Ergebnisse & Perspektiven des Marxismus

Einleitung zu Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats von Friedrich Engels

von Eleanor Burke Leacock

Der folgende Text ist die erste deutschsprachige Übersetzung der Einleitung zu Friedrich Engels’ Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats von Eleanor Burke Leacock aus dem Jahr 1972. Wir veröffentlichen die Übersetzung in vier Teilen in den kommenden Monaten. Für eine neuere Behandlung des Themas siehe „Über den Ursprung der Frauenunterdrückung: Lewis Henry Morgan – eine Würdigung“.1

In Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats2 skizziert Engels die aufeinanderfolgenden sozialen und wirtschaftlichen Formen, auf denen der große Bereich der frühen Menschheitsgeschichte beruhte, als die Menschheit die Grundlagen ihrer Existenz zunehmend beherrschte. Das Buch wurde nach Marx’ Tod geschrieben, aber es beruht ebenso auf den Aufzeichnungen von Marx wie von Engels selbst. Es gründete sich auf das Werk Die Urgesellschaft, das 1877 erschien und vom Anthropologen Lewis Henry Morgan geschrieben wurde, der, wie Engels 1884 schrieb, „die von Marx vor vierzig Jahren entdeckte materialistische Geschichtsauffassung in Amerika in seiner Art neu entdeckt“3 hatte. Der Beitrag von Marx und Engels über Morgans Arbeit hinaus bestand darin, die theoretischen Schlussfolgerungen zu vertiefen, insbesondere in Bezug auf das Entstehen der Klassen und des Staates. Obwohl Engels’ Buch erschien, lange bevor das heute verfügbare Material über die Ur- und frühe Stadtgesellschaft zusammengetragen wurde, sind die Grundzüge seiner Darstellung der Geschichte gültig geblieben. Mehr noch, viele Fragen, die durch Morgans und Engels’ Arbeiten aufgeworfen wurden, sind immer noch Gegenstand lebhafter Auseinandersetzungen unter Anthropologen, während die theoretischen Schlussfolgerungen aus diesen Fragen für marxistische Wissenschaftler allgemein nach wie vor von Bedeutung sind.

Morgan beschreibt die Entwicklung der Gesellschaft auf etwa 560 Seiten. Engels’ Buch ist viel kürzer, indem es Morgans Material zusammenfasst und streng auf die grundlegenden Unterschiede zwischen der Urgesellschaft und der „Zivilisation“ mit ihren voll entwickelten Klassen und mit ihrer politischen Organisation fokussiert. Die Fragen, mit denen sich Engels beschäftigt, betreffen drei Hauptpunkte: (a) Entwicklungsstufen in der Menschheitsgeschichte, (b) das Wesen der Urgesellschaft in Bezug auf Eigentum, Stand, Familienformen und Abstammungsordnungen und (c) das Aufkommen von Warenproduktion, ökonomisch begründeten Klassen und Staat. Ein vierter Gegenstand, der für die heutige anthropologische Forschung bedeutsam ist, aber von Engels nur kurz angesprochen wird, beinhaltet die soziale Organisation bei Primaten und ihre Relevanz für das Verständnis der frühen Menschheit. Engels’ eigenständiger, aber unvollendeter Aufsatz dazu, „Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“,4 wurde diesem Buch5 als Anhang hinzugefügt.

Morgans Urgesellschaft

Der zentrale Gedanke in Morgans Urgesellschaft, dass die menschliche Geschichte durch aufeinanderfolgende „Stufen“ beschrieben werden kann, war eine alte Idee, die schon in klassischen griechischen und chinesischen Schriften angedeutet wurde und im Denken des 19. Jahrhunderts gut etabliert war. Jedoch haben die Theoretiker nicht immer die Stufen der Entwicklung der Kultur als Ganzes – den Hintergrund für historische Ereignisse – von den für ein einzelnes Gebiet spezifischen historischen Abfolgen unterschieden. Giovanni Batista Vico, ein italienischer Historiker des frühen 18. Jahrhunderts, schlug eine Theorie der historischen Zeitalter vor, die kultureller Natur waren, da sie sowohl institutionelle als auch ideologische Komponenten der Gesellschaft umfassten. Sie waren jedoch zu eng an die europäische Geschichte gebunden, um als „entwicklungsgeschichtlich“ zu gelten. Gemäß Vicos Theorie wich das „göttliche“ Zeitalter des frühen Griechenland dem „heroischen“ der klassischen Zeit, das im späteren Griechenland und in der mediterranen Welt vom „Zeitalter des Menschen“ abgelöst wurde. Diese Zeitalter wiederholten sich in Nordeuropa mit dem „göttlichen“ finsteren Mittelalter und dem „heroischen“ Mittelalter, die zum „Zeitalter des Menschen“ des 18. Jahrhunderts führten. Inhaltlich deuten Vicos Perioden schon Comtes spätere Abfolge in der Entwicklung der Wissenschaft von „theologisch“ über „metaphysisch“ zu „naturwissenschaftlich“ an.

Die von Condorcet am Ende des 18. Jahrhunderts vorgeschlagenen ersten vier Stufen der menschlichen Geschichte waren rein kulturbezogen. Die erste war charakterisiert durch Jagen und Fischen, die zweite durch Viehhaltung, die dritte durch Ackerbau und die vierte durch Handel, Wissenschaft und Philosophie. Condorcets spätere Perioden bezogen sich jedoch spezieller auf die europäische Geschichte. Sie waren verbunden mit dem Niedergang Roms, den Kreuzzügen, der Erfindung des Drucks, der Reformation und der Gründung der französischen Republik. Der wegweisende Anthropologe Gustave Klemm, der ethnographisches Material über Gesellschaften rund um den Erdball sammelte, entwarf in den 1850er Jahren eine Beschreibung der Entwicklung des Menschen von der nomadischen, egalitären Jagdgemeinschaft („Wildheit“) über die sesshafte Agrargesellschaft, die politisch organisiert und zu einem großen Teil durch religiöse Institutionen dominiert war („Zahmheit“), bis hin zu Zivilisationen der klassischen arabischen, griechischen, persischen und römischen Welt („Freiheit“).

