fortschritts. Zweitens folgt daraus die vollständige Ablehnung des Dogmatismus in der Wissenschaft. Es gibt keine endgültige Wahrheit, kein Geheimnis der Welt, das es eines Tages zu entdecken gilt, und unsere „wahren“ Vorstellungen von der Wirklichkeit sind nur insofern wahr, als sie den sich verändernden Charakter der betreffenden Wirklichkeit zum Ausdruck bringen, zusammen mit der Veränderung und Flexibilität unserer eigenen Vorstellungen, deren Grenzen durch jede Erfahrung und jeden Fortschritt im Denken offenbart werden. Lenin unterstreicht nachdrücklich folgende Passage:

„Daher sei der Ausdruck ‚Einheit‘ des Denkens und Seins, des Endlichen und Unendlichen usw. falsch,66 denn er bringt eine ‚ruhig beharrende Identität‘ zum Ausdruck. … In Wirklichkeit haben wir einen Prozeß.“67

Hegel besteht darauf, dass das Denken sich nicht einbilden darf, dass es seine Arbeit getan hat, sobald es über den äußeren Anschein hinaus zum Wesen gelangt ist. Im Gegenteil, die Entdeckung der Wahrheit ist ein unendlicher Prozess und die Begriffe, die ihn widerspiegeln, sind die sich entwickelnden Formen eines immer tieferen Eindringens in diese Realität. Lenin sagt dazu kurz: „Das Zusammenfallen des Gedankens mit dem Objekt ist ein Prozeß“.68 Der Mensch gelangt nicht zur Wahrheit, zur „Ruhe“69 in seinem Verhältnis zur Wahrheit, indem er einfach Schlussfolgerungen daraus zieht. Das Denken des Menschen ist ruhig, entwickelt sich frei, in „Ruhe“, nur durch die Verweigerung der Ruhe, nur durch die „Sicherheit und Gewißheit, mit der er ihn (diesen Gegensatz zwischen Gedanken und Objekt) ewig erzeugt und ewig überwindet“.70 Diese Sicht auf die Beziehung zwischen Begriffen und Wirklichkeit ist brilliant formuliert, und diese Beziehung zu begreifen, ist das Wesen der marxistischen Politik wie jeder anderen Wissenschaft. Betrachten wir ein Beispiel der Probleme, die in der täglichen Arbeit von marxistischen Organisationen oft auftreten. Solange man glaubt, die „Wahrheit“ über die Politik bestehe aus irgendeinem feststehenden Geheimnis der marxistischen Lehre, irgendeiner Sammlung von Rezepten, erweist sich die Realität als sehr hartnäckig, da sie den Revolutionär ständig mit Frustrationen, „Enttäuschungen“ und „Desillusionierungen“ konfrontiert. Die Arbeitsmethoden werden inkonsistent und launenhaft, kurz subjektiv. Wenn es dagegen ein ständiges und bewusstes Bemühen gibt, die Realität, die lebendige Bewegung, zu erforschen und aus ihr zu lernen, und aus einem immer tieferen theoretischen Verständnis heraus die Tätigkeit und die Organisation der Partei zu begründen, ein Verlangen nach Bereicherung durch das Durchdringen der lebendigen Wirklichkeit, dann ist das Ergebnis ein anderes. Obwohl es „schwieriger“ und „weniger sicher“ aussieht, die eigenen Annahmen ständig zu überprüfen, führt es doch zu stabileren und ruhigeren Arbeitsmethoden, zu wirklicher „Ruhe“, die auf Stärke beruht, aufgrund der Sicherheit und Gewissheit und Entschlossenheit, mit der der Lern-, Durchdringungs- und Erkenntnisprozess organisiert wird, um unsere Vorstellungen mit objektivem Inhalt zu füllen. Dies ist der Prozess der Schaffung und Überwindung des Widerspruchs zwischen unseren Ideen und der objektiven Realität:

„Die Widerspiegelung der Natur im menschlichen Denken ist nicht ‚tot‘, nicht ‚abstrakt‘, nicht ohne Bewegung, nicht ohne Widersprüche, sondern im ewigen Prozeß der Bewegung, des Entstehens der Widersprüche und ihrer Lösung aufzufassen.“71

Die Konsequenzen dieser Sichtweise der Erkenntnis, des Prozesses, durch den die Menschen Wissen über die Wirklichkeit erlangt haben und weiterhin erlangen werden, für eine marxistische Sicht der Geschichte der Philosophie werden von Lenin in einigen sehr anregenden kurzen Passagen aufgezeigt, insbesondere im Fragment „Zur Frage der Dialektik“,72 das zuvor in englischer Sprache erschienen ist, jetzt aber viel aussagekräftiger sein wird, da es mit den früheren vorbereitenden Notizen verglichen werden kann (Seiten 87–100).73 Aus Platzgründen wird diese Frage in einem späteren Artikel behandelt.74

Lenin sagt sehr deutlich, dass die Selbstbewegung der Dinge durch den Kampf der Gegensätze das Wesen der Dialektik ist. Dies ist die logische Folge des Verständnisses, dass Dialektik die Selbstbewegung der Wirklichkeit ist und nicht eine äußere Logik, die der Wirklichkeit ihre eigenen Unterscheidungen und Vergleiche aufzwingt. Die Dialektik ist die Theorie darüber, wie sich die Wirklichkeit selbst anordnet, wobei das wachsende menschliche Wissen als die jüngste Entwicklung dieser Wirklichkeit angesehen wird und nicht als ein Weg, die Wirklichkeit anzuordnen. In diesem Sinne wird Hegel von Lenin zitiert:

„Die denkende Vernunft (Verstand) spitzt den abgestumpften Unterschied des Verschiedenen, die bloße Mannigfaltigkeit der Vorstellungen, zum wesentlichen Unterschiede, zum Gegensatze, zu. Erst auf die Spitze des Widerspruchs getrieben, werden die Mannigfaltigkeiten regsam75 und lebendig gegeneinander – erhalten sie die Negativität, welche die inwohnende Pulsation der Selbstbewegung und Lebendigkeit ist.76

Es ist nicht nötig, hier die Fälle zu erwähnen, in denen Lenin diesen Ansatz in einer Weise auf politische Fragen anwandte, dass er ständig wegen Doktrinarismus und Fraktionalismus verurteilt wurde. In der gesamten Geschichte der russischen Sozialdemokratie kämpfte er erbittert gegen ihren kleinbürgerlichen und intellektuellen Flügel, der sich zunächst durch Struve und die „legalen Marxisten“ äußerte, dann in Plechanows Subjektivismus und „Zirkelmentalität und der Ablehnung der Menschewiki gegen proletarische Konzeptionen von Organisation, in ultralinken Ideen, die in den Jahren der Opposition aufkamen, bis hin zum Kampf gegen den Liquidationismus und die Schwächen derer, die die Reformisten „beschwichtigten“, anstatt gegen sie für die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse zu kämpfen. Wie Trotzki später einräumte, hielten er und andere das für Kleinlichkeit und Schroffheit, was bei Lenin tatsächlich eine politische Notwendigkeit darstellte, nämlich von dem Grundwiderspruch auszugehen, in dem die Bewegung sich befand. Auch hier werden spätere Artikel einige dieser wichtigen Punkte aufgreifen.77

Es ist entscheidend, die Einheit zwischen Lenins politischer Karriere und seiner dialektischen Methode zu sehen. In seinem eisernen Beharren auf Prinzipien, selbst auf Kosten von persönlichen und organisatorischen Schwierigkeiten, zum Entsetzen derjenigen mit eher impressionistischen Methoden, setzte Lenin die Idee in die Praxis um, dass die Arbeiterklasse über ihr eigenes Schicksal entscheiden muss, dass sie die Erringung ihrer politischen Unabhängigkeit mit Hilfe einer revolutionären Partei über alle Einzelbelange stellen muss. Politische und theoretische Unentschlossenheit, subjektive Reaktionen auf Schwierigkeiten und auf Disziplin, dies waren keine getrennten oder partiellen Fragen; sie mussten vom Standpunkt des Aufbaus einer Bewegung unter den konkreten Bedingungen Russlands analysiert und mit Entschlossenheit angegangen werden. Das Studium von Hegel in den Jahren 1914/15 half Lenin, sein Bewusstsein für die Allgemeingültigkeit und Tiefe dieser Methode zu schärfen und rüstete ihn so für die noch größere Aufgabe der Neuausrichtung der sozialistischen Bewegung der ganzen Welt. Dies konnte nicht allein auf einer empirischen Basis erfolgen. Die für Lenins Imperialismus78 und seine Arbeiten über die Zweite Internationale und die Russische Revolution untersuchten Fakten wurden ausgewählt und hatten nur im Rahmen der in den Heften grob umrissenen dialektischen Methode einen Sinn, mit ihrer Betonung der Wechselbeziehung aller Aspekte der Erscheinungen, der Einheit der Gegensätze, der Notwendigkeit, immer tiefer in die Praxis der Menschen bei der Veränderung der Natur und ihrer selbst einzutauchen. Eine Rückkehr zum Studium der Praxis und Methode Lenins ist heute ein wesentlicher Bestandteil der Lösung unserer revolutionären Aufgaben.

„Die theoretische Front“79

Lenin geht es immer um die Entwicklung der Theorie in Beziehung zur wirklichen Erfahrung des Menschen in der Gesellschaft. Die Dialektik selbst ist das Ergebnis eines Kampfes, die Wirklichkeit durch Praxis zu verstehen. Indem er Hegel studierte, strebte Lenin danach, die marxistische Theorie selbst tiefergehend zu verstehen. Theorie ist eine materielle Gewalt; wie jeder andere Aspekt der Natur muss sie in ihrer Entwicklung verstanden werden, in Hinblick auf die materiellen Bedingungen, aus denen sie ersteht und die auf sie einwirken. Indem wir die Kämpfe verstehen, durch die wissenschaftliche Theorien entdeckt und entwickelt wurden, können wir diese Theorien selbst besser verstehen und können wir besser bewaffnet sein, um unsererseits die Theorie kreativ weiterzuentwickeln. In dem Kampf der Arbeiterklasse, Bewusstsein über ihre Rolle und ihre Aufgaben in der kapitalistischen Gesellschaft zu erlangen, hat sich der dialektische Materialismus notwendigerweise in Auseinandersetzung mit Ideologien entwickelt, die die Interessen der feindlichen Klasse widerspiegeln. Daher ist der Kampf gegen den Revisionismus, der jedem großen Fortschritt im revolutionären Prozess vorausgegangen ist, kein dogmatisches Gezanke, sondern die notwendige Form, in der die Theorie vorangebracht wird. Engels sagte einmal, dass der Kampf an der politischen, der ökonomischen und der theoretischen Front ausgekämpft werden muss. Der Kampf an der theoretischen Front betrifft Probleme, die auf den ersten Blick abstrakt und undurchsichtig erscheinen, da sie nun einmal mit philosophischen Konzepten und methodischen Problemen zu tun haben. Lenins tiefgreifende Beschäftigung mit Hegels Philosophie während des Ersten Weltkriegs sollte eine Warnung sein, diesen Eindrücken nachzugeben. Der Zweck dieses Artikels80 ist es, auf die Bedeutung einiger der „abstrakten“ und „philosophischen“ Fragen hinzuweisen, denen sich Lenin zuwandte.

Obwohl Hegel darauf beharrte, dass die Dialektik die Tatsache der ständigen Veränderung der gesamten Wirklichkeit berücksichtigen müsse, wurde seine eigene Philosophie zu einer Anpassung an die bestehenden politischen Verhältnisse in Deutschland. Dazu kam es nicht wegen des dialektischen Wesens seines Denkens, sondern weil er ein Idealist blieb, der die Tätigkeit des Geistes, die Bewegung der Ideen, als wesentliche Wirklichkeit ansah, und die materielle Welt nur als deren äußere, vergängliche Form. Wie Marx schrieb:

„In ihrer mystifizierten Form ward die Dialektik deutsche Mode, weil sie das Bestehende zu verklären schien. In ihrer rationellen Gestalt ist sie dem Bürgertum und seinen doktrinären Wortführern ein Ärgernis und ein Greuel, weil sie in dem positiven Verständnis des Bestehenden zugleich auch das Verständnis seiner Negation, seines notwendigen Untergangs einschließt, jede gewordne Form im Flusse der Bewegung, also auch nach ihrer vergänglichen Seite auffaßt, sich durch nichts imponieren läßt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist.“81

Für Hegel war der Gegenstand der Philosophie das Denken selbst und die Geschichte des Denkens. Er erkannte nicht, dass es selbst schon eine Form der „Entfremdung“ ist, wenn Philosophen sich nur auf diesen Aspekt des bewussten Daseins des Menschen konzentrieren, und ein Ausdruck der Klassengesellschaft, die die Menschen in „Denker“ und „Arbeiter“ unterteilt, so die wesentliche Einheit und gegenseitige Abhängigkeit seiner verschiedenen Tätigkeiten verschleiert und jedes Individuum auf die Bedürfnisse einer klassenmäßig beherrschten Produktionsweise verbiegt. Trotz all seines Scharfsinns beim Untersuchen der Formen des Denkens und beim Kritisieren der Starrheit der formalen Logik blieb Hegel in der Philosophie selbst befangen. Mit seinem Lebenswerk, einer großartigen Leistung kritischer Gelehrsamkeit, legte er die Grenzen, gegenseitigen Beziehungen und Widersprüche vorhergehender Philosophien und Systeme der Logik bloß, doch die von ihm gebotene Lösung war eine falsche: So lange er ein Idealist blieb, lag seine „Lösung“ völlig im Reich der Ideen, der Philosophie selbst. Der Philosoph konnte mit seinem rationellen und dynamischen Bild der Entwicklung der Begriffe zufrieden sein – doch die wirkliche soziale Welt, die diese Begriffe und ihre Bewegung erzeugte, blieb so fest bestehen wie zuvor. Weil Hegel die Tätigkeit des Menschen als rein geistige Tätigkeit annimmt, ist die philosophische Tat, die bestehenden Vorstellungen zu überwinden, ein vollständiger Sieg für Vernunft und Freiheit; der Sieg über Entfremdung und falsches Bewusstsein könne völlig im Reich des Gedankens errungen werden.