Es ist nicht geklärt, in welchem Umfang Morgan Schriften wie diese kannte, aber auf alle Fälle war es nicht sein ursprüngliches Anliegen, die wichtigsten Perioden der kulturellen Entwicklung nachzuzeichnen. Die in der Urgesellschaft verkörperte Theorie der Geschichte entwickelte sich vielmehr aus Fragen, die durch seine empirischen Untersuchungen aufgeworfen wurden. Morgans Entdeckung eines ungewöhnlich erscheinenden Systems der Namensgebung bei Verwandten unter den Irokesen-Indianern in seinem Heimatstaat New York führte ihn dazu, die Tatsache aufzudecken, dass ähnliche Systeme unabhängig voneinander tausende Meilen voneinander entfernt existierten. Dies veranlasste ihn dazu, Informationen über Verwandtschaftssysteme unter anderen amerikanischen Indianern zu sammeln und dies durch Material aus der ganzen Welt zu ergänzen, indem er Missionare, Händler und Regierungsvertreter anschrieb.

Das Ergebnis waren Daten über eine verblüffende Vielfalt von Terminologien, die zur Bezeichnung von Verwandtschaftsbeziehungen in vielen verschiedenen Gesellschaften benutzt wurden. Morgans erster Versuch, das Material in eine gewisse Ordnung zu bringen und zu reduzieren, war mit Schwierigkeiten verbunden und wurde von dem Verleger, dem er sein Manuskript vorlegte, als nicht zufriedenstellend bezeichnet. Als Ergebnis arbeitete sich Morgan zu einer Theorie der aufeinanderfolgenden Stadien der Ehe in unterschiedlichen terminologischen Systemen durch, die er in seinem 1871 veröffentlichten Buch Systems of Consanguinity and Affinity of the Human Family6 darlegte. Seine Theorie beruhte auf der Annahme, dass verwandtschaftliche Begriffe tatsächliche oder mögliche biologische Beziehungen darstellen. Diese Annahme wurde inzwischen abgelöst durch das Verständnis, dass die wörtliche biologische Bedeutung von Begriffen oft gegenüber ihren sozialen Bezügen zweitrangig ist. Dennoch war Morgans Forschung von enormer Bedeutung nicht nur für die Formulierung von Problemen bei vergleichenden Studien von sozialen Institutionen, sondern auch, weil sie ihn auf den Weg gebracht haben, der gegen Ende seines Lebens die Veröffentlichung der Urgesellschaft zum Ergebnis haben sollte. Die Frage, die sein Studium der Verwandtschaftssysteme aufwarf, beschäftigte ihn weiter. Wie war die Abfolge von institutionellen Formen in der Frühgeschichte des Menschen? Für Morgan warf diese Frage ein grundsätzlicheres Problem auf. Was war die Grundlage für das Auftreten von neuen und aufeinanderfolgenden sozialen Formen?

Morgan fand die Antwort auf diese Frage in der Darwinschen Interpretation von biologischer Evolution. Morgan war vertraut mit und sehr interessiert an Herbert Spencers Veröffentlichungen über die soziale Evolution, in denen Spencer über die wachsende Komplexität und zunehmende Spezialisierung und Differenzierung von Aufgaben in sozialen Institutionen spricht. Doch erst als Darwin das Spencersche Konzept funktionaler Anpassungen aufgriff und es als entscheidenden Mechanismus interpretierte, durch den nacheinander „höhere“ biologische Formen entstanden sind, fand Morgan den Schlüssel, den er gesucht hatte.

Morgan war der Hypothese der menschlichen Evolution gegenüber skeptisch geblieben, bis er Darwin während einer Europareise traf und mit ihm darüber sprach. Nach diesem Treffen schrieb er, dass er gezwungen war, „die Schlußfolgerung, daß die Menschheit ihre Laufbahn auf der niedrigsten Stufe der Entwicklung begonnen und … sich emporgearbeitet hat“,7 zu akzeptieren und dass der „Kampf ums Überleben“ dabei eine Rolle spielte. (Wie Darwin verstand Morgan diesen Begriff so, dass er den Prozess einer aktiven Anpassung bedeutete und nicht „Aggressivität“, wie vom sogenannten Sozialdarwinismus betont wird.) Morgan schrieb damals in einem Brief: „Ich denke, dass die wirklichen Epochen des Fortschritts mit den Künsten der Existenzsicherung verbunden sind, was die Darwinsche Idee des ‚Kampfs ums Überleben‘ einschließt.“8 In seinem Einleitungssatz zur Urgesellschaft schrieb er, dass der Prozess, durch den der Mensch „sich emporgearbeitet hat“,9 „durch langsame Anhäufungen von Erfahrungen“10 erfolgte, das heißt, durch Erfindungen und Entdeckungen – dem menschlichen Gegenstück zu den physischen Anpassungen niederer Arten.

„Wie es unleugbar ist, daß einige Teile des Menschengeschlechts im Zustande der Wildheit existiert haben“, fährt Morgan fort, „andere im Zustande der Barbarei, und noch andere Teile in einem Zustande der Zivilisation, so scheint auch die Annahme berechtigt, daß diese drei verschiedenen Kulturstufen in einer sowohl natürlichen wie auch notwendigen Reihenfolge der Entwicklung zusammenhängen.“11 Er stellte fest, dass es „eine Reihe aufeinander folgender, in langen Zeiträumen eingeführter … Künste“12 waren, die für die Entwicklung der drei hauptsächlichen Zustände verantwortlich waren. Er schlug vergleichbare Abfolgen in der Geschichte der sozialen, ökonomischen und politischen Institutionen vor. Implizit waren sie eng mit dem wirtschaftlichen Ablauf verbunden, obwohl Morgan diese Einbettung nur in Bezug auf den Übergang von der „Barbarei“ zur „Zivilisation“ gelingt.