Lenin und „der junge Marx“

Schon in seinen Ökonomisch-philosophischen Manuskripten82 (1844) entlarvte der junge Marx in brillianter Weise diese grundlegende Schwäche der idealistischen Dialektik: In seiner Philosophie, sagt Marx, „hebt“ Hegel die bestehenden Begriffe der Menschen „auf“; aber er betrachtet diese Begriffe als reine Denkweisen und nicht als Teil der menschlichen Praxis – „…das Dasein, welches Hegel in die Philosophie aufhebt, [ist] daher nicht die wirkliche Religion, Staat, Natur, sondern die Religion selbst schon als ein Gegenstand des Wissens, die Dogmatik, so die Jurisprudenz, Staatswissenschaft, Naturwissenschaft.“83 Der Hegelianer konnte eine grundlegende Kritik an bestehenden Theorien, beispielsweise über den Staat, und aus deren Widersprüchen eine konsistentere Theorie ableiten. Aber wenn der Prozess dabei stehenbleibt, bleibt der wirkliche Staat unverändert, nicht aufgehoben. Wird eine Theorie darauf beschränkt, andere Theorien über den Staat erfolgreich zu kritisieren, dann läuft das in der Tat objektiv darauf hinaus, bewusste Aktionen zu verhindern, die notwendig sind, um den gegenwärtigen Staat zu verändern.

Bei Hegel bleiben daher alle Gesetze der Dialektik in einer rein spekulativen Philosophie eingeschlossen. Marx hingegen sah die Geschichte des Menschen und seines Bewusstseins als die sich entwickelnde aktive Arbeitskraft, als Praxis des sozialen Menschen bei seiner notwendigen Eroberung der Natur. Bei der Produktion bringe der Mensch sein Wesen als Teil der objektiven Wirklichkeit zum Ausdruck. Anstatt darüber zu spekulieren, was die „menschliche Natur“ oder „das Wesen des Menschen“ sein könnten, sollten wir erkennen, dass die Geschichte der menschlichen Industrie das „aufgeschlagne Buch der menschlichen Wesenskräfte84 ist, eine gebrauchsfertige Grundlage für eine wissenschaftliche Psychologie, wie er etwas später schreibt. Anstatt die Geschichte als „Verwirklichung“ eines abstrakten „Selbstbewusstseins“ des Menschen zu sehen, war es notwendig, sie als die Erschaffung und Entwicklung des Selbstbewusstseins des Menschen durch seine sich entwickelnde materielle Praxis zu studieren. Auf diese Weise kritisierte Marx als erster Hegel materialistisch, auf dieselbe Weise wie Lenin eine „materialistische“ Lesart der Hegelschen Logik entwickeln sollte:

„Hegel macht den Menschen zum Menschen des Selbstbewußtseins, statt das Selbstbewußtsein zum Selbstbewußtsein des Menschen, des wirklichen, daher auch in einer wirklichen, gegenständlichen Welt lebenden und von ihr bedingten Menschen zu machen.“85

Die Philosophie, die in jener Phase der gesellschaftlichen Entwicklung auftaucht und gedeiht, die die Trennung von geistiger und manueller Arbeit mit sich brachte, ignorierte die praktischen Wurzeln allen Denkens und versuchte, das Denken als solches zu untersuchen. Von diesem Standpunkt aus, der das reine Denken als Wesen des Menschen ansieht, kann die objektive Welt nur als entfremdete Form des Selbstbewusstseins „verstanden“ werden. Nach Ansicht der Idealisten wurde diese entfremdete Form verstanden und die Entfremdung überwunden, sobald sie als Idee begriffen wurde. Die objektive Welt ist nichts Anderes als eine „negative“ Form des Selbstbewusstseins. Wenn dies dialektisch aufgefasst wird, kehrt die entfremdete Form, die Negation, zum eigentlichen Selbstbewusstsein des Menschen zurück. Die Negation wird selbst negiert. Eine wissenschaftliche Betrachtung der Gesellschaft muss demgegenüber die aktiven Kräfte der wirklichen Menschen der Gesellschaft als die Mittel zur Veränderung der Wirklichkeit ansehen. Seine Vorstellungen über die Wirklichkeit zu verändern, kann nur Teil dieses Prozesses sein. Marx fasste das so zusammen: „Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen“;86 damit meinte er, dass die bestehenden Institutionen durch die sozialen Kräfte innerhalb der Gesellschaft, die sie hervorgebracht hat, geändert werden würden, und nicht durch noch so „kritische“ Schläge der Philosophie. Marx und nach ihm Lenin stellen hier der wortreichen Kritik der Philosophen nicht nur ein Handlungsprogramm entgegen. Sie argumentieren aus einer Gesamtsicht auf die Beziehung zwischen Denken und Handeln, zwischen Mensch und Natur. Die von Marx begründete Gesellschaftswissenschaft hat keinen Platz für eine Philosophie an sich, für die Idee des sich unabhängig entwickelnden Denkens, mit einem eigenen Gegenstand und einer eigenen Entwicklung, unabhängig von der Wirklichkeit, aber manchmal zu ihr hinabsteigend, um sie zu beeinflussen. Zu Marx’ Zeiten hatten die Errungenschaften der politischen Ökonomie, der Naturwissenschaften und der Logik die notwendigen Grundlagen dafür gelegt, dass die Entwicklung der Menschheit selbst so objektiv betrachtet werden konnte wie jeder andere natürliche Vorgang, anstatt Gegenstand von Spekulation zu sein. Wie Marx es in Die deutsche Ideologie87 formulierte:

„Da, wo die Spekulation aufhört, beim wirklichen Leben, beginnt also die wirkliche, positive Wissenschaft, die Darstellung der praktischen Betätigung, des praktischen Entwicklungsprozesses der Menschen. Die Phrasen vom Bewußtsein hören auf, wirkliches Wissen muß an ihre Stelle treten. Die selbständige Philosophie verliert mit der Darstellung der Wirklichkeit ihr Existenzmedium.“88

Von da an ging es darum, die Triebkräfte der Entwicklung des materiellen Lebens des Menschen im Bewusstsein zu erfassen:

„Man kann die Menschen durch das Bewußtsein, durch die Religion, durch was man sonst will, von den Tieren unterscheiden. Sie selbst fangen an, sich von den Tieren zu unterscheiden, sobald sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren, ein Schritt, der durch ihre körperliche Organisation bedingt ist. Indem die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, produzieren sie indirekt ihr materielles Leben selbst.“89

Die Existenz der Arbeiterklasse im Kampf gegen den Kapitalismus ist die Grundlage für die Möglichkeit, den Zustand zu beenden, in dem das Produkt des Menschen ihn durch die Macht der herrschenden Klasse dominiert. Die „Entfremdung“ wird durch den Sturz des Kapitalismus überwunden werden; in einer sozialistischen Ökonomie werden die Menschen alle Produkte der Menschheitsgeschichte für ihre eigenen geplanten Zwecke nutzen. Man vergleiche das mit Hegel: Seine „philosophische“ Bezwingung der Entfremdung lief darauf hinaus, dem Menschen die objektive Welt wieder zurück zu geben, indem er ihre Objektivität zerstört, indem er sie als reinen Ausdruck des Selbstbewusstseins ansieht und sie nur im Denken erfasst. Ihre Objektivität musste zerstört werden, weil sie genau in diesem Punkt nicht mit dem „Wesen“ des Menschen übereinstimmte, der Subjektivität und dem Selbstbewusstsein. Für Marx besteht dieses „Wesen“ nur in der historischen praktischen Tätigkeit des Menschen selbst.

Eine materialistische Dialektik von der Art, für die Marx immer die Zeit zum Schreiben finden wollte und für die Lenin in seinen Notizen zu Hegel gezielt den Grundstein legte, muss daher das von Hegel gezeichnete Bild des Verhältnisses der Denkformen und der Geschichte von Natur und Gesellschaft umkehren. Die Entwicklung des Denkens, der Ursprung und die Entwicklung von Logik und Naturwissenschaften müssen in ihrem Gesamtzusammenhang als Ergebnis und wesentlicher Bestandteil der Entwicklung der menschlichen Praxis, seiner Organisation der Gesellschaft zur Entwicklung und Erforschung von Methoden zur Eroberung der Natur gesehen werden. Nicht nur die Geschichtswissenschaft, vor allem die Geschichte der Ökonomie, die vor Marx in jeder Hinsicht ein Buch mit sieben Siegeln war, sondern auch eine wissenschaftliche Psychologie werden für die Entwicklung und Vertiefung der materialistischen Dialektik erforderlich sein:90

Die dialektisch-materialistische Erkenntnistheorie, die Wissenschaft vom menschlichen Denken, ist die wissenschaftliche Geschichte der materiellen Grundlagen, Ursprünge und Entwicklungen des tatsächlichen „Denkens“ der Menschen, die sich im Kontext der menschlichen Praxis, vor allem in der Produktion vollziehen.

Indem Lenin in den Heften die groben Umrisse einer dialektisch-materialistischen Erkenntnistheorie darlegt, erweitert er die Ideen des jungen Marx über die Praxis, die soziale Arbeit, als das „Wesen“ des Menschseins. Was der Mensch in der Philosophie betrachtet (sein eigenes Denken), ist die Widerspiegelung einer objektiven Welt, die zum Teil durch seine eigene Arbeit geschaffen wird. Der Mensch „[verdoppelt] sich nicht nur wie im Bewußtsein intellektuell, sondern werktätig, wirklich … und [schaut] sich selbst daher in einer von ihm geschaffnen Welt [an] ….“91

Lenin konnte sich nicht nur auf die philosophische Ablehnung von Hegel durch den jungen Marx stützen, sondern vor allem auf die von Marx im Zuge seiner Hinwendung zum Materialismus durchgeführten wissenschaftlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsstudien. Bei der „von dem Menschen erzeugten gegenständlichen Welt“92 handele es sich um eine bestimmte Folge von historisch spezifischen sozioökonomischen Gebilden, die auf bestimmten Produktionsverhältnissen beruhten. Diese „wirtschaftlichen Strukturen“, die notwendigen Beziehungen, in denen sich die Menschen zur Ausbeutung der durch die gesamte menschliche Erfahrung aufgebauten Produktivkräfte, Fähigkeiten und Techniken organisierten, seien die objektive Grundlage für die Tätigkeit der Menschen und folglich für jede wissenschaftliche Theorie über diese Tätigkeit. Mit dem Ende der spekulativen Philosophie bestehe die Aufgabe der Sozialwissenschaft oder des historischen Materialismus darin, die notwendigen Zusammenhänge und Widersprüche im gesellschaftlichen Leben zu erfassen, ausgehend von der „Produktionsweise des materiellen Lebens“.93 Der Arbeiterklasse diese Widersprüche bewusst zu machen, damit sie ihren Kampf gegen den Kapitalismus besser organisieren kann – das war das Lebenswerk von Marx, das hauptsächlich der wissenschaftlichen Analyse der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Widersprüche gewidmet war. Marxisten haben heute die Verantwortung und die Möglichkeit, eine weiter vertiefte Darstellung der Beziehungen zwischen dem Niedergang der kapitalistischen Gesellschaft, dem Kampf des Proletariats und dem Bewusstsein oder der Theorie des Proletariats zu erarbeiten, auf dem höchsten Niveau in der revolutionären Partei. Die Hauptbeiträge in dieser Richtung wurden von Lenin zwischen 1896 und seinem Tod geleistet, sowie von Trotzki in seinem Kampf zur Verhinderung der stalinistischen Degeneration der internationalen kommunistischen Bewegung und dann zum Aufbau einer Vierten Internationale in der Periode des heftigen Verfalls des Imperialismus zwischen 1922 und 1940.