Hier war nun die Betrachtung von frühen sozialen und ökonomischen Formen, die Marx und Engels brauchten, um ihre eigenen historischen Untersuchungen zu ergänzen. In der ersten vollständigen gemeinsamen Darlegung ihrer dialektischen materialistischen Geschichtsauffassung in Die deutsche Ideologie13 aus dem Jahre 1846 umreißen Marx und Engels die „verschiedenen Entwicklungsstufen der Teilung der Arbeit“.14 Die „jedesmalige Stufe der Teilung der Arbeit bestimmt auch die Verhältnisse der Individuen zueinander in Beziehung auf das Material, Instrument und Produkt der Arbeit“, d.h. diese Stufen „sind ebensoviel verschiedene Formen des Eigentums“.15 Das frühe „Stamm“eigentum wich dem „antike[n] Gemeinde- und Staatseigentum“,16 das seinerseits durch die dritte wesentliche vorkapitalistische Eigentumsform abgelöst wurde, durch das „feudale oder ständische Eigentum“.17 In einem anderen Manuskript, das etwa 11 oder 12 Jahre später vollendet wurde, dachte Marx über verschiedene Arten von Beziehungen nach, die in Gesellschaften entstanden, in denen „der Arbeiter Eigentümer ist oder der Eigentümer arbeitet“,18 und über die Prozesse, durch die diese Beziehungen später aufgelöst oder umgestaltet wurden. Sein Schwerpunkt lag jedoch auf den klassischen Gesellschaften der mediterranen und orientalischen Welt und auf den frühen Gesellschaften Nordeuropas. Die von Morgan gelieferten Daten eröffneten Einsichten in Entwicklungen in der enorm langen Periode des „Stamm“eigentums und beleuchteten ebenso die Schritte der Entstehung des Privateigentums.

Und was für ein Reichtum an Daten das war. Morgan war immer nah an den Details der besonderen institutionellen Formen und Ereignisse. Er vermied die im 19. Jahrhundert verbreitete Praxis, eine Theorie mit Einzelteilen zu belegen, die aus dem kulturellen Zusammenhang gerissen waren. Stattdessen baute er seine Darlegung auf einer detaillierten Untersuchung ganzer Kulturen auf: der australischen, der irokesischen, der aztekischen, der griechischen und der römischen. Der häufig erhobene Vorwurf, Morgan hätte ein großartiges, aber mechanisches Schema entworfen, in das er verschiedene Kulturen einordnete, kann nur von denen kommen, die nicht mehr als die ersten paar Seiten von Die Urgesellschaft gelesen haben. Morgans Schwerpunkt lag auf den Details von sozialen Vereinbarungen in bestimmten Gesellschaften, auf den Folgen historischer Ereignisse, auf den durch neue Entdeckungen hervorgerufenen Problemen und Stufen, durch die neue Beziehungen entstehen. Seine Defizite lagen dort, wo es darum ging, seine theoretischen Ahnungen umzusetzen und konsistent zu formulieren. Seine Hauptentdeckung war tiefgründig, und der Reichtum an Einsichten, den man beim Lesen seines Buch erlangt, ist enorm. Aber er war und blieb im Wesentlichen ein pragmatischer Wissenschaftler, aufschlussreich, aber nicht der Theorie verpflichtet. Er war sicher kein Dialektiker und er war nicht konsequent in seinem Materialismus. Es fiel Engels in Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats zu, die durch Morgans Arbeit aufgeworfenen kritischen Punkte herauszuarbeiten, die Unterscheidungsmerkmale der drei Hauptstufen in der frühen Geschichte scharf abzugrenzen, die Beziehungen zwischen der Lebensgrundlage und der gesellschaftspolitischen Organisation in primitiven und „zivilisierten“ Gesellschaften zu klären und sich auf die entscheidenden Stufen bei der Entstehung von Klassenbeziehungen und Staat zu konzentrieren.

Der Stufen-Begriff

Die Unterteilung in aufeinanderfolgende Stufen bei der Gliederung von Inhalten im Interesse des Verständnisses ist in den Naturwissenschaften selbstverständlicher als in den Sozialwissenschaften. In stärkerem Maße als die Sozialwissenschaften waren die Naturwissenschaften dazu in der Lage, sich von dem metaphysischen Versuch zu lösen, die „Dinge“ dieser Welt an ihren richtigen Platz zu stellen, und der darauf folgenden Ernüchterung, wenn dies nicht funktionierte. Es wird zum Beispiel als selbstverständlich angesehen, dass die Existenz von Formen zwischen Pflanzen und Tieren nicht gegen die Kategorien „Pflanzen“ und „Tiere“ spricht, sondern die Mechanismen beleuchtet, die bei der Entwicklung der einen aus den anderen wirkten. Die Entdeckung, dass ein Wal kein Fisch ist, vertieft das Verständnis von Vorgängen bei Säugetieren. Anstatt die Kategorie „Fisch“ infrage zu stellen, weist die Entdeckung auf die funktionale Ebene hin, die für die Kategorie grundlegender ist als im Meer zu leben. Die Tatsache, dass manche jagenden, sammelnden und fischenden Gesellschaften institutionelle Formen erreichten, die im Allgemeinen nur im Zusammenhang mit der Entwicklung von Landwirtschaft angetroffen wurden, entkräftet nicht die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Nahrungssammlung und Nahrungsproduktion. Im Gegenteil, die Untersuchung solcher Gesellschaften vertieft das Verständnis dafür, warum eine Unterscheidung wesentlich ist, und zeigt einige der Gründe auf, warum es im Großen und Ganzen recht deutliche Unterschiede in der sozialen Organisation von Jägern und Sammlern einerseits und einfachen Landwirten andererseits gibt.