Marxismus und Empirismus

Lenins Hefte über Hegel mögen seltsam und wie eine nicht sehr dringliche Beschäftigung erscheinen, während überall auf der Welt große Dinge geschehen. Es ist jedoch gerade an der theoretischen Front, wo der schärfste und kompromissloseste Kampf geführt werden muss. Eine fehlerhafte Vorstellung hier kann eine ganze fehlerhafte Methode bedeuten, die Zusammenhänge zwischen den Tatsachen werden völlig falsch verstanden, und katastrophal falsche Schlussfolgerungen werden gezogen. Zum Beispiel nehmen manche „Marxisten“ an, dass die marxistische Methode den gleichen Ausgangspunkt wie der Empirismus habe: dass sie nämlich mit „den Tatsachen“ beginne. Wenn das wahr wäre, ist es schwer zu verstehen, warum Lenin und andere so viel Zeit auf Hegel verwendet haben sollten. Natürlich stützt sich jede Wissenschaft auf Tatsachen. Entscheidend für jegliche Wissenschaft sind jedoch die Definition und Feststellung „der Tatsachen“. Teil der Erschaffung einer Wissenschaft sind gerade ihre Abgrenzung und Definition als ein Untersuchungsgebiet mit seinen eigenen Gesetzen: durch die Erfahrung wird gezeigt, dass die „Tatsachen“ objektiv und gesetzmäßig auf eine solche Weise gegenseitig in Beziehung stehen, dass eine Wissenschaft dieser Tatsachen eine bedeutsame und nützliche Grundlage für Praxis ist. Unsere „empiristischen“ Marxisten auf dem Gebiet der Gesellschaft und Politik sind von einem solchen Stand der Dinge weit entfernt. Ihr Vorgehen ist, zu sagen: Wir hatten ein Programm, das auf den Tatsachen beruhte, wie sie 1848, oder 1921, oder 1938 waren; jetzt sind die Tatsachen offensichtlich andere, also brauchen wir ein anderes Programm. Zum Beispiel entschied die fadenscheinige „Vierte Internationale“ von Pablos Gruppe vor einigen Jahren, dass die stalinistische Bürokratie und ihre Gegenstücke in verschiedenen Ländern auf Grund veränderter objektiver Umstände („Tatsachen“) gezwungen waren, sich anders zu verhalten. Da draußen in der Welt gebe es neue „revolutionäre Strömungen“, jüngst insbesondere in der kolonialen Revolution. Die Wirkung dieses „Massendrucks“ wäre, die Bürokraten zu zwingen, entgegen ihren Wünschen zu handeln und die Arbeiter an die Macht zu führen. Das große Ausmaß der kolonialen Revolution, die „Liberalisierung“ des Sowjetregimes, und die Entlarvung Stalins durch Chruschtschow wurden in diesem Fall als die „Tatsachen“ genommen. Die Revolutionen in Algerien, Guinea und insbesondere Kuba wiederum, heißt es, seien wieder eine neue Art von Tatsache: sozialistische Revolutionen könnten „organisch“ auf die demokratischen Revolutionen folgen, sogar ohne die Bildung von revolutionären Parteien der Arbeiterklasse.94

Hier haben wir es mit einer Art von Revisionismus zu tun, die auf den „Tatsachen“ des Empiristen aufbaut.95 Denjenigen, die sich weigern, das marxistische Programm von der permanenten Revolution, die Diktatur des Proletariats, den ausschlaggebenden Charakter des Sieges der Arbeiter in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, die Notwendigkeit des Aufbaus von revolutionären Parteien zur Bezwingung der falschen Führer der Arbeiterklasse in jedem Land aufzugeben, denen sagt man nach, sie seien subjektiv und idealistisch in ihrer Methode und weigerten sich, die neuen Fakten oder die neue Realität zu akzeptieren, die eine neue Grundlage unserer Politik bilden müssten. Die stalinistische Kritik am Trotzkismus ist ähnlich: Man sagt uns, wir seien dogmatisch, weil wir nicht begriffen, dass durch die „neue Realität“ der Sowjetmacht dauerhafter Frieden und parlamentarische Wege zum Sozialismus möglich geworden seien.

Es ist eine falsche und nicht-marxistische Sicht auf „die Tatsachen“, die zu diesen revisionistischen Ansichten führt. Unsere „Objektivisten“ mit ihrer Botschaft „Die Geschichte ist auf unserer Seite“ sagen Folgendes: Schaut euch die großen Kämpfe an, die stattfinden, fügt sie zusammen, ohne sie zu analysieren, geht von euren „Eindrücken“ über ihre Bedeutung aus, und führt all dieses zusammen – dann habt ihr die „Tatsachen“. Koloniale Revolutionen sind hier erfolgreich und dort erfolgreich und an einem anderen Ort erfolgreich; dann ist der Erfolg der kolonialen Revolution eine Tatsache. Nationalistische Führer wie Nkrumah und Mboya und Nasser halten „antiimperialistische“ Reden und führen sogar Verstaatlichungen durch; das legt nahe, dass die Geschichte dazu neigt, nichtproletarische Politiker unumkehrber und unerbittlich in eine sozialistische Richtung zu drängen. Aber ein „Objektivismus“ dieser Art ist eine Sammlung von Eindrücken und keine umfassende dialektische Analyse des Gesamtbildes, dessen Teile untereinander verbunden sind. Eine wirklich objektive Analyse geht von den ökonomischen Beziehungen zwischen den Klassen im Weltmaßstab und innerhalb der Nationen aus. Es folgt eine Analyse der Beziehungen zwischen den Bedürfnissen dieser Klassen und ihrem Bewusstsein und ihrer Organisation. Darauf stützt sie ihr Programm für die Arbeiterklasse weltweit und in jedem nationalen Bereich. Eine Liste von „progressiven Kräften“ ist keine objektive Analyse! Es ist das Gegenteil, d. h. es ist einfach eine Sammlung von oberflächlichen Eindrücken, die Akzeptanz des bestehenden unwissenschaftlichen Bewusstseins des gegenwärtigen Klassenkampfes, wie es von den Teilnehmern vertreten wird, vor allem von kleinbürgerlichen Politikern, die die nationalen Bewegungen führen und die Arbeiterbewegung bürokratisiert haben. Dass dieser theoretische Schwachsinn mit der Unterstellung versehen wird, Castro und die anderen seien „natürliche“ Marxisten, zeigt uns nur, dass sich die betreffenden „Theoretiker“ nicht bewusst sind, wie weit sie sich entfernt haben. Sie scheinen zu unterstellen, dass die Zeiten größter revolutionärer Spannungen diejenigen sind, in denen die Teilnehmer von Massenkämpfen leicht und spontan zu revolutionären Konzepten kommen. Im Gegenteil, es sind genau diese Zeiten, in denen die Priorität auf einem wissenschaftlichen Bewusstsein, auf einer Theorie und Strategie liegt, die im Kampf über eine lange Periode entwickelt wurden.

Das Wesen der Geschichte der proletarischen revolutionären Bewegung ist das bewusste Bemühen, eine wissenschaftliche Theorie zu entwickeln und eine Strategie, die mit dieser Theorie übereinstimmt. Alles Reden über „natürliche“ Entwicklungen zum Marxismus ist ein Angriff auf die Notwendigkeit, diesen Prozess weiterzuführen. Der Empirist glaubt, dass er verschiedene Teile des sozialen Prozesses, so wie sie sich vom einen zum anderen Tag zeigen, untersuchen kann. Wenn man diese zusammenführe, erhalte man dann ein „realistisches“ oder „objektives“ Gesamtbild und eine internationale Perspektive. So ein Herangehen ist natürlich sehr nahe verwandt mit der sogenannten „wissenschaftlichen“ Methode, die so scharf von Hegel und von Lenin angegriffen wurde.96 Die Aufgabe der dialektischen Methode ist es, zuerst die grundlegenden (ökonomischen und klassenmäßigen) Widersprüche in ihrer Entwicklung zu verstehen, und dann auf dieser Grundlage die politischen und ideologischen Erscheinungsformen als Teile eines sich entwickelnden Ganzen zu untersuchen. Immer wieder verweist Lenin in den Heften auf das, was Engels „schlechte Dialektik“ nennt, diese künstlichen Anweisungen, die an jede Erscheinung abstrakt herangehen und versuchen, ihr irgendeine „These, Antithese und Synthese“ oder „zwei entgegengesetzte Seiten“ aufzuzwingen. Wie Engels sagte, ist die Kenntnis von dialektischen Kategorien keine Lösung für irgendein wissenschaftliches Problem. Es handelt sich immer um ein systematisches Studium der aktuellen Sachlage, der Analyse der sich darin entwickelnden Kräfte. Anzunehmen, dass die „dialektische Methode“ eine Patentlösung sei, die all diese harte Arbeit unnötig macht, ist der Fehler aller derjenigen, die oberflächlich über die „Anwendung“ von Dialektik reden. Lenin zeigte mit seiner scharfen Kritik an Trotzki und insbesondere Bucharin in der „Gewerkschaftsdiskussion“ von 1920, wie gründlich er sich die Methode von Marx zu eigen gemacht hatte. Seine Bemerkungen über Dialektik in dieser Auseinandersetzung97 sind eine unabdingbare Lektüre für alle, die die Hefte studieren, weil sie in klaren Worten viele der Punkte erweitern, die in vorläufiger Form in den groben Notizen über Hegel skizziert wurden.

Dialektik und Eklektizismus

1920 fand in der Kommunistischen Partei der jungen Sowjetrepublik eine unerlässliche Auseinandersetzung über die Beziehungen zwischen den Gewerkschaften und dem Staat statt. Lenins Reden zu diesem Thema sind die ersten Schläge im Kampf gegen die Gefahren der Bürokratie in Sowjetrussland, aber für den Moment interessieren wir uns mehr für die wohlüberlegten Argumente, die er bei seinen Meinungsverschiedenheiten mit Trotzki und insbesondere Bucharin in Bezug auf die Anwendung der dialektischen Methode vorbringt. Trotzki, mit seinem Beharren darauf, dass die Gewerkschaften ihre Unabhängigkeit dem Arbeiterstaat unterordnen müssten, und der sagte, dass nur ein „Durchrütteln“ in den Gewerkschaften die konservativen und trägen Gewerkschaftsführer bewegen würde, ging, so Lenin, von Abstraktionen über die angemessenen Beziehungen zwischen den organisierten Arbeitern und „ihrem“ Staat aus. Doch die besonderen Probleme hierbei waren politische: der Sowjetstaat war notwendigerweise durch bürokratische Verzerrungen geschwächt. Diese Tatsache hatte eine bestimmte politische Wirkung auf die Haltung der Arbeiter, die Gewerkschaften brauchten, um sich gegen „ihren“ Staat zu verteidigen. Es war ein methodischer Fehler von Trotzki, „von den wirtschaftlichen Aufgaben auszugehen“98 und Lenin dafür zu verurteilen, zu „politisch“ zu sein; „man [darf] an ein so umfassendes Thema nicht herangehen …, ohne die Besonderheiten der gegenwärtigen Lage von ihrer politischen Seite her durchdacht zu haben… Politik [ist] der konzentrierteste Ausdruck der Ökonomik…“.99 Trotzkis verfehlte Politik des „Durchrüttelns“ der Gewerkschaften „entsprang dieser falschen Methode“,100 und weiter sagte Lenin: „Dieser Fehler aber führt, wenn man ihn nicht einsieht und nicht korrigiert, zum Sturz der Diktatur des Proletariats“.101

Zu beachten ist hier Lenins Beharren darauf, jede einzelne politische Frage vom Blickwinkel der gesamten Entwicklung der Revolution und der Diktatur der Arbeiter zu betrachten. In seinem „Testament“ geht er auf ähnliche Weise von der Notwendigkeit aus, das Arbeiter-Bauern-Bündnis als Grundlage der Sowjetmacht zu erhalten; die Kritik an der Bürokratie und an Stalins persönlichen Charaktermerkmalen werden in diesen größeren Zusammenhang gestellt. Einzelfragen als Teil dieses sich entwickelnden Ganzen zu sehen, ist die konkreteste Weise, sie zu betrachten, selbst wenn es zunächst so aussieht, als würde man einen großen Umweg machen, um auf den Punkt zu kommen. Nur wenn wir von der spezifischen Stufe der Entwicklung ausgehen, die der Staat und die Gesellschaft als Ganze erreicht haben, werden wir die drängendsten und spezifischsten Aspekte des diskutierten Problems vor Augen haben. „Die Wahrheit ist immer konkret.“102

Auch in bezug auf Bucharin ist Lenin sehr scharf. Bei seinem Versuch, die Gewerkschaftsdiskussion aufzulösen, betrieb Bucharin eine sehr verbreitete Art von „Dialektik“. Er dachte, dass Trotzki die Gewerkschaften zu sehr unter dem Gesichtspunkt der Organisation, des „Apparat“-Aspekts der Gewerkschaftsbewegung im Arbeiterstaat, sah; Sinowjew andererseits legte zuviel Gewicht auf die Gewerkschaften als „Schule des Kommunismus“. Also, sagte Bucharin, muss man erkennen, dass beide teilweise recht haben: die Gewerkschaften sind „einerseits“ eine Schule usw., „andererseits“ ein Apparat usw. In diesem Fall landet Bucharin bei einer ebenso abstrakten Herangehensweise an die Frage; wie immer neigte er zum Eklektizismus anstatt zur Dialektik, d. h. zum Versuch, die Wahrheit durch das Zusammenkleben verschiedener Teilansichten herauszufinden, statt eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung des Ganzen zu unternehmen. Lenins Charakterisierung an dieser Stelle ist sehr deutlich:

„Warum ist diese Betrachtung Bucharins toter und inhaltsloser Eklektizismus? Weil bei Bucharin auch nicht die Spur eines Versuchs zu finden ist, selbständig, von seinem Standpunkt aus, sowohl die ganze Geschichte des gegebenen Streites (der Marxismus, das heißt die dialektische Logik, erfordert das unbedingt) als auch das ganze Herangehen an die Frage, die ganze Fragestellung – oder, wenn Sie wollen, die ganze Richtung der Fragestellung – in der gegebenen Zeit, unter den gegebenen konkreten Umständen zu analysieren. Nicht die Spur eines Versuchs hierzu bei Bucharin! Er geht ohne das geringste konkrete Studium, mit bloßen Abstraktionen heran und nimmt ein Stückchen von Sinowjew, ein Stückchen von Trotzki. Das ist Eklektizismus.“103

Einige „Marxisten“ denken, dass eine dialektische Herangehensweise einfach darin besteht, sich willkürlich für zwei gegensätzliche Kräfte in irgendeiner Erscheinung zu entscheiden und die Entwicklung dieser Erscheinung mittels dieser „Gegensätze“ zu beschreiben. Doch welche beiden „Seiten“ der Sache soll man nehmen?

„Die Gewerkschaften sind, von der einen Seite betrachtet, eine Schule, von der anderen – ein Apparat, von der dritten – eine Organisation der Werktätigen, von der vierten – eine Organisation fast ausschließlich von Industriearbeitern, von der fünften – eine Organisation nach Produktionszweigen usw. usf. Von irgendwelcher Begründung, von irgendwelcher selbständigen Analyse, um zu beweisen, warum man die ersten zwei ‚Seiten‘ der Frage oder des Gegenstands und nicht die dritte, die vierte, die fünfte usw. nehmen muß, ist bei Bucharin auch nicht die geringste Spur zu finden. Darum sind auch die Thesen der Bucharingruppe eine durch und durch eklektische Hohlheit. Bucharin stellt die ganze Frage der Wechselbeziehungen von ‚Schule‘ und ‚Apparat‘ grundfalsch, nämlich eklektisch.“104

Worauf es hier ankommt, ist, dass es keine unnütze Beschäftigung ist, sich um die dialektische Methode zu kümmern; ohne sie laufen Marxisten Gefahr, in den Empirismus abzugleiten, eine beschränkte „Praxisverbundenheit“, ein tödliches routinemäßiges Herangehen an lebenswichtige politische Fragen. In der „Gewerkschaftsdiskussion“ bewies Lenin in der Praxis, wie er die Ideen meisterte, die er sein ganzes Leben lang, und insbesondere in den Philosophischen Heften, studiert hatte. Von dem allseitigen, widersprüchlichen und sich entwickelnden Ganzen auszugehen und seine besondere Entwicklungsstufe sowie die notwendigen Ausprägungen der inneren Widersprüche auf dieser Stufe zu verstehen, das ist das Wesentliche der dialektischen Methode. Sie ist dem Empirismus so entgegengesetzt, wie eine Methode nur irgendwie sein kann.