In der US-amerikanischen Anthropologie, die dem namentlich mit Franz Boas verbundenen anti-evolutionären Empirismus folgt, war es üblich, Morgans Stufenfolge infrage zu stellen, weil viele Gruppen, auch von Morgan genannte Beispiele, nicht ganz zu den einzelnen Stufen „passen“. Allerdings waren Morgan die Grenzen seines Schemas bewusst, das er als „zutreffend und brauchbar“,19 aber „provisorisch“20 vorschlug. Er schrieb, dass er seine Haupteinteilung auf die „aufeinanderfolgenden Stufen der Produktion des Lebensunterhalts“21 stützen wollte, die für ihn waren: (1) Versorgung mit den verfügbaren Früchten und Wurzeln; (2) Hinzunahme von Fisch unter Verwendung von Feuer, und langsame Hinzunahme von Fleisch als ständigem Teil der Nahrung, insbesondere nach der Erfindung von Pfeil und Bogen; (3) Abhängigkeit von Getreide- und Pflanzenanbau; (4) Abhängigkeit von Fleisch und Milch aus Haustierhaltung; (5) „unbegrenzte Nahrungsproduktion“22 durch die Verbesserung der technischen Landwirtschaft, insbesondere durch den Einsatz des Pfluges mit domestizierten Tieren. Es gelang ihm jedoch nicht, jede neue Technik in zufriedenstellender Weise einer sozialen Stufe zuzuordnen. Sein Ziel war vielleicht, eine zu genaue Passform zu finden, und schließlich arbeitete er auch mit eingeschränkten Daten. Er schrieb: „Es sind jedoch die Forschungen nach dieser Richtung noch nicht weit genug gediehen, um die hierzu notwendigen Aufschlüsse zu liefern.“23 Daher müsse er „eine Reihe anderer Erfindungen und Entdeckungen auswählen, welche ein genügendes Zeugnis von tatsächlichen Fortschritten ablegen, um danach den Beginn der aufeinanderfolgenden Kulturstufen zu charakterisieren“.24 Diese waren: Fischen und Kenntnis des Feuers (kennzeichnend für den Übergang der Urzeit der niederen Wildheit zu jener der mittleren Wildheit), Pfeil und Bogen (beginnende höhere Wildheit), Töpferei (untere Barbarei), Domestikation von Tieren und Nutzung von Bewässerung in der Landwirtschaft (mittlere Barbarei), Eisen (höhere Barbarei) und Alphabet und Schrift (Zivilisation).25

Engels übernahm Morgans Kriterien, aber er verdeutlichte und betonte den wesentlichen Unterschied zwischen den Perioden der sogenannten „Wildheit“ und der „Barbarei“, die er jeweils als Ganzes betrachtete. Er bezeichnete die Wildheit als „Zeitraum der vorwiegenden Aneignung fertiger Naturprodukte“26 und die Barbarei als „Zeitraum der Erwerbung von Viehzucht und Ackerbau, der Erlernung von Methoden zur gesteigerten Produktion von Naturerzeugnissen durch menschliche Tätigkeit“.27 Diese Unterscheidung wird von Anthropologen heute üblicherweise als die zwischen Nahrungssammlung und Nahrungsproduktion formuliert. Mit der Zivilisation, schrieb Engels, kommt es zur „Erlernung der weiteren Verarbeitung von Naturerzeugnissen“ durch den Menschen.28 Es ist der „Zeitraum … der eigentlichen Industrie und der Kunst“.29 Nachdem er Morgans Interpretation näher ausgeführt und Material über die frühe germanische und keltische Gesellschaft zu seiner Diskussion über das Entstehen der Klassen, des Privateigentums und des Staates hinzugefügt hatte, stellte Engels fest: „Die Zivilisation ist also … die Entwicklungsstufe der Gesellschaft, auf der die Teilung der Arbeit, der aus ihr entspringende Austausch zwischen einzelnen und die beides zusammenfassende Warenproduktion zur vollen Entfaltung kommen und die ganze frühere Gesellschaft umwälzen.“30

Eine ziemlich einfache, aber oft übersehene Unklarheit hat die folgenden Diskussionen über historische „Stufen“ belastet. Häufig wird nicht unterschieden zwischen der Definition von Stufen als notwendigem vorbereitenden Schritt, um sinnvolle Fragen über eine bestimmte Zeit, eine Institution oder ein Ereignis zu stellen, und Stufen, die als die Antworten selbst angesehen werden. „Stufen“ definieren die wichtigsten Alternativen in der Struktur der Produktionsverhältnisse; sie bieten einen begrifflichen Rahmen für das Studium von historischen Prozessen. Wenn man eine Gesellschaft in eine zentrale Position oder in eine Übergangsphase in Bezug auf eine oder mehrere Stufen einordnet, dann ist das eine notwendige Vorstufe zur Untersuchung, aber keine Zwangsjacke, die sie einschränkt.31

Politische Auswirkungen der evolutionären Theorie

Die Lösung theoretischer Probleme, die für die Gesellschaftswissenschaft grundlegend sind, ergibt sich natürlich nicht ohne Weiteres aus der Anhäufung von Zeit und Aufwand von Wissenschaftlern. Die Sozialwissenschaften wurden schon immer von den politischen Auswirkungen der einen oder anderen Theorie geplagt, und evolutionäre Annahmen haben immer subjektive und zwiespältige Reaktionen hervorgerufen. Morgan war kein Radikaler, aber ebenso wenig gehörte er zu denen, die Schlussfolgerungen aus vergangener Geschichte bloß dazu benutzten, die gesellschaftlichen Institutionen seiner Zeit zu rechtfertigen. Er teilte den Glauben liberaler US-Amerikaner des 19. Jahrhunderts, dass die Vereinigten Staaten das Klassensystem in Europa hinter sich gelassen hätten und zu rationaler und beständiger Verbesserung fähig waren, aber er sah solchen Fortschritt nicht als unausweichlich an. Er war besorgt über die „Jagd nach Reichtum“,32 auf die die Gesellschaft zuzusteuern schien, und über die Gefahr, die sie darstellte. Eigentum war zu einer unkontrollierbaren Macht geworden, sagte er, die die Gesellschaft zerstören könnte, wenn ihr nicht Einhalt geboten würde. Die kraftvolle Passage, in der er seinen Ausblick auf die Zukunft als „eine Wiederbelebung … – aber in höherer Form – der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der alten Gentes“33 entwarf, wird von Engels als Abschluss zum Ursprung zitiert.34

Engels spitzte die Schlussfolgerungen des Vergleichs zu, den Morgan zwischen der primitiven gemeinschaftlichen und der Klassengesellschaft zog, und benutzte das als Argument für den Sozialismus. Daher hatten sowohl Morgans als auch Engels’ Werke wechselvolle Lebensläufe, und die Meinungen über sie haben sich verschoben, je nachdem wie das politische Klima sich änderte. Erst in den letzten Jahren haben sowjetische Gelehrte erneut ernsthaft kritische Neubetrachtungen und Debatten über einige Probleme evolutionärer Theorie angestellt.35 In westlichen Akademikerkreisen gibt es Halbwissen (oder Annahmen) über marxistische Ideen in rauhen Mengen, doch Marx’ und Engels’ Werke werden nur allzu selten gelesen. Das übliche Vorgehen ist, als marxistische Theorie den Strohmann des ökonomischen Determinismus aufzustellen, und diesen dann umzuhauen. Wenn wissbegierigere Studierende einige von Marx’ und Engels’ Werken lesen, verzerren sie üblicherweise am Ende die Ideen, die sie daraus zusammengetragen haben, weil sie nach Diskursformen suchen, die für die Veröffentlichungen akzeptabel sind, die die Mittel zur erfolgreichen Aufnahme in die akademische Bruderschaft darstellen. Auch Morgans Urgesellschaft wird selten gelesen, und wenn sie in Hochschulkursen erwähnt wird, wird sie oft verzerrt und kurzerhand abgelehnt. Die Verwirrung wächst weiter, wenn wohlmeinende Wissenschaftler den etwas respektableren Namen von Morgan als einen Euphemismus für Marx (oder Engels) verwenden, und die Annahme wächst, dass ihr Denken identisch war.

Nachdem die Russische Revolution eine Bestätigung für Marx’ Annahme einer bevorstehenden sozialistischen „Stufe“ der Geschichte geliefert hatte, wurde mit einer Unmenge von Studien nervös versucht zu zeigen, dass die Institutionen Klasse, Privateigentum, die monogame Familie als wirtschaftliche Einheit, und sogar der Staat selbst auf allen Ebenen menschlicher Gesellschaft zu finden seien, und dass es im Grunde keine vorhersehbare „Reihenfolge“ in der menschlichen Geschichte gebe. In den Vereinigten Staaten wurden solche Studien in der Tradition der mit dem Namen Franz Boas verknüpften „historischen“ Schule durchgeführt, die die Einzigartigkeit der individuellen Geschichte jedes Volkes hervorhob. In England wurden sie unter dem Schlagwort des „Funktionalismus“ durchgeführt, der das anprangerte, was als hoffnungsloser Versuch angesehen wurde, die institutionellen Ursprünge zurückzuverfolgen, und sich „synchronen“ Analysen darüber zuwandte, wie die diversen Institutionen in irgendeiner gegebenen Gesellschaft miteinander zusammenhingen.

Die Schlachten zwischen den Anhängern der „historischen“ und der „funktionalistischen“ Schule, und zwischen ihnen und den verbliebenen Verfechtern des „Evolutionismus“, wurden oft hitzig und verbissen geführt. Bei der Mehrheit der Anthropologen herrschte jedoch ein kaum ausformulierter, pragmatischer Eklektizismus vor. Das sich rasant anhäufende Material über primitive Gesellschaften warf endlose Detailprobleme auf, die das Interesse der Leute fesselten und es ihnen erlaubten, vielen breiteren theoretischen Fragen und deren lästigen Schlussfolgerungen aus dem Weg zu gehen. Langfristig war der Eklektizismus vielleicht kein so ernster Nachteil. Tatsache ist, dass „Evolutionismus“, „Funktionalismus“ und „Historizismus“ nur durch eine beschränkte Herangehensweise einander entgegengesetzt werden können. Funktionale Betrachtungen sind für eine vollständig durchdachte evolutionäre Theorie von wesentlicher Bedeutung. Die Hypothese der grundlegenden Beziehung zwischen ökonomischen und anderen Institutionen ist selbst „funktional“. „Evolutionäre“ Theorie nimmt ökonomische Faktoren als vorrangig an, doch sie leugnet gewiss nicht die fortwährenden internen Anpassungen, die zwischen den unterschiedlichen Teilen eines Gesellschaftssystems stattfinden. Darüber hinaus kann „Evolution“ nicht losgelöst von spezifischer Geschichte studiert werden, deren theoretischer oder erklärender Bestandteil sie ist. Historische Ereignisse können erzählt werden, aber sie können ohne Rückgriff auf eine umfassendere Theorie, wie sie vom „Evolutionismus“ bereitgestellt wird, nicht verstanden werden.

Die Kritik an der evolutionären Theorie hat üblicherweise die unendliche Veränderlichkeit der auf der ganzen Welt vorgefundenen einzelnen Lebenswege hervorgehoben, von denen jeder das historische Endergebnis einzigartiger Ereignisse und Einflüsse ist. Jedoch hat die Ansammlung von Daten nicht nur Vielfalt dokumentiert. Archäologische Forschungen haben ein nicht zu leugnendes Bild der Entwicklung der Menschheit von „wilden“ Jägern zu „barbarischen“ Landwirten und schließlich zu den „Zivilisationen“ des antiken Ostens ergeben, wie es der britische Wissenschaftler V. Gordon Childe verdeutlicht hat.36 Unterdessen haben ethnographische Daten es zunehmend deutlich gemacht, dass den Variationen zwischen einzelnen Kulturen grundlegende Unterscheidungen zwischen Gesellschaften auf unterschiedlichen Ebenen der Produktion zugrunde liegen. Leslie White,37 lange die herausragende Stimme der „evolutionistischen“ Minderheit, verteidigte diesen Standpunkt in einer Reihe von Debatten mit Robert Lowie,38 seinem ergiebigsten Gegenspieler.39

Zur gleichen Zeit, als archäologisches und ethnologisches Material zu einer evolutionären Sicht auf die Weltgeschichte beitrug, erzwang der Drang der Ereignisse in der Welt ein verändertes intellektuelles Klima. Im Westen haben das Taumeln der Sozialwissenschaften angesichts drängender sozialer Fragen und die wachsende Enttäuschung über positivistische oder rein pragmatische Untersuchungen ein erneuertes Interesse an Theorie im Allgemeinen, und marxistischer Theorie im Besonderen, bewirkt. In der sozialistischen Welt haben die gewaltigen theoretischen und praktischen Probleme des Übergangs vom Sozialismus zum Kommunismus, der oft zu sehr als automatischer Vorgang geplanter Veränderung angesehen wurde, gezeigt, was für ein ernsthaftes Hindernis eine doktrinäre Herangehensweise an marxistische Theorie sein kann, und wie dringend der Bedarf nach ihrem Wachstum und ihrer Ausweitung ist.40 Unterdessen treten die von den Anthropologen untersuchten ehemaligen „primitiven Völker“ als neue Nationen hervor, die nach sozialen und wirtschaftlichen Formen streben, die im Einklang sowohl mit industrieller Technologie als auch mit ihren eigenen Traditionen stehen. Diese Entwicklung macht es lächerlich, solche Gesellschaften als isolierte selbstgenügsame Enklaven zu behandeln, die ohne eine Theorie ökonomischer Auswirkungen auf soziale und politische Strukturen beschrieben werden können.