Bernstein, der deutsche Sozialdemokrat, war der erste der bewussten und umfassenden „Revisionisten“ des Marxismus. Er lehnte die Revolution ab und begründete den modernen Reformismus auf der Grundlage, dass „die Tatsachen“ anders ausgefallen seien als Marx es vorhergesagt hatte. Die Arbeiter würden nicht ärmer und ärmer und zum Aufstand getrieben werden. Der Kapitalismus würde nicht näher und näher an den Zusammenbruch kommen, usw. usf., und deshalb sei es das beste, innerhalb des Kapitalismus zu arbeiten und ihn allmählich durch stückweise Veränderungen umzuwandeln. Rosa Luxemburg war Bernsteins fähigste Gegnerin in der sozialdemokratischen Presse. Ihr Angriff ist ein Muster der dialektischen Methode.105 Bernsteins grundlegender Fehler war, wie sie aufzeigte, seine „Beweise“ als isolierte und unabhängige „Tatsachen“ anzusehen, die angeblich Marx’ Theorien widerlegen würden. Doch dabei handelt es sich nur um Tatsachen, wenn man hinnimmt, dass sie unabhängige und eigenständige Bedeutung haben, und sie nicht als Teil des kapitalistischen Systems, seiner allgemeinen Entwicklungsprobleme, sieht. Ähnlich dazu können Reformen nicht anders als historisch beurteilt werden. Nur abstrakte Vergleiche von außerhalb können Reformen als Alternative zur Revolution hinstellen. Wenn wir vom Klassenkampf in seiner Entwicklung ausgehen, sehen wir, dass bestimmte Reformen nur auf der Grundlage vergangener Revolutionen stattfinden und eine Bedeutung haben können, d. h. dass beide keine getrennten, alternativen Erscheinungen sind, sondern notwendige Seiten des selben Kampfprozesses. Strukturelle Veränderungen, Veränderungen der Macht, erfordern die Revolution, und die Bedeutung heutiger Reformen kann nur unter dem Gesichtspunkt des Aufbaus einer revolutionären Bewegung für den morgigen Sieg der Arbeiterklasse, sowie im Rahmen vergangener Revolutionen, eingeschätzt werden.

Wir haben gesehen, dass „die Tatsachen“, wie sie sich unmittelbar darstellen, für eine marxistische Analyse nicht ausreichen; darüber hinaus kann das Akzeptieren der Summe dieser Tatsachen als Wirklichkeit nur eine opportunistische Anpassung an die bestehende Gesellschaft hervorbringen. Der empiristische oder „impressionistische“ Beobachter denkt, dass er an die Tatsachen auf unvoreingenommene Weise, ohne Vorurteile, ohne Theorie herangehe, und so dem „dogmatischen“ Marxisten mit seinen „feststehenden“ Theorien überlegen sei. Niemand fängt aber ohne Theorien an. Die bloße Auswahl bestimmter Tatsachen als diejenigen, die zusammengefügt werden (oder von denen man sich beeindrucken lässt), zeigt, dass man diesen gegenüber den unzähligen anderen „Tatsachen“ oder „Seiten“ der Wirklichkeit eine gewisse Bedeutung zumisst. Die da behaupten, objektiv zu sein, indem sie Theorien von vornherein vermeiden, wenden tatsächlich nur eine verworrene und undeutlichere Theorie an; eine solche Theorie ist in der Tat durch die vorherrschende Ideologie der Gesellschaft geprägt, in der diese Leute leben. Ihre alltäglichen Vorurteile mögen unter dem Namen „gesunder Menschenverstand“ auftreten, aber sie sind die bestimmten Vorurteile einer bestimmten Klassengesellschaft.

Marxistische Theorie und sozialistische Politik sind aber keine feststehenden Wahrheiten, die wie Manna vom Himmel fallen. Sie sind wie jede Wissenschaft ständig in Entwicklung; im Kampf gegen bürgerliche Ideologie geboren, haben sie sich durch den Kampf der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen entwickelt. Damit das Proletariat ein Bewusstsein der vollen Bedeutung seines internationalen Kampfes gegen die Macht des Kapitals erlangen kann, ist ein lebendiger und entschlossener Kampf für die marxistische Theorie gegen jegliche Ablenkung notwendig. Deshalb gingen den großen Schritten, die die sozialistische Bewegung nach vorne gemacht hat, immer theoretische Schlachten gegen den Revisionismus sowie politische Klassenkämpfe voraus. Um unser sozialistisches Programm auf die objektive Entwicklung des Klassenkampfes zu stützen, müssen wir unsere theoretischen Waffen schärfen. Nur eine wissenschaftliche Theorie kann zum Wesentlichen des internationalen Klassenkampfs gegen den Imperialismus durchdringen. Unsere eigenen Ideen, d. h. unsere eigene politische und theoretische Entwicklung, müssen dialektisch verstanden werden. Die bewusste Aktivität von Revolutionären und der Arbeiterklasse sind materielle Faktoren bei der Umgestaltung der Gesellschaft. Unserer eigenen Geschichte und theoretischen Entwicklung gegenüber unkritisch zu sein, bedeutet, in Idealismus zu verfallen. Wenn in der marxistischen Bewegung eine revisionistische Strömung auftaucht und stark wird, dann besteht die Aufgabe nicht nur darin, „marxistische Prinzipien aufrechtzuerhalten“, aufzuzeigen, in welchen Punkten die Revisionisten von ihnen abgewichen sind, und weiterzumachen wie zuvor. Auf diese Weise lernt man langfristig gar nichts. Nur durch die Vertiefung der Kritik am Revisionismus, durch Aufzeigen seiner historischen Wurzeln und der Art, wie er den Druck anderer Klassen auf das Proletariat widerspiegelt, entwickeln die Revolutionäre ihre eigene Theorie. Wenn wir der Wirklichkeit gegenübertreten, fangen wir nicht mit einem unbeschriebenen Blatt an, sondern mit Waffen (Theorien, bewusst aufgebauten Organisationsformen, Losungen, Plänen), die über die Jahre durch aktive Einwirkung auf eine sich verändernde Wirklichkeit geschmiedet wurden. Die Geschichte und die Entwicklung dieser Waffen, das Verständnis ihrer Beziehungen zur gesamten Wirklichkeit, die Art, wie sie wurden, was sie sind, und wie sie, in Auseinandersetzung mit entgegengesetzten Ideen, eine höhere und weiter entwickelte Form annehmen müssen; das ist es, was man in einem Kampf gegen Revisionismus begreifen muss. Mit anderen Worten muss unsere eigene Theorie, unser eigenes Bewusstsein (das die Form der „revolutionären praktischen Tätigkeit“106 annehmen muss) dialektisch verstanden werden, genau wie alles andere auch. Die Philosophischen Hefte von Lenin bieten den grundlegenden Rahmen eines Verständnisses dieses Problems, des dialektischen Charakters der Entwicklung des Bewusstseins. Es ist ein Problem, auf das die Hefte ständig zurückkommen. Die Dialektik ist die Erkenntnistheorie des Marxismus, sagt Lenin viele Male, und er meint damit, dass die Dialektik eine wissenschaftliche Theorie der Entstehung und Entwicklung des menschlichen Denkens ist. Die Leser werden selbst in der Lage sein, Lenins Gedanken zu den allgemeinen Merkmalen dieses Problems in seinen Notizen zu Hegels Wissenschaft der Logik zu folgen; worauf wir hier nur versucht haben hinzuweisen, ist die Kontinuität von Lenins Schriften mit der gesamten marxistischen Tradition revolutionären Denkens, und wir versuchten die Verbindung zwischen scheinbar undurchsichtigen „philosophischen“ Fragen und Fragen von politischer Dringlichkeit aufzuzeigen, nicht nur zu Lenins Zeit, sondern auch in unserer.

Die Dialektik und Lenins Politik107

Lenin unternahm seine Studien von Hegel in den Jahren 1914–16 inmitten eines umfassenden Kampfes gegen den Revisionismus in der internationalen sozialistischen Bewegung. Es ist bezeichnend, dass die heutigen „Kommunisten“,108 die fälschlich behaupten, Lenin zu folgen, es nötig haben, die Marxisten unserer Tage, die Trotzkisten, als „Stammtischtheoretiker“ zu verurteilen, die ihre Zeit auf Bücher und Geschichte verwenden, statt mit den praktischen Aufgaben (d. h. den Aufgaben, vor dem Imperialismus zu kapitulieren) weiterzukommen. Ähnlich drücken manche von denen, die sich selbst Trotzkisten nennen, ihre Überraschung und ihren Spott aus, wenn die Marxisten darauf bestehen, aktuelle politische Meinungsverschiedenheiten auf ihre philosophischen und methodologischen Wurzeln zurückzuführen. Lenin sah seine Arbeit an Hegels Logik definitiv als absolut notwendigen Teil seines Kampfes gegen den Revisionismus an. Warum war das so? Weil es in dem Kampf zur Bezwingung und Niederwerfung falscher Vorstellungen in der Sozialistischen Internationale notwendig war, die wesentliche dialektische Ansicht über die Beziehung zwischen Theorie und Praxis wieder zu entdecken.109

Diese Beziehung kann nicht „im Allgemeinen“ und „endgültig“ verstanden werden: der Marxismus ist kein philosophisches System, sondern eine wissenschaftliche Anleitung zum Handeln; nur der Prozess des Kampfes, falsche Vorstellungen in der wirklichen Bewegung zu bezwingen, kann die marxistische Methode lehren, kann den Marxisten zur wirklichen Bedeutung der Werke führen, die er studieren muss. Im Verlauf dessen entwickeln die Marxisten, organisiert in einer revolutionären Partei, die Theorie selbst, und bauen so eine Verbindung zu den Kämpfen derjenigen auf, die nach ihnen kommen.

Mit seinem Studium der Dialektik bewaffnete Lenin sich selbst, die bolschewistische Partei und die internationale Arbeiterklasse erneut, indem er, mitten im Ersten Weltkrieg und der Vorbereitung der Kommunistischen Internationale, auf der Rückkehr zu grundlegenden Fragen der Philosophie und der dialektischen Methode beharrte. Das erwies sich als enorm wertvoll für seine Fähigkeit, sich 1917 mit den strategischen und taktischen Problemen der Russischen Revolution auseinanderzusetzen, als die Hinnahme und Wiederholung früherer programmatischer Losungen (einschließlich Lenins eigener Losungen von 1905/06) durch die „alten Bolschewiki“ die bolschewistische Partei und die Arbeiterklasse fast daran hinderte, die revolutionäre Gelegenheit dieses Jahres zu ergreifen.

Mit seinem Buch Staat und Revolution schuf Lenin eine meisterhafte Untermauerung für seine Kampagne der Mobilisierung der Arbeiterklasse und der mit ihr verbündeten Bauern zum Sturz der Provisorischen Regierung. Selbstverständlich ist Staat und Revolution wohlbekannt als die klassische Darstellung der marxistischen revolutionären Haltung zur Machteroberung durch die Arbeiterklasse. Doch das Buch verdient auch unter dem Gesichtspunkt der dialektischen Methode ein sehr sorgfältiges Studium.

Um die marxistische Theorie des Staates als Anleitung zum Handeln und als eine wissenschaftliche Theorie darzustellen, liefert Lenin nicht einfach eine Liste von abstrakten, für alle Zeiten feststehenden Prinzipien, die er „falschen“ Theorien gegenüberstellt. Im Gegenteil zeigt er, dass sich die marxistische Theorie des Staates als eine wissenschaftliche Widerspiegelung der Bedürfnisse und Erfahrungen der Arbeiterklasse im Kampf entwickelt hat. „Der Marxismus betrachtet sich als den bewußten Ausdruck des unbewußten geschichtlichen Prozesses.“110 Eine marxistische Haltung zum Staat muss die Erfahrung der Klasse widerspiegeln. Und daher zeigt Lenin zuerst, wie Marx und Engels 1847/48 mit einer allgemeinen Sichtweise vom Wesen des Staates als eines Organs der Unterdrückung einer Klasse durch eine andere anfingen. Mit ihrer materialistischen Theorie der Geschichte waren sie in der Lage zu zeigen, dass sogar die für „natürlich“ und unvermeidbar gehaltenen Merkmale des Staates tatsächlich Folgen der Spaltung in Ausbeuter und Ausgebeutete waren.

Schon 1847/48 lehnten die opportunistischen Denker in der Arbeiterbewegung diese Positionen ab. Lenin weist darauf hin, dass seit Marx’ Zeiten die militaristischen Merkmale des Staates überall gebündelt und gestärkt wurden, um die Macht des Finanzkapitals und der Monopole zu sichern, die danach streben, die Arbeiterklasse zu disziplinieren und die Märkte der Welt durch imperialistischen Krieg zu erobern. (Ein, dringend nötiges, Werk über den Staat heute wäre in der Lage, die weitere Entwicklung dieses Prozesses in der Periode der „friedlichen Koexistenz“ und der Atommacht zu dokumentieren.) Parallel zu diesem Prozess haben sich, wie Lenin aufzeigt, die opportunistischen und kleinbürgerlichen Strömungen in der Arbeiterbewegung von marxistischen Vorstellungen über den Staat abgewandt und schließlich 1914 kapituliert, indem sie ihren „eigenen“ Nationalstaat im Krieg gegen andere unterstützten. Die daraus erstehende Lage machte es, wie Lenin zeigte, nötig, die Frage des Staates auf allseitige, dialektische Weise anzugehen, wenn ein entscheidender Kampf um die Macht und gegen die Opportunisten geführt werden sollte.