All dies hat zum Wachstum eines aktiven und einflussreichen „neo-evolutionistischen“ Flügels der US-amerikanischen Anthropologie beigetragen, und zu einer weitreichenden Akzeptanz der Tatsache, dass umfassende evolutionäre Strömungen die Geschichte der Menschheit geformt haben.41 Das Ergebnis war jedoch nicht vollständig nutzbringend. „Evolution“ war und ist vieles Verschiedenes für verschiedene Menschen. Die bewusste Anwendung der Dialektik auf eine materialistische Anschauung der Geschichte ist etwas ganz anderes als der starke Einschlag von ökonomischem Determinismus, der dem zeitgenössischen Evolutionismus in den Vereinigten Staaten eigen ist.42 Ebenso wenig wurden die Dinge durch die beliebte, aber theoretisch schwammige Formel der „multilinearen“ Evolution klarer, eine angebliche Korrektur des Strohmanns der „unilinearen“ Evolution, die Morgan (und in der Folge Marx und Engels) zugeschrieben wird. Jedoch wurde zumindest die Bühne für eine Neudefinition und Neubetrachtung der Dinge bereitet. Einige Wissenschaftler haben Argumente gegen marxistische Hypothesen ernsthaft in Erwägung gezogen, und statt einfach frühere Argumente zu wiederholen, haben sie neue Daten und Erkenntnisse über die Interpretation der Geschichte beigetragen.

Primitiver Kommunismus

Wesentliche Themen, die durch die Boas’sche Schule der Anthropologie zur Debatte gestellt wurden, betrafen das Wesen und die Existenz einer primitiven Gemeinschaft. Morgan hatte sich auf die „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der alten Gentes“43 bezogen und geschrieben, dass das „Verlangen“44 nach dem Besitz von Eigentum auf den frühen Stufen der Gesellschaft nicht existierte. Als er die Produktionsverhältnisse definierte, die in solchen Gesellschaften bestanden, schrieb Engels, dass sie „wesentlich eine gemeinsame“45 war, und dass „die Konsumtion unter direkter Verteilung der Produkte innerhalb größerer oder kleinerer kommunistischer Gemeinwesen vor sich ging“.46 Die alleinige Teilung der Arbeit war die nach dem Geschlecht, und die Gesellschaft war noch nicht in Klassen von Ausbeutern und Ausgebeuteten gespalten. Die Ländereien wurden gemeinschaftlich gehalten, und die Werkzeuge und Hilfsmittel gehörten direkt denen, die sie benutzten. Die politische Organisation, fuhr Engels fort, existierte nicht getrennt von der sozialen Gruppe. Im Vergleich mit dem politischen Führer, der als „außer und über“47 der Gesellschaft auftritt, „steht“ der Gentilvorsteher „mitten in der Gesellschaft“.48 Die Beteiligung aller Erwachsenen an öffentlichen Angelegenheiten wurde als selbstverständlich angesehen; einen amerikanischen Indianer zu fragen, ob es sein „Recht“ oder seine „Pflicht“ sei, soziale Verantwortung zu übernehmen, würde, schrieb Engels, so absurd erscheinen, wie ihn zu fragen, „ob Essen, Schlafen, Jagen ein Recht oder eine Pflicht sei“.49

Als angeblich endgültigen Beweis, dass eine Stufe des primitiven Kommunismus nicht wirklich nachgewiesen werden konnte, postulierte Frank G. Speck in seinen Arbeiten, dass die Montagnais-Indianer, Jäger auf der Labrador-Halbinsel, ihre Ländereien in Abschnitte oder „Jagdgründe“ einteilten, von denen Speck behauptete, dass sie sich in individuellem Besitz befanden und vom Vater an den Sohn vererbt wurden. Frühe Aufzeichnungen für das Gebiet, argumentierte Speck50 (und Eiseley51), zeigten, dass dies schon vor dem Eindringen von Europäern in die Neue Welt der Fall gewesen war, und eine Überprüfung von Literatur über andere Jägervölker legte ihm nahe, dass ähnliche Formen des Landbesitzes weltweit verbreitet und uralt seien. Diese angebliche Erkenntnis wurde zu einem Standardvermerk, der in anthropologischen Texten und Journalen zu finden war. Speck und Eiseley schrieben, solche Entdeckungen „müssen unvermeidlich für jene beunruhigend sein, wie Morgan und viele heutige Russen, die die Kultur der niederen Jäger als Verkörperung einer Stufe vor der Entwicklung der Institution des individualisierten Eigentums ansehen würden“.52

Jedoch wurde die Annahme, dass privat gehaltene Jagdabschnitte einheimisch waren, von dem kanadischen Anthropologen Diamond Jenness auf der Grundlage seiner Arbeit unter den Ojibwa- und den Sekeni-Indianern53 und von Julian Steward, der Beweise für ihre späte Entwicklung bei den Carrier fand,54 infrage gestellt. Detaillierte Archiv- und Feldforschung der Autorin55 unter denselben Indianern, mit denen Speck gearbeitet hatte, zeigten, dass sich das Jagdgrund-System tatsächlich als Ergebnis des Pelzhandels entwickelt hatte, und dass es darüber hinaus kein wirkliches Landeigentum umfasste. Man durfte keine Fallen in der Nähe der Fallen von Anderen aufstellen, aber jeder durfte Wildtiere jagen, durfte fischen, oder durfte Holz, Beeren oder Birkenrinde auf dem Grund eines Anderen sammeln, solange diese Produkte des Landes zum Gebrauch und nicht zum Verkauf bestimmt waren. Ein Mann, der Nahrung brauchte, während er in der Fallengegend eines Anderen war, durfte sogar Bieber, ein sehr wichtiges Pelztier, töten, aber er durfte sie nicht töten, um den Pelz zu verkaufen. Ein Bericht von Vater Le Jeune, einem Jesuiten-Missionar, der im Jahr 1632/33 mit einer Gruppe Montagnais überwinterte, offenbart die einheimischen Praktiken der Indianer in Bezug auf das Land. Im Sommer würden relativ große Gruppen an Seeufern und Flussmündungen zusammenkommen, und jeden Herbst würden sie sich in kleine Familienhorden aufteilen, die die Flüsse ins Landesinnere hinauffahren und sich breit über die Landschaft zerstreuen, um sich nicht gegenseitig dadurch auszuhungern, dass sie ein Gebiet übervölkern. Jedoch würden sie ausreichend in Kontakt bleiben, um sich einander für Hilfe zuzuwenden, wenn es nötig wäre.56