Dies erforderte deshalb:

  1. Die Darstellung von Marx’ und Engels’ Position in Beziehung zu ihrer allgemeinen Theorie des historischen Materialismus.

  2. Die Untersuchung der Erfahrungen der Arbeiterklasse in revolutionären Kämpfen, insbesondere 1848, 1871 (die Pariser Kommune) sowie 1905 und 1917 (die russischen Revolutionen), und der Nachweis, dass der Marxismus aus diesen lernte und sich durch Widerspiegelung dieser Erfahrung entwickelte. So kam es erst nach 1871 dazu, dass Marx und Engels folgende Vorstellungen konkretisierten:

    1. dass die alte Staatsmaschinerie zerschlagen werden muss, nicht nur übernommen, und

    2. dass die neue Arbeitermacht eine „Kommune“ wäre, die die ganze Arbeiterklasse in die Regierung einbezieht und ihr eigenes Verschwinden vorbereitet: d. h., die frühere, „allgemeinere“, abstrakte Vorstellung nahm eine konkretere Form an, indem sie Teil des praktischen Kampfes der Arbeiterklasse gegen den kapitalistischen Staat wurde.

  3. Zu guter Letzt die Erklärung, dass der Marxismus als Anleitung zum Handeln der Arbeiterklasse sich nur im Kampf gegen falsche Vorstellungen, die [klassen-]fremde Strömungen in der Bewegung repräsentieren, entwickelt und weiter entwickeln kann. Das entspricht dem, was Lenin „noch eine neue Seite“ „der ganzen Logik“111 nannte – die Geschichte der Theorie selbst in ihrer Entwicklung mittels Gegensätzen.

So gewannen Marx’ eigene Vorstellungen nur in bitterem Kampf gegen die Opportunisten auf der einen und die Anarchisten auf der anderen Seite ihre Klarheit. Lenin erklärt diese Auseinandersetzungen und geht daran, den Kampf gegen die Verräter zu seiner Zeit fortzusetzen. Auf diese Weise konkretisierte er die Vorstellungen über die dialektische Methode, die er aus seinem Studium von Hegel ableitete. Ideen und Theorien sind in der Arbeiterbewegung praktische Waffen; sie müssen bewusst vorbereitet und geschärft werden; jedes Stückchen an Wert muss durch harte theoretische Arbeit aus den Erfahrungen der Klasse gewonnen werden. Wenn diese Erfahrungen einfach nur auf routineartige Weise durchlebt werden, wird die Arbeiterklasse der Beherrschung durch kapitalistische Ideen überlassen. Die Rolle opportunistischer „Theorien“ ist, sicherzustellen, dass genau das geschieht. Lenin verstand, dass er, um seine eigenen Vorstellungen vom Staat und der Revolution zu entwickeln, sie als die jüngsten in der Reihe der sich entwickelnden marxistischen Vorstellungen begreifen müsste, die Bestandteil einer kämpfenden objektiven Kraft, der Arbeiterklasse, waren, die danach strebt, ein wahres Bewusstsein der Bedeutung ihres Kampfes gegen die Kapitalistenklasse zu gewinnen. Ein entscheidender Teil davon war der Kampf zur Bezwingung der opportunistischen Führer, deren Rolle es war, diesen Kampf innerhalb reformistischer oder nationaler Grenzen einzudämmen.

Hier ist nicht der Ort, um weiter auf Einzelheiten einzugehen, und alle, die sich den Marxismus aneignen, sollten Lenins Buch studieren, um zu sehen, wie er diejenigen, die den Marxismus verzerren, auseinandernimmt. Als Opportunisten müssen Letztere von dieser dialektischen Methode abweichen und Marx’ Schriften so, wie es gerade zu einem bestimmten Argument passt, in getrennte Teile aufspalten, wobei sie aus vergangenen Schriften auswählen, was sie wollen, um ihre gegenwärtige Praxis des Verrats zu verhüllen. Ähnlich führten Kautsky und seinesgleichen keine gründliche geschichtliche Untersuchung des Staates oder von Marx’ Theorie des Staates durch, sondern zogen es vor, Beispiele und Präzedenzfälle aus ihrem historischen Kontext herausgerissen zu zitieren. Alles das muss im Zusammenhang mit dem internationalen Verrat am Sozialismus nach 1914 und an der russischen Revolution nach 1917 gesehen werden. Lenins Buch war Teil seiner notwendigen Trennung von den „Sozialverrätern“ der Zweiten Internationale. Es könnte kein besseres Beispiel der Einheit von Theorie und Praxis im Marxismus geben. Die Praxis der Opportunisten verlangt eine besondere Art von Theorie, oder eher Verweigerung von Theorie. Ihre Ideen sind Ideen, die der Arbeiterklasse durch eine Bürokratie aufgedrängt werden, deren Interessen sie an den Klassenfeind binden (wie die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Nationalstaats, innerhalb dessen sie ihre wirtschaftlichen und parlamentarischen Privilegien zu verteidigen hoffen). Diese Ideen stehen der Dialektik feindlich gegenüber – einer Theorie, die der Arbeiterklasse ermöglicht, die Wechselbeziehungen zwischen allen ihren Kämpfen an allen Fronten und in jedem Land zu erkennen und ihre wirklichen materiellen Interessen als Klasse wissenschaftlich und bewusst widerzuspiegeln. Mit einer solchen dialektischen Theorie des Staates, entwickelt durch das Nachvollziehen der Entwicklung der Theorie als Antwort auf die Bedürfnisse der Klasse und im Gegensatz zu denen, die die Klasse zurückhalten, war Lenin in der Lage, die bolschewistische Partei und das russische Proletariat 1917 zur Aktion zu führen. Hier ist wichtig, auf die Bereicherung und Schärfung der politischen Schlussfolgerungen hinzuweisen, die durch die Allseitigkeit des dialektischen Herangehens ermöglicht wurden. Weil Lenin in seinem Studium von Hegel verinnerlicht hatte, wie wichtig es ist, die Entwicklung der Ideen im Verlauf der Praxis zu verstehen, war er fähig, 1917 sowohl dem politischen als auch dem theoretischen Kampf eine scharfe Kante zu verleihen, während die Mehrheit der Bolschewiki sich in den ersten Monaten mit einem Sieg der Bourgeoisie abgefunden hatte.

Lenin und die Partei

Lenins Beiträge zum Marxismus und für die Arbeiterklasse waren vor allem die Theorie und Praxis des Aufbaus einer revolutionären Partei, um die Arbeiterklasse im Kampf um die Macht zu führen. Sein Leben ist eine gewaltige Auseinandersetzung mit den Problemen dieses Aufbaus, zu dessen Zweck er eine wissenschaftliche Untersuchung der ganzen Geschichte und sozialen Struktur Russlands und der Erfahrungen des internationalen Klassenkampfes beitrug, bis hin zu innersten Details der internen Geschichte der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und ihrer Fraktionen. Er ist damit in der Lage, die verschiedenen Einzelpersonen und Gruppierungen, ihre Vorstellungen und Handlungen nicht nur in ihrem unmittelbaren oberflächlichen Erscheinungsbild zu begreifen, sondern als Konflikt der entscheidenden gesellschaftlichen Kräfte in der russischen Revolution. Lenin wurde von seinen Widersachern oft für sein scharfes und erbittertes Auftreten in innerparteilichen Diskussionen kritisiert. Aber Lenins Beharren auf persönlichen Brüchen und oft heftigen Auseinandersetzungen über scheinbar unbedeutende Themen war einfach die konsequente Umsetzung des revolutionären Zentralismus, des Prinzips, wonach die Praxis der Parteiorganisation und die individuellen Verantwortlichkeiten die objektiven Klasseninteressen berücksichtigen müssen. Trotzki und andere haben dargelegt, wie sie oft über Lenins „Unbarmherzigkeit“ entsetzt waren und erst viel später verstanden, dass dies kein persönlicher Charakterzug, sondern das Ergebnis tiefster politischer Überzeugungen war. In seiner Autobiographie sagt Trotzki:

„Der revolutionäre Zentralismus ist ein hartes, gebieterisches und anspruchsvolles Prinzip. Es nimmt nicht selten gegen einzelne und ganze Gruppen gestriger Gesinnungsgenossen unbarmherzige Formen an. Nicht umsonst sind in Lenins Wortschatz die Worte so häufig: unversöhnlich und erbarmungslos. Nur die höhere revolutionäre Zielsetzung, frei von allem Niedrig-Persönlichen, kann eine solche Erbarmungslosigkeit rechtfertigen. Im Jahre 1903 ging es nur darum, Axelrod und Sassulitsch außerhalb der Redaktion der ‚Iskra‘ zu stellen. Ich empfand für die beiden nicht nur Achtung, sondern auch persönliche Zuneigung. Auch Lenin hatte sie wegen ihrer Vergangenheit hochgeschätzt. Aber er kam zu der Erkenntnis, daß sie immer mehr ein Hindernis auf dem Wege zur Zukunft würden, und er zog die organisatorische Schlußfolgerung, sie aus den führenden Stellungen zu entfernen. Damit konnte ich mich nicht abfinden. Mein ganzes Wesen lehnte sich gegen diese erbarmungslose Absägung der Alten auf, die endlich bis an die Schwelle der Partei gekommen waren. Aus dieser meiner Empörung ergab sich der Bruch mit Lenin auf dem zweiten Kongreß. Sein Verhalten schien mir unzulässig, schrecklich, empörend. Es war aber dennoch politisch richtig, folglich auch organisatorisch notwendig. Der Bruch mit den Alten, die in der vorbereitenden Epoche verharrten, war auf jeden Fall unvermeidlich. Lenin hatte dies früher als die anderen erkannt.“112

Diese starke Konzentration ermöglichte es Lenin, klarer als jeder andere die Beziehung zwischen der marxistischen Theorie und der revolutionären Organisation zu sehen. In seinen Auseinandersetzungen mit den Volkstümlern, den „legalen Marxisten“ und den Ökonomisten verstand und betonte Lenin von Anfang an, dass die revolutionäre Theorie das wesentliche bestimmende Merkmal einer revolutionären Partei ist. Aber auch hier müssen wir verstehen, dass dies bedeutet, dass jede Facette der Ideen in der Geschichte der Partei verstanden werden muss. Das Innenleben der politischen Strömungen in der Partei, ihre Reaktion auf bestimmte Probleme und Krisen in der Entwicklung der Klasse und der Partei, all dies muss verstanden werden, um genau zu wissen, welchen Weg wir einschlagen. Betrachten wir ein Beispiel. 1913 gab es eine „Vereinigungsoffensive“ vonseiten einiger Menschewiki, die versuchten, sich mit den Bolschewiki wiederzuvereinigen. Sie behaupteten, und wurden dabei im August-Block eine gewisse Zeit von Trotzki unterstützt, dass die Dringlichkeit der aktuellen praktischen politischen Fragen eine Vereinigung erforderte, da in vielen dieser Fragen eine Übereinstimmung gefunden werden könnte. Der Fehler bei diesem Ansatz bestand darin, dass er von der marxistischen Auffassung von Theorie und politischem Programm abwich. Wir dürfen nicht von den „Fakten“, wie sie augenblicklich bei den aktuellen politischen Fragen auftreten, ausgehen, sondern müssen eine theoretische Analyse der Entwicklung des Klassenkampfes, dessen Teil die dringenden Fragen sind, zugrundelegen. Wie wir in der Theorie über den Staat gesehen haben, gelangen wir nur dann zu einer richtigen theoretischen Analyse, wenn wir eine Untersuchung darüber einbeziehen, wie in der Arbeiterbewegung einseitige und falsche Ansichten über eine Situation entstanden sind und aufrechterhalten wurden. Lenin hat das bei seiner Ablehnung des August-Blocks sehr klar dargelegt und Trotzki hat seine Haltung später so zusammengefasst:

„Die meisten Dokumente habe ich geschrieben; sie sollten durch Vermeiden der prinzipiellen Differenzen den Anschein von Übereinstimmung über ‚konkrete politische Fragen‘ schaffen. Kein Wort über die Vergangenheit! Lenin unterwarf den August-Block einer schonungslosen Kritik und die härtesten Schläge trafen mich. Lenin bewies, dass meine Politik Abenteurertum war, da ich politisch weder mit den Menschewiki noch mit den Wperjodisten übereinstimmte. Das war hart, aber wahr.“113

Lenin beharrte während der ganzen Kontroverse auf den grundlegenden Programmlinien, wie sie in den Spaltungen der Vergangenheit historisch festgelegt worden waren. Trotzki erkannte erst später dieses Wesensmerkmal des dialektischen Herangehens.

Opportunismus und Dialektik

Schon 1908 in „Marxismus und Revisionismus“114 stellte Lenin fest, dass die Bourgeoisie, je mehr sie ideologisch selbst verfiel, sich zunehmend auf Revisionisten des Marxismus und Abtrünnige vom Marxismus stützte, um ihre Interessen zu vertreten, indem sie verhinderte, dass die Arbeiterklasse ein Bewusstsein ihrer eigenen Rolle erlangte. Exkommunisten und Exmarxisten jeder Art spielen heute, über ein halbes Jahrhundert später, diese Rolle in einer weitaus systematischeren und organisierteren Weise als damals. Finanziert von Großunternehmen und kapitalistischen Regierungen bieten riesige Forschungsstiftungen und Verlagsunternehmen „Experten“ für Kommunismus mit „Insider-Wissen lukrative Karrieren; das Gewissen des „Exkommunisten“ wird zu einer gut verkäuflichen Ware. Auch innerhalb der revolutionären Bewegung selbst entstehen Strömungen, die sich dem Kapitalismus durch diese Schicht der Intelligenz anpassen, oft über literarische oder akademische Kreise wie von Sartre in Frankreich oder Wright Mills in den USA. Einige dieser Intellektuellen bauen sich einen guten Ruf als Radikale und unverblümte Kritiker der reaktionärsten Merkmale heutiger Regierungen und Unternehmen auf, aber alle ihre Kritikpunkte sind innerhalb des Kapitalismus tolerierbar, denn sie machen vor der entscheidenden Rolle der Arbeiterklasse Halt, indem sie „Theorien“ entdecken, wonach diese entscheidende Rolle womöglich nur ein Aberglaube aus dem 19. Jahrhundert ist (Wright Mills nannte dieses Beharren auf der Rolle der Arbeiterklasse „Arbeiter-Metaphysik“). Interessanterweise halten sie es auch für nötig, die Dialektik mit den herkömmlichen Waffen anzugreifen: Sartre hat kürzlich eine lange Kritik des dialektischen Materialismus verfasst und Mills zeigte in seiner letzten Arbeit seine Feindseligkeit sehr deutlich. Er schreibt zum Beispiel, dass Marx’ Methode „ein beachtlicher und nachhaltiger Beitrag zu den besten verfügbaren soziologischen Betrachtungsweisen und Mitteln der Untersuchung“ ist. Aber die Fußnote, zu der die Leser durch diesen Satz geführt werden, beginnt so:

„Ich meine nicht die mysteriösen ‚Gesetze der Dialektik‘, die Marx nie klar erläutert, die seine Jünger aber anzuwenden vorgeben.“

Er fährt fort, der Reihe nach jedes der „Gesetze“ zu kritisieren und schließt:

„Als Anleitung zum Denken kann die ‚Dialektik‘ mehr lästig als nützlich sein, denn wenn alles dialektisch mit allem anderen verbunden ist, dann muss man ‚alles‘ wissen, um irgendetwas zu wissen, und Kausalketten werden schwer nachzuverfolgen.“115

Es ist kein Zufall, dass opportunistische politische Strömungen mit diesen Ablehnungen der methodischen Grundlagen des Marxismus leben können. Opportunismus ist eine Anpassung an das bestehende soziale System; wenn Opportunisten Formulierungen von Marx verwenden, dann tun sie es nur, um eine Rechtfertigung dafür zu finden, den Dingen ihren Lauf zu lassen im Interesse einer gewissen „unvermeidlichen“ objektiven Entwicklung. Opportunismus und theoretischer Fortschritt passen in der sozialistischen Bewegung nicht zusammen. Die Dialektik, die verlangt, dass jedes Problem, jeder Kampf vom Standpunkt des grundlegenden Kampfes der Klassen im ganzen System behandelt wird, ist ein Gräuel für den Opportunisten, dessen Ziel es gerade ist, sich selbst und seine Anhänger auf die „Lösung“ von speziellen und partiellen Aufgaben für spezielle Teile der Arbeiterklasse zu beschränken.

Wenn es der marxistischen Theorie nicht gelingt, im Kampf ständig reichhaltiger zu werden und sich zu entwickeln, dann wird sie nur eine Hülle für solchen Opportunismus. Ein Beispiel ist die Theorie von Pablo und seinen Anhängern, wonach die objektiven Zwänge für den Sozialismus so stark sind, dass die existierenden Organisationen und Führer der Massen, selbst kleinbürgerliche Führer, zu Revolutionären und Marxisten werden können. Praktisch hat eine solche Theorie die Folge, die Konzentration der Anstrengungen auf den Aufbau einer unabhängigen Führung der Arbeiterklasse zu behindern. Theoretisch ersetzt sie den Marxismus durch den Objektivismus. Trotzki hatte ein paar harte Worte für solche „Trotzkisten“:

„Das rein ‚historische‘, das reformistische, menschewistische, konservative und passive Denken ist – wie Marx es ausdrückte – damit beschäftigt, die heutige Schweinerei durch die Schweinerei von gestern zu entschuldigen. Die Vertreter dieses Typs treten in Massenorganisationen ein, um in ihnen aufzugehen.“116

Natürlich hat die Pablo-Gruppe versucht, gewisse Zitate aus anderen Schriften von Trotzki zu benutzen, um ihren Verzicht auf die revolutionäre Pflicht zu rechtfertigen. Aber immer wieder wählen und präsentieren sie diese Auszüge auf einseitige und verfälschte Art und Weise. Das folgende Zitat aus demselben Artikel von Trotzki zeigt klar, in welchem Zusammenhang er über existierende Organisationen sprach, die auf den Druck der Massen reagieren:

„Unter dem Einfluss des kapitalistischen Niedergangs können sich indessen die heutigen opportunistischen Gewerkschaften unseren programmatischen Normen annähern und eine historisch fortschrittliche Rolle spielen, ja sie müssen es sogar, wenn wir in den Gewerkschaften eine richtige Politik betreiben. Das setzt natürlich einen kompletten Führungswechsel voraus.“117

Das sollte bei solchen Fragen als Vorbild dienen. Wenn eine „Theorie“ nur ein nachdenkliches Urteil über die „Unumkehrbarkeit“ und „Unausweichlichkeit“ gewisser Trends ist, dann artet sie zur Rechtfertigung aus. Die marxistische Theorie ist eine Anleitung zum Handeln, zu richtiger Politik, die zu einem kompletten Führungswechsel führt. Bei dieser Methode werden alle politischen Probleme so gestellt, dass das Element der revolutionären Aktivität im Mittelpunkt steht. Lenin versuchte, diese Methode zu vertiefen, als er darauf bestand, dass das aus der Praxis abgeleitete Verständnis unserer Vorstellung von einer Sache ein wesentlicher Bestandteil unseres Erfassens der Sache in der richtigen Weise ist. Marx hat als sehr junger Mann gesehen, dass die Sackgasse, in die die Philosophie geraten ist, nur beseitigt werden kann, wenn man die Theorie auf die reale Triebkraft der Geschichte gründet; er schrieb 1844: „[D]ie Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“118 Der Pabloismus und ähnliche Theorien sind nur Beispiele, dieses Mal unter besonderen Bedingungen, die eine sorgfältige Analyse verdienen, wie diese Einheit von Theorie und Praxis unter dem Druck fremder Klassenkräfte in der Geschichte der Bewegung immer wieder verlorenging. Nur ein ständiger Kampf um revolutionäre Theorie und Arbeitsmethoden kann sie wiederherstellen und so die Arbeiterklasse wieder für ihre revolutionären Aufgaben rüsten.

Aus diesem Grund ist das Verständnis für die dialektische Methode von lebenswichtiger politischer Bedeutung. Ohne dieses Verständnis wird es keinen Wiederaufbau der Vierten Internationale geben, deren Wesen es ist, die Arbeiterklasse zu Aktionen zu führen, die auf einem Verständnis ihrer eigenen vergangenen und gegenwärtigen Erfahrungen im Kampf gegen den Kapitalismus beruhen.

Entwicklung der Dialektik

Lenins Arbeiten zur dialektischen Methode müssen daher von revolutionären Marxisten als Beitrag zu dem Verständnis studiert werden, wie wir unsere Ideen wirkungsvoller machen, indem es klarer wird, wie Ideen in ihrer Entwicklung die objektive Welt und deren Veränderungen widerspiegeln. In früheren Artikeln119 betonten wir, wie sehr Lenin die Feinheiten und die Vielfalt dieses Prozesses der Widerspiegelung und die aus ihm entstehenden Begriffe beherrschte, und wir betonten seine Überarbeitung von Hegels großartigen Entdeckungen über die Wechselbeziehungen dieser Begriffe, Entdeckungen, die über alle früheren Theorien der Erkenntnis hinausgingen. Zusätzlich erinnerten wir an Lenins so oft vergessenes Beharren darauf, dass gerade der Reichtum und die Macht der menschlichen Erkenntnis über Natur und Gesellschaft aus der Tatsache entspringen, dass sie eine materielle, objektive Welt widerspiegeln, die unabhängig von unserem Wissen über sie existiert. Das dialektische Denken ist selbst die höchste und eine der jüngsten Entwicklungen dieser materiellen Welt: die Art, wie das menschliche Bewusstsein seine Umgebung widerspiegelt, ist Bestandteil des Verhaltens der Materie in ihren am höchsten entwickelten Formen. Um die Entwicklung des Denkens zu verstehen, müssen wir die biologische Evolution und die materiellen Grundlagen der Ursprünge der Menschheit verstehen, sowie die Entwicklungsgesetze der Produktionsweisen und sozioökonomischen Systeme, die der Mensch bei seiner Beherrschung der Natur entwickelt hat.

Die Dialektik als eine Theorie der Erkenntnis, deren grundlegendes Konzept die Entwicklung vermittels innerer Widersprüche ist, ermöglicht das Verstehen wirklicher Zusammenhänge in der Welt; das liegt daran, dass die Vorgänge, die wir beobachten, ihre gegenwärtigen Beziehungen zueinander (und zu unserer Praxis und Erkenntnis) historisch, durch einen Prozess widersprüchlicher Entwicklung, erlangt haben. Eine Logik, die feststehende und formale Beziehungen zwischen Erscheinungen annimmt, taugt nur für die Handhabung einfacher, begrenzter, alltäglicher Aufgaben – in Bereichen, wo Zusammenhänge für praktische Belange relativ statisch sind oder sich nur ohne wesentliche Änderungen an der betreffenden Materie wiederholen. Doch sobald die Naturwissenschaft tiefer als zu diesen oberflächlichen, alltäglichen Zusammenhängen schürfte, und als die komplexen Erscheinungen der gesellschaftlichen Entwicklung von einer Klasse begriffen werden mussten, die die Klassengesellschaft verstehen und stürzen musste, statt sie nur an ihre Bedürfnisse anzupassen, da wurde der Philosophie eine neue Entwicklung aufgezwungen. Die moderne Naturwissenschaft selbst war und ist Teil der Öffnung der Welt durch die kapitalistische Industrie und den Handel, deren Umgestaltungen der natürlichen Welt und der sozialen Beziehungen ein Verständnis der wirklichen, durch die Produktion vermittelten Beziehungen zwischen der Klassengesellschaft und der Natur erfordern. Lenin lenkt die Aufmerksamkeit brilliant auf die paradoxe Abfolge der Phasen, in denen sich die bewusste dialektische Theorie ihren Weg erkämpft, zunächst in der abstrakten Philosophie (Hegel) und erst später in den Wissenschaften:

„Die Idee der universellen Bewegung und Veränderung (1813, Logik) ist vor ihrer Anwendung auf das Leben und die Gesellschaft erraten. In bezug auf die Gesellschaft früher verkündet (1847), als in Anwendung auf den Menschen bewiesen (1859).“120

Es könnte kein besseres Beispiel der Reichhaltigkeit und Ungleichmäßigkeit der Entwicklung der Welt sowie der Beweglichkeit der zu ihrem Verständnis nötigen Konzepte geben, als dieses Beispiel von der Entwicklung der Vorstellungen über Entwicklung selbst. Der historische Materialismus, die Theorie der Entwicklung der Gesellschaft und der Vorstellungen, die innerhalb der Gesellschaften heranwuchsen, hat die Aufgabe, diese Ungleichmäßigkeit aus den materiellen Bedingungen der bürgerlichen Gesellschaft zu erklären, aus der besonderen Klassenstruktur und aus der zurückgebliebenen Entwicklung der deutschen Bourgeoisie als Bedingung für den Aufstieg der klassischen deutschen Philosophie, usw.

Schon in früheren Phasen der Geschichte der Erkenntnis hatten Denker die Elemente einer dialektischen Herangehensweise ausgearbeitet, doch solange die Wissenschaft kein gesellschaftlich organisiertes, sich rasch entwickelndes System von Denken und Handeln war, und solange sich in der Geschichte nicht eine Klasse entwickelte, die eine solche wissenschaftliche Theorie zur Lösung ihrer besonderen historischen Aufgaben benötigte, solange konnten diese Elemente einer dialektischen Theorie nur einseitig, spekulativ und „philosophisch“ bleiben, statt wissenschaftlich und praktisch. Als Marx Hegel „auf den Kopf, oder vielmehr auf die Füße“ stellte und die Theorie des dialektischen und historischen Materialismus herausarbeitete, erkannte er, dass von nun an die Entwicklung der Theorie nicht von der Philosophie, sondern von der Wissenschaft abhängen würde, und vor allem von der bewussten revolutionären Aktion der Arbeiterklasse: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.“121 Die Naturwissenschaft und die Industrie vollziehen das auf der grundlegenden Ebene der Beherrschung der Natur. Das System des Kapitalismus, der Rahmen, in dem diese Eroberungen der Natur vollzogen wurden, hat entscheidende Auswirkungen auf Wissenschaft und Technik selbst: an einem bestimmten Punkt verhindern die kapitalistischen Produktionsverhältnisse die Entwicklung der Produktivkräfte. In dieser wie in allen solchen Zeiten sozialer Revolution stehen dem Menschen all seine Errungenschaften, alle Ergebnisse seiner Beherrschung (Vermenschlichung) des eigenen Daseins, als Gefahren gegenüber und werden in ihr Gegenteil verkehrt, in Kräfte der Zerstörung und des Verderbens des menschlichen Lebens. Die Revolution ist deshalb der einzige Humanismus, der einzige Weg, auf dem die Natur des Menschen historisch bekräftigt und entwickelt werden kann. Die lebenswichtigste der Wissenschaften ist die Wissenschaft dieser Revolution, des menschlichen Handelns, die Wissenschaft der Geschichte, als deren Geheimnis Marx die politische Ökonomie offenbart hat.