Ein weiteres Argument gegen die Existenz einer primitiven gemeinschaftlichen Stufe in der Menschheitsgeschichte entsprang der Tatsache, dass in Gesellschaften, die grob als „primitiv“ bezeichnet werden, diverse Rang- und Statusunterscheidungen gefunden wurden. In manchen Fällen gibt es Unterteilungen in soziale Gruppen, deren Namen von frühen Beobachtern als „Adlige“, „Bürger“ und „Sklaven“ übersetzt wurden. Zwei Aspekte bedürfen hier der Klärung. Erstens muss eine Unterscheidung getroffen werden zwischen sozialer Rangordnung verschiedener Art und einem System von Klassen, das auf unterschiedlichen Beziehungen zu den grundlegenden Quellen des Lebensunterhalts und der Produktion beruht; Rangordnung an sich zeigt noch nicht die Existenz von Klassen an. Wie Fried es ausdrückt, werden Prestigemerkmale in „Standesgesellschaften“ nicht „benutzt, um an Nahrung oder produktive Ressourcen zu gelangen“. Sie „vermitteln“ keinen „privilegierten Anspruch auf die strategischen Ressourcen, auf denen eine Gesellschaft beruht. Rangordnung kann in Abwesenheit von [sozialer] Schichtung existieren und tut es auch.“57

Zweitens ist der Begriff „primitiv“ sehr locker verwendet worden. Viele Gesellschaften in Westafrika, Mexiko und dem Andengebiet und in Polynesien, die oft als „primitiv“ bezeichnet werden, sind tatsächlich von jagend-sammelnden Völkern und Gartenbauern weit entfernt. Obwohl es schwer ist, mit Sicherheit das genaue Ausmaß zu definieren, zu dem in diesen Gebieten eine beträchtliche Klasse entstanden war, die „unfrei“ in dem Sinne war, dass sie von den traditionellen Rechten auf Land und die Produkte ihrer Arbeit entfremdet war, ist es doch klar, dass in vielen Fällen Völker der Schwelle zur Klassenorganisation und zur politischen Staatlichkeit nahe oder darüber hinaus waren. Als er darauf hinwies, dass Montezuma nicht der Herrscher war, der er von den Spaniern genannt wurde, übertrieb Morgan das Argument für den Egalitarismus der Azteken.58 Er unterschätzte auch gravierend die Komplexität der hawaiianischen Gesellschaft. Da den Hawaiianern die Töpferei fehlte, fielen sie in seine Stufe der „Wildheit“, obwohl hölzerne Schüsseln und Kokosnussschalen in dieser hoch produktiven Landwirtschaft sehr gute Dienste leisteten. Schließlich tat Morgan die afrikanische Gesellschaft in einer unentschuldbar unbedachten Weise als „ein Durcheinander von Wildheit und Barbarei“59 ab und schenkte Afrika keine weitere Aufmerksamkeit. Engels schöpfte in seinen Kapiteln über den deutschen Staat aus Originalquellen, und er war vertraut mit dem Material über die klassischen mediterranen und asiatischen Gesellschaften, aber mit wenigen Ausnahmen (Australien war eine) war er nicht vertraut mit Primärquellen zu nicht-eurasischen Völkern und stellte Morgans Bewertung dieser Quellen nicht infrage. Daher ist jede Schlussfolgerung, dass Engels’ Charakterisierung des primitiven Kommunismus auf alle nicht-eurasischen Völker zutreffen sollte, falsch; das tut sie einfach nicht. In der Tat hat der Versuch, die komplexen sozioökonomischen und politischen Formen zu rekonstruieren, die in Teilen Westafrikas, Polynesiens, Mexikos und den Anden vor der europäischen Expansion herrschten, die Aufmerksamkeit einer ganzen Reihe von Wissenschaftlern aufgesogen, die von der marxistischen Theorie beeinflusst wurden.60

Eine dritte Herausforderung für das Verständnis, dass ein Vor-Klassen-Stadium in der menschlichen Geschichte von einer unangefochtenen Kooperativität gekennzeichnet war, stellte die „Kultur und Persönlichkeit“-Schule der Anthropologie dar, die mit den Namen von Ruth Benedict und Margaret Mead verbunden ist. (Ein dritter Pionier auf diesem Gebiet, Edward Sapir, war ein weniger produktiver Schriftsteller und nicht allgemein bekannt.) Die Etablierung eines Teilbereichs innerhalb der Anthropologie in den 1920er und 1930er Jahren, der sich mit der Interpretation der Beziehung zwischen dem Individuum und seiner Kultur beschäftigte, entsprach der allgemeinen intellektuellen Entwicklung. Emile Durkheim betonte den Einfluss der Gruppe auf die Ausformung individueller Ziele; und die Begründer der Sozialpsychologie, Charles Horton Cooley und George Herbert Mead, hatten den Sozialisationsprozess, bei dem heranwachsende Kinder in Interaktion mit ihrem sozialen Umfeld einen Sinn für Identität und Zielsetzung entwickeln, als wichtigen Bereich für die Untersuchung herausgestellt. Bald lieferte Sigmund Freuds Erkenntnis über die Rolle der Symbolik im menschlichen Handeln und über die Quellen der Irrationalität in der menschlichen Interpretation der Wirklichkeit einen Hinweis auf die Prozesse, durch die Menschen bei dem Versuch, in ihren Erfahrungen einen „Sinn“ zu sehen, Begründungen oder Erklärungen entwerfen, die in institutionalisierte Ideologien eingebettet werden können. Diese verschiedenen Bestrebungen entwickelten sich jedoch implizit, wenn nicht gar explizit, nicht als Erweiterungen des marxistischen Materialismus, sondern als Gegenentwürfe dazu. Die Richtung ihrer Ausarbeitung ging daher hin zu einer psychobiologischen Bestimmung sozialer Formen bzw. einer in sich geschlossenen funktionalistischen Art der Beschreibung, die das Ineinandergreifen von individuellem Verhalten und sozialen Formen betonte und Probleme vermied, die mit grundlegenden Einflussfaktoren und Quellen der Veränderung zu tun hatten.