Jede Wissenschaft entwickelt sich; sie baut Wissen und Theorie über ihr jeweiliges Untersuchungsgebiet auf. Neue Entdeckungen, neue Einblicke, werden systematisch in den vorhandenen Bestand von Wissen und Theorie übernommen. Frühere Konzepte, die sich als zu starr und eng für diese neuen Erfahrungen erweisen, müssen durch eine vervollkommnetere und facettenreichere Sicht angereichert oder verworfen, oder besser aufgehoben, werden. Unsere Erkenntnis gelangt zu feinfühligeren, ausgeklügelteren und wirkungsvolleren Arten des Denkens, indem wir in der Praxis mehr über die unendliche Vielfalt, Reichhaltigkeit und die Wechselbeziehungen der materiellen Welt lernen. Indem er die Arbeiterklasse aufrief, die Probleme der Gesellschaft durch ihre eigene bewusste Tat zu lösen, rief Marx die Arbeiterklasse auf, im sozialen und politischen Bereich Spekulation durch Wissenschaft und Praxis zu ersetzen, genau wie es die Naturwissenschaften bei der Beherrschung der Natur getan hatten. Das waren keine getrennten Aufgaben: Die Lösung des Widerspruchs in der Entwicklung der höchsten Ebene der Entwicklung der Natur, der menschlichen Gesellschaft und des Bewusstseins, wird die Grundlage für eine qualitativ neue Epoche der freien Entwicklung der Wissenschaften bereiten. Das Zeitalter der „Vorgeschichte“ geht zu Ende.

Schlussfolgerungen

Was in diesen Artikeln besonders hervorgehoben wurde, ist die Notwendigkeit, das Denken selbst, unsere Theorie, in seiner Entwicklung als eine Widerspiegelung der objektiven Welt zu verstehen. Es wurde auch betont, dass die Dialektik zunächst in höchst abstrakten Sphären der Logik und Philosophie ausgearbeitet wurde, und erst später für die menschliche Gesellschaft und Natur. Was passierte, war also, dass das abstrakte Denken – eine Abstraktion von der Erfahrung auf einer gewissen Stufe – sich selbst anreicherte, indem es mehr und mehr von der konkreten, objektiven Welt aufgriff, mit der sich das Denken auseinandersetzte. Es war Marx, der durch sein Konzept von menschlicher Aktivität nicht nur als „kritisches Denken“, sondern als „revolutionäre Praxis“ die Dialektik in diese Richtung wendete. Alles Denken geht durch ähnliche Phasen, voranschreitend von einem abstrakten, teilweisen Verständnis hin zu einer reicheren und vollständigeren Widerspiegelung der wirklichen Erscheinungen in all ihren Übergängen, Verwandlungen und Wechselspielen. Eine tiefere Untersuchung des Übergangs von der „Philosophie“ zum Marxismus könnte den Charakter der dialektischen Methode noch klarer zum Vorschein bringen.

In der fortgeschrittensten idealistischen Philosophie (Hegel) finden wir eine Ausarbeitung der Gesetze des Denkens. Indem er diese Gesetze der Bewegung des Denkens von der Erscheinung zum Wesen und zum konkreten Verstehen der Entwicklung „im Begriff“ beschreibt, versucht Hegel alle früheren Ausarbeitungen des Problems in sein logisches System zu übertragen. Er ist bestrebt, diese früheren Philosophien aufzuheben (d.h. darüber hinaus zu gehen, sie aber gleichzeitig mit einzubeziehen), indem er zeigt, dass sie nur einseitige, übertriebene, abstrahierte Teile oder Aspekte eines unendlich reichen, sich entwickelnden Ganzen sind, dessen Teile nur Phasen sind, die nur in ihren sich entwickelnden und untereinander und zum Ganzen widersprüchlichen Beziehungen wahrhaftig erfasst werden können.

Was ist dieses Denken, dessen Evolution und Anatomie Hegel auf so brilliante Weise beschreibt, indem er den Verlauf seines Wirkens in allen Bereichen menschlicher Gelehrsamkeit und Schöpfung nachzeichnet? Es ist das Denken von lebendigen, aktiven Menschen, die in konkreten sozialen Beziehungen existieren; es ist Teil ihrer Praxis in diesem Umfeld; es spiegelt ihre wachsende Beherrschung der Natur und die Widersprüche in den sozialen Beziehungen wider, in denen diese Beherrschung organisiert ist. Im Verlauf der Eroberung der Natur sind die Menschen dazu gezwungen, nach einem gründlicheren, einem tieferen und konkreteren Verständnis derselben zu streben. Ihre Vorstellungen von der Natur beginnen als die gröbsten und „subjektivsten“ Abstraktionen, zunächst basierend auf flüchtigen Eindrücken und auf den unmittelbaren und drängenden existenziellen Bedürfnissen. Jene Aspekte der Umwelt, die in dieser frühen Art des Denkens organisiert sind, werden aus der Umwelt „ausgewählt, „Bedeutung“ wird ihnen zugewiesen, und die Beziehungen zwischen ihnen werden erdacht, nicht auf wissenschaftliche, sondern auf subjektive Art und Weise. Dies wird durch Untersuchungen der Vorstellungen von primitiven Gesellschaften und der frühkindlichen Entwicklung bekräftigt. Wenn die Organisation der Menschen in der Gesellschaft in ihrem Umgang mit den Problemen der Produktion voranschreitet, so wächst das Wissen, wird verfeinert, um mit der tatsächlichen Struktur und Entwicklung der äußeren Welt übereinzustimmen, durch einen Prozess des Abgleichens mit hunderten von Generationen der Erfahrung. Begriffe werden erweitert, oder heruntergebrochen in stärker begrenzte und strenger definierte Begriffe, um neue oder neu entdeckte Erscheinungen zu berücksichtigen, Unterscheidungen werden gemacht, die die wesentlichen Beziehungen in der Natur genauer widerspiegeln. Die Geschichte der Naturwissenschaft ist somit ein zentraler Bestandteil der Dialektik als einer Theorie der Erkenntnis.

Allerdings ist alles Wissen in Begriffen oder Ideen organisiert; es wird angetrieben durch die geistigen Aktivitäten von Menschen, und dies wird natürlich durch den dialektischen Materialismus anerkannt, jedoch ohne bis hin zu der idealistischen Auffassung zu gehen, dass die wesentliche Wirklichkeit das Denken selbst ist. Engels zeigte vor langer Zeit, dass dieser konzeptuelle Charakter jeglichen Wissens in keiner Art und Weise zu einer Trennung des Denkens und der objektiven Welt, die es widerspiegelt, führen darf. Die Fähigkeit, mit Begriffen zu arbeiten ist, wie bereits betont, selbst etwas, das sich in materiellen Beziehungen mit der Welt entwickelt hat, und muss selbst dialektisch verstanden werden:

„Jedenfalls ist die Naturwissenschaft jetzt so weit, daß sie der dialektischen Zusammenfassung nicht mehr entrinnt. Sie wird sich diesen Prozeß aber erleichtern, wenn sie nicht vergißt, daß die Resultate, worin sich ihre Erfahrungen zusammenfassen, Begriffe sind; daß aber die Kunst, mit Begriffen zu operieren, nicht eingeboren und auch nicht mit dem gewöhnlichen Alltagsbewußtsein gegeben ist, sondern wirkliches Denken erfordert, welches Denken ebenfalls eine lange erfahrungsmäßige Geschichte hat, nicht mehr und nicht minder als die erfahrungsmäßige Naturforschung. Eben dadurch, daß sie sich die Resultate der dritthalbtausendjährigen Entwicklung der Philosophie aneignen lernt, wird sie einerseits jede aparte, außer und über ihr stehende Naturphilosophie los, andrerseits aber auch ihre eigne, aus dem englischen Empirismus überkommne, bornierte Denkmethode.“122

Diese Passage unterstreicht die Auswirkungen eines dialektischen Methodenansatzes nicht nur in der Naturwissenschaft sehr klar, sondern auch in der Politik. Ohne das Verstehen der eigenen Ideenentwicklung der marxistischen Bewegung, ohne das Kritisieren und Entwickeln dieser Ideen im Verlauf des Kampfes wird, genau wie in den Naturwissenschaften, Befangenheit in bürgerlichen philosophischen Methoden folgen, mit all ihren politischen Konsequenzen.

Das menschliche Denken kann also niemals das Ganze der konkreten Wirklichkeit erfassen. Seine Begriffe entwickeln sich, indem Möglichkeiten erlernt werden, die wirkliche Bewegung der Welt widerzuspiegeln. Nur die unendliche (d.h. niemals abgeschlossene) Summe aller Abstraktionen würde das Konkrete in all seiner Vollständigkeit ergeben. Die dialektische Methode ist eine Weiterentwicklung vom formalen und alltäglichen logischen Denken in einer Art und Weise, die den sich ändernden und widersprüchlichen, unendlichen Charakter natürlicher und sozialer Prozesse erfasst:

„Dialektisches Denken steht zum gewöhnlichen Denken in demselben Verhältnis wie der Film zu einem Standfoto. Der Film macht Standfotos nicht wertlos, sondern verbindet eine Reihe von ihnen entsprechend den Gesetzen der Bewegung. Dialektik leugnet den Syllogismus nicht, sondern lehrt uns, Syllogismen derartig zu verbinden, dass wir unser Verständnis an die sich ewig verändernde Wirklichkeit annähern. Hegel stellte in seiner Logik eine Reihe von Gesetzen auf: das Umschlagen von Quantität in Qualität, die Entwicklung durch Widersprüche, der Widerstreit von Inhalt und Form, die Unterbrechung der Kontinuität, das Umschlagen von Möglichkeit in Unvermeidbarkeit usw.; diese Gesetze sind für das theoretische Denken ebenso wichtig wie der einfache Syllogismus für einfachere Aufgaben.“123

Die Geschichte der Philosophie ist nur ein Aspekt der Entwicklung von menschlicher sozialer Praxis. Aber sie ist ein solcher Aspekt, der die allgemeingültigsten Gesetze des Denkens zusammenfasst. Hegels dialektisches Bild des Denkens beanspruchte für sich, mehr als dies zu sein. Es erhob den Anspruch, ein Bild der wesentlichen Wirklichkeit zu sein, die Wirklichkeit der absoluten Idee, wovon die materielle Welt der Natur nur der äußere Schein sei. Die Geschichte des Denkens untersuchend und analysierend, hielt Hegel die Gesetze seiner Entwicklung, während der es immer mehr des Konkreten in sich aufnimmt, für die Gesetze der Entwicklung der Wirklichkeit. Diese Illusion von Vollständigkeit und Korrektheit der idealistischen dialektischen Theorie der Erkenntnis wird aus genau dem Grund bestärkt, dass das korrekte Denken sich tatsächlich durch Widerspiegeln der materiellen Welt entwickelt! Je mehr der Mensch die Natur untersucht und beherrscht, desto reicher und scharfsinniger wird sein Wissen, desto flexibler und vielseitiger werden seine Begriffe. Hegel dachte, dass all das die Entdeckung des Erblühens der absoluten Idee sei, die all diese Dinge selbstständig hervorbringe. Die Rolle des menschlichen Denkens sei es, die Unvermeidbarkeit und die Gesetzmäßigkeit dieses Produktes der absoluten Idee in der gewöhnlichen materiellen Welt zu verstehen, welche als die Erscheinung verstanden werden sollte, die das Denken durchdringen muss, um zu der ideellen Wirklichkeit dahinter vorzudringen. Sobald all das Gedankenmaterial auf diese Art und Weise erobert und als eine Verkörperung der absoluten Idee erfasst sei, würde die „Kritik“ ihre Arbeit getan haben und dem Menschen seine „Freiheit“ gegeben haben, das Bewusstsein von der Notwendigkeit.

Jedoch wurde der „Beweis“ der Richtigkeit von Hegels idealistischer Dialektik nur durch die Ergebnisse von Hunderten von Millionen von praktischen Aktionen möglich, die durch menschliche Wesen in ihren sozialen Beziehungen ausgeführt wurden, die in die Natur eingriffen und im Zuge dessen ihre sozialen Beziehungen und dadurch sich selbst veränderten. Der Grund für die Entwicklung des menschlichen Wissens, einschließlich der Philosophie, in Richtung der wissenschaftlichen Theorie der Dialektik ist, dass die Praxis des Menschen in der objektiven Welt seine Begriffe näher an das tatsächliche Verhalten jener Welt heranbringt. Es gibt folglich eine materialistische Erklärung sowohl für die Vollständigkeit und Korrektheit von Hegels dialektischer Logik als auch für ihre Beschränkungen. Ist diese dialektische Logik einmal bewusst entwickelt, wie bei Hegel, so ist sie zur Berücksichtigung der zentralen Rolle der Praxis gezwungen. Die Entwicklung der Philosophie selbst – da ihr Warenbestand aus „Ideen“ und „Erklärungen“ besteht – schreitet unausweichlich voran zum dialektischen Materialismus, zum Erkennen ihrer selbst als nur eines „Moments“ in der Eroberung der gegenständlichen Welt durch den sozial organisierten Menschen. Sodann kann die Philosophie als diejenige Rolle gesehen werden, die der abstrakte Gedanke während der Epoche der Trennung der geistigen von der Handarbeit spielt, der Epoche der Klassengesellschaft. Um voranzuschreiten, muss die Philosophie die theoretische Waffe der Klasse werden, welche über die Grenzen dieser Epoche hinausgeht, genau wie das Proletariat die am weitesten entwickelte Logik benötigt, um seine eigene Rolle zu erfassen. Fortan bilden die wissenschaftlich begründete Anstrengung, Natur und Gesellschaft umzuwälzen, und die Untersuchung der Bedingungen und Theorien dieser Umwälzung das Material der zentralen intellektuellen Tätigkeit des Menschen. In all diesen Bereichen ist „revolutionäre Praxis“124 das zentrale Konzept. In diesem Sinne verkörpert Marx, wenn er „Hegel auf die Füße stellt“, die qualitative Stufe in der Entwicklung der Philosophie, vorbereitet durch all die quantitativen Fortschritte der klassischen deutschen Schule innerhalb des idealistischen Rahmens, der vor allem durch Hegel ausgefüllt wurde. Jedoch war dieser theoretische Fortschritt nur ein Teil, und musste bewusst erfasst werden als ein Teil einer qualitativen Stufe in der Entwicklung der Gesellschaft, des Klassenkampfes: der Revolutionierung der Gesellschaft durch das Proletariat in Vorbereitung auf jene Stufe der Geschichte, wo die Rolle der menschlichen Aktivität bewusst erfasst und rational geplant wird, befreit von sozialen Illusionen, basierend auf einem Verstehen der notwendigen Beziehungen zwischen Menschen und ihrer Umwelt.

Was jetzt in der marxistischen Bewegung nötig ist, ist eine kritische historische und politische Einschätzung der Art und Weise, wie dieses Bewusstsein sich tatsächlich entwickelt hat. Dieser Prozess der bewussten Entwicklung erreicht seinen höchsten Punkt in der fortgeschrittenen Theorie der Arbeiterbewegung und in der praktischen Gründung von revolutionären marxistischen Parteien. Die Korrumpierung der marxistischen Bewegung durch fremde Klassenströmungen und Beamtenapparate muss genauestens untersucht werden. Die Bewegung muss die Entwicklung der revolutionären Partei und der Theorie der Partei in Bezug zu jeder Phase des Klassenkampfes kritisch untersuchen, genau wie Lenin den Kampf gegen den Staat und die Theorie des Staates untersuchte. Auf diese Art und Weise, durch wissenschaftliches Zurückweisen falscher Ideen und das Überwinden früherer, stärker abstrahierter Auffassungen, wollen wir dem Weg von Lenin folgen, indem wir die Theorie nicht als ein System, sondern als eine Anleitung zum Handeln nutzen.


  1. Spartacist, dt. Ausg. Nr. 28, Herbst 2011.

  2. Zu Deutsch: „Zur Verteidigung einer revolutionären Perspektive“. Siehe Vorwort zu Marxist Bulletin Nr. 1, Januar 1965, S. 2.

  3. Zu Deutsch: „Was ist revolutionäre Führung?“.

  4. What Is Revolutionary Leadership?, Vorwort zur zweiten Ausgabe, September 1970, S. 4.

  5. Siehe „Spartacist und die Healyisten“, Spartacist, dt. Ausg. Nr. 12, Winter 1986/87, S. 8ff.

  6. Siehe Einleitung zu „Lenin als Philosoph“, Spartacist, dt. Ausg. Nr. 28, Herbst 2011, und „Das Katzengold des David North“, Spartakist Nr. 91, November/Dezember 1991.

  7. Siehe „Healyismus zerstoben“, Spartacist, dt. Ausg. Nr. 12, Winter 1986/87, S. 4ff.

  8. In Deutschland die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP), früher als Partei für soziale Gleichheit (PSG) bekannt.

  9. Etwa ein halbes Dutzend Bände der Collected Works wurde bereits vor 1939 in englischer Sprache veröffentlicht, und weitere 1946 und 1947. Es bleibt zu hoffen, dass die gegenwärtige Auflage vollständig sein wird. Die bereits veröffentlichten Bände enthalten neues Material in englischer Sprache.

  10. Die beiden weiteren Artikel dieser Serie sind in dieser Übersetzung mit enthalten – E&P.

  11. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 94.

  12. Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 293.

  13. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 84f.

  14. Paraphrasierung von Engels’ Formulierung aus Herrn Eugen Dühring’s Umwälzung der Wissenschaft, in Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 264: „Sprung der Menschheit aus dem Reiche der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit“ – E&P.

  15. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 87. Vgl. Hegel, Werke, Suhrkamp, 1986, Bd. 5, S. 36.

  16. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 215. Vgl. Hegel, Werke, Bd. 6, S. 557f.

  17. Hegel, Werke, Bd. 5, S. 57.

  18. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 92.

  19. Hegel, Werke, Bd. 6, S. 564. Zitiert in Lenin, Werke, Bd. 38, S. 221.

  20. Hegel, Werke, Bd. 6, S. 565. Zitiert in Lenin, Werke, Bd. 38, S. 222.

  21. Hegel, Werke, Bd. 5, S. 51. Zitiert in Lenin, Werke, Bd. 38, S. 89f.

  22. Hegel, Werke, Bd. 6, S. 556f. Zitiert in Lenin, Werke, Bd. 38, S. 211.

  23. Hegel, Werke, Bd. 5, S. 202. Zitiert in Lenin, Werke, Bd. 38, S. 107.

  24. Hegel, Werke, Bd. 6, S. 102. Zitiert in Lenin, Werke, Bd. 38, S. 135f.

  25. Hierbei scheint es sich um eine Paraphrasierung, kein wörtliches Zitat von Hegel, zu handeln – E&P.

  26. Hegel, Werke, Bd. 6, S. 467f. Zitiert in Lenin, Werke, Bd. 38, S. 184f.

  27. ebd.

  28. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 185.

  29. Lenin, Werke, Bd. 14, S. 7ff.

  30. Peter Fryer nahm einen aktuellen Kritiker dieser Sorte auseinander, als er in „Lenin as Philosopher“ (Labour Review Bd. 2, Nr. 5) auf E. P. Thompson antwortete. [Auf Deutsch erschienen in Spartacist, dt. Ausg. Nr. 28, Herbst 2011 – E&P.]

  31. R. Dunayevskaya, Marxism and Freedom (1958).

  32. Gemeint ist Band 38 der englischsprachigen Collected Works – E&P.

  33. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 169.

  34. a.a.O., S. 170.

  35. Hegel, Werke, Bd. 5, S. 53.

  36. a.a.O., S.54.

  37. ebd.

  38. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 90f.

  39. Siehe „Antwort an P. Kijewski (J. Pjatakow)“, August-September 1916, in Lenin, Werke, Bd. 23, S. 11 – E&P.

  40. Z.B. M. Merleau-Ponty, Die Abenteuer der Dialektik, dt. Ausg. Suhrkamp, 1968.

  41. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 263.

  42. ebd.

  43. Der englischsprachigen Ausgabe – E&P.

  44. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 281f.

  45. a.a.O., S. 269.

  46. a.a.O., S. 293.

  47. a.a.O., S. 299.

  48. a.a.O., S. 277.

  49. ebd.

  50. ebd.

  51. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 283.

  52. Auf Deutsch auch „Volksfreunde“ oder „Volkstümler“ genannt – E&P.

  53. Lenin, Werke, Bd. 1, S. 127ff.

  54. a.a.O., S. 351ff.

  55. a.a.O., S. 418.

  56. a.a.O., S. 413.

  57. ebd.

  58. Lenin, Werke, Bd. 1, S. 503f.

  59. a.a.O., S. 520.

  60. a.a.O., S. 440.

  61. Zitiert von Lenin, a.a.O., S. 486.

  62. ebd.

  63. Lenin, Werke, Bd. 9, S. 1ff.

  64. a.a.O., S. 30.

  65. Lenin, Werke, Bd. 2, S. 536f.

  66. Bei Lenin auf Deutsch – E&P.

  67. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 190.

  68. a.a.O., S. 184f.

  69. a.a.O., S. 185.

  70. a.a.O., S. 185.

  71. a.a.O., S. 185.

  72. a.a.O., S. 338ff.

  73. In der englischsprachigen Ausgabe. In den deutschsprachigen Werken die Seiten 77–92 – E&P.

  74. D.h. weiter unten in dieser Übersetzung – E&P.

  75. Bei Lenin auf Deutsch – E&P.

  76. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 133. Hegel, Werke, Bd. 6, S. 78.

  77. Weiter unten enthalten in dieser Übersetzung – E&P.

  78. Lenin, Werke, Bd. 22, S. 191ff.; neue dt. Ausg. Verlag 8. Mai Gmbh, 2016.

  79. Hier beginnt der zweite Artikel der Serie, aus Labour Review, Bd. 7, Nr. 2, Sommer 1962. Der folgende überleitende Satz wird im Text ausgelassen: „In diesem zweiten Artikel über die Lehren aus Lenins kürzlich übersetzten Philosophischen Heften wird nur ein Aspekt dieses reichhaltigen Werks aufgegriffen.“ – E&P.

  80. Bzw. dieses Abschnitts in der Übersetzung – E&P.

  81. Nachwort zur zweiten Auflage des Kapital, in Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 27f.

  82. Marx/Engels, Werke, Bd. 40, S. 465ff.

  83. „Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt“, in Marx/Engels, Werke, Bd. 40, S. 583ff.

  84. „Privateigentum und Kommunismus“, in Marx/Engels, Werke, Bd. 40, S. 542.

  85. Die heilige Familie, in Marx/Engels, Werke, Bd. 2, S. 204.

  86. Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 2, S. 385.

  87. Marx/Engels, Werke, Bd. 3, S. 5ff.

  88. a.a.O., S. 27.

  89. a.a.O., S. 21.

  90. Siehe „Konspekt zu Lassalles Buch über die Philosophie des Herakleitos“, in Lenin, Werke, Bd. 38, S. 335.

  91. „Die entfremdete Arbeit“, in Marx/Engels, Werke, Bd. 40, S. 517.

  92. „Kritik der Hegelschen Dialektik und Philosophie überhaupt“, in Marx/Engels, Werke, Bd. 40, S. 583.

  93. Zur Kritik der Politischen Ökonomie, in Marx/Engels, Werke, Bd. 13, S. 8.

  94. Für eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Pabloismus, siehe „Ursprünge des Pabloismus“, Spartacist, dt. Ausg. Nr. 3, März 1975. Der Artikel „Kuba: Wirtschaftskrise und ‚Marktreformen‘“ in Spartakist, Nr. 191, Januar 2012, erläutert, dass Kuba ein bürokratisch deformierter Arbeiterstaat ist, der verteidigt und durch proletarische politische Revolution unter die Kontrolle der Arbeiter selbst gebracht werden muss – E&P.

  95. Andere Arten, die auf idealistischen, diesem abstrakten Empirismus sehr ähnlichen Methoden des Denkens beruhen, werden von Tom Kemp und James Baker in weiteren Artikeln in dieser Ausgabe von Labour Review untersucht.

  96. Siehe den vorhergehenden Artikel in Labour Review, Bd. 7, Nr. 1. [D.h. weiter oben in dieser Übersetzung – E&P.]

  97. Siehe „Lenin über die dialektische Methode – Auszüge aus der ‚Gewerkschaftsdiskussion‘“, 8. November 2020 – E&P.

  98. Der englische Satzteil „start from the economic tasks“, den Slaughter in Anführungszeichen setzt, findet sich so nicht in den englischen Versionen der beiden in Frage kommenden Texte, Lenins Rede „The Trade Unions, The Present Situation And Trotsky’s Mistakes“ (30. Dezember 1920) und die Broschüre Once Again On The Trade Unions, The Current Situation and the Mistakes of Trotsky and Buhkarin (25. Januar 1921), weder in den Collected Works, Bd. 32, noch in den ansonsten von Slaughter zitierten Selected Works, Bd. IX, Lawrence and Wishart, London, 1937/1946. Es handelt sich daher vermutlich nur um eine Paraphrasierung und wurde von uns übersetzt. – E&P.

  99. Lenin, „Über die Gewerkschaften, die gegenwärtige Lage und die Fehler Trotzkis“, in Werke, Bd. 32, S. 15.

  100. Auch der englische Satzteil „flowed from this wrong method“ konnte in den englischen Versionen von Lenins beiden Haupttexten dieser Diskussion nicht gefunden werden und wurde daher ebenfalls von uns übersetzt – E&P.

  101. Lenin, Werke, Bd. 32, S. 75. Diese und die weiteren Stellen sind auch in dem oben erwähnten Auszug enthalten.

  102. Lenin, „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“ (1905), in Werke, Bd. 9, S. 76.

  103. Lenin, Werke, Bd. 32, S. 86.

  104. a.a.O., S. 87.

  105. Rosa Luxemburg, Sozialreform oder Revolution?, in Werke, Dietz Verlag, Berlin, 1982, S. 367ff.

  106. Lenin, „Karl Marx“, in Werke, Bd. 21, S. 63.

  107. Hier beginnt der dritte Artikel dieser Serie, aus Labour Review, Bd. 7, Nr. 4, Winter 1962 – E&P.

  108. Auf Englisch mit großem „C“, d. h. Unterstützer der stalinistischen oder maoistischen Kommunistischen Parteien – E&P.

  109. Siehe den Artikel von C. Smith in Labour Review, Bd. 7, Nr. 4, Winter 1962.

  110. Trotzki, Mein Leben, Dietz Verlag, Berlin, 1990, S. 300.

  111. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 106.

  112. Trotzki, Mein Leben, S. 150f.

  113. Trotzki, „Von einem Kratzer – zur Gefahr von Wundbrand“, in Verteidigung des Marxismus, Arbeiterpresse Verlag, Essen, 2006, S. 166.

  114. Lenin, Werke, Bd. 15, S. 17ff.

  115. C. Wright Mills, The Marxists, S. 129f. – unsere Übersetzung, E&P.

  116. „Weder proletarischer noch bürgerlicher Staat?“, in Trotzki, Schriften, Rasch und Röhring Verlag, Hamburg, 1988, Bd. 1.2, S. 1130.

  117. a.a.O., S. 1131.

  118. „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung“, in Marx/Engels, Werke, Bd. 1, S. 385.

  119. D. h. weiter oben in dieser Übersetzung – E&P.

  120. Lenin, Werke, Bd. 38, S. 131.

  121. „Thesen über Feuerbach“, in Marx/Engels, Werke, Bd. 3, S. 7.

  122. Engels, Anti-Dühring, Vorwort zur zweiten Auflage, in Werke, Bd. 20, S. 14.

  123. Trotzki, „Eine kleinbürgerliche Opposition in der Socialist Workers Party“, in Verteidigung des Marxismus, S. 61.

  124. Marx, „Thesen über Feuerbach“, in Werke, Bd. 3, S. 6.

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