Ruth Benedict interessierte sich dafür, wie institutionelle Formen und individuell verfolgte Ziele in unterschiedlichen Konfigurationen oder „Formen“ von einer Kultur zur anderen ineinandergreifen. In ihrem einflussreichen Buch Patterns of Culture61 betonte sie die Variabilität der menschlichen Kulturen und die Tatsache, dass jede einzigartige Lebensweise auf ihre eigene Art verstanden werden muss, frei von der Voreingenommenheit einer westlichen Sichtweise. Allerdings betonte sie unter Missachtung der sozioökonomischen Struktur der Interaktion die psychologische Formung von Motivationen, und sie betonte und übertrieb das Einzigartige und oft auch das Bizarre, wodurch sie die kulturübergreifenden Gemeinsamkeiten herunterspielte und die Theorie außer Kraft setzte, dass die Beziehungen, die in einem Volk bei der Produktion und Verteilung der Mittel des Lebensunterhalts entstehen, sich auf alle anderen Aspekte seines Lebens auswirken würden. Andere Schüler des „Ethos-“ oder „Wert-Einstellungs-Systems“ verschiedener Kulturen und der „grundlegenden oder sozialen Persönlichkeit“ oder des „nationalen Wesens“, die angeblich allen Mitgliedern einer Kultur gemeinsam sind, teilten mehr oder weniger die Annahme, dass die Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse für die Kulturformen nicht von größerer Bedeutung seien als andere soziale Dimensionen.62

Der extreme Relativismus, der die Kultur- und Persönlichkeitsschule charakterisierte, wird durch das Buch Cooperation and Competition Among Primitive Peoples,63 eine 1937 von Margaret Mead herausgegebene Sammlung von Abhandlungen über verschiedene Völker, veranschaulicht. Man könnte vom Titel her eine Untersuchung erwarten, wie Motive von Kooperation und Konkurrenz in jagenden, sammelnden und gartenbauenden Gesellschaften verwoben sind, wo die zugrundeliegende Struktur eine tiefgreifende Kooperation erfordert, und wie sich diese zu verändern beginnt, wenn Verbesserungen in den landwirtschaftlichen Techniken die Basis für wirtschaftliche Ungleichheiten legen. Stattdessen ging Mead, als Organisatorin des Buches, von einer zufälligen Verteilung von Kooperation und Konkurrenz in der gesamten Frühgesellschaft aus, was auch genau das ist, was die meisten (nicht alle) Autoren gefunden haben, da sie mit begrenztem Material, begrenzten theoretischen Ausrichtungen und mit Gesellschaften arbeiteten, die schon lange an die Auswirkungen der europäischen Expansion angepasst waren.

Insbesondere ein Kapitel, das von Jeanette Mirsky über die Eskimos in Grönland, knüpft an eine Argumentationslinie an, die parallel zu der von Frank Speck über individuelles Landeigentum bei den nordöstlichen Algonkin verläuft. Die Eskimos erscheinen dort als ein sehr auf Konkurrenz orientiertes Volk, ein Bild, das in einer kritischen Antwort von Hughes64 gründlich demontiert wurde. Ein anderes Kapitel in Meads Buch, „The Ojibwa“ von Ruth Landes, zeichnet ein ähnlich konkurrenzorientiertes Bild von jenen Algonkin-Völkern, die im Gebiet nördlich der Großen Seen leben. Der Einfluss der Pelztierjagd und des Pelzhandels auf das Leben in den nördlichen Wäldern wurde bereits erwähnt, aber die Interpretationen von Mirsky, Landes und anderen, die die gleichen Ansichten vertreten, haben noch weitere Aspekte. Allzu oft wird die physische Trennung bei jagenden Völkern, die sich zu bestimmten Jahreszeiten weit über ein Gebiet verstreuen können, mit „Separatismus“ oder „sozialem Atomismus“ gleichgesetzt, ohne die gegenseitige Abhängigkeit anzuerkennen, die weiter aufrechterhalten wird. Darüber hinaus, und besonders im Fall der Eskimos, gibt es eine implizite Gleichsetzung von „Individualismus“ mit „Konkurrenz“, und wenig Bewusstsein für die Art und Weise, in der eine vollständig kooperative Gesellschaft den Ausdruck von Individualität ermöglichen kann. Im Allgemeinen wird eine Art Freud’sche Annahme getroffen, dass der Mensch von Natur aus ein gewisses Maß an Aggression besitzt, das durch Konkurrenz ausgedrückt werden muss, und dass die Kooperationsbereitschaft einen sanften, gedämpften Persönlichkeitstyp erfordert (wie es anscheinend oft in religiösen Gemeinschaften der Fall ist, die an einer Gemeinschaftsethik festhalten, die mit den Konkurrenzsitten der umgebenden Gesellschaft in Konflikt steht). Aus meiner eigenen Erfahrung bei der Feldforschung unter den Naskapi-Jägern in Labrador war es jedoch schön zu sehen, wie viel Spielraum für persönliche Eigenheiten gelassen wird.65

Die Tatsache, dass der Kommunismus der Entstehung von Klassen in der Menschheitsgeschichte vorausging, sollte nicht in irgendeiner Rousseau’schen Weise gedeutet werden, dass der Mensch eine Utopie verloren habe. Die begrenzte Technologie, die den Jägern und Sammlern der „oberen Wildnis“ (die Kategorie, die die gesamte Menschheit nach dem Auftauchen des Homo sapiens im späten Pleistozän umfassen würde) und den Gartenbauern der „unteren Barbarei“ zur Verfügung stand, bedeutete, dass das Leben streng und relativ eingeschränkt war. Doch die Einblicke in die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen, die wir aus Berichten über nordamerikanische Indianer und Völker im Rest der Welt erhalten, bevor sie die Entfremdung von den Produkten ihrer Arbeit und die Entzweiung durch die grundsätzliche Konkurrenz mit ihren Mitmenschen (ob als Ausbeuter, Ausgebeutete oder „Mitläufer“) erfahren haben, machen uns in der Tat etwas neidisch. Hinter der enormen Vielfalt an Umweltanpassungen und kulturellen Ausschmückungen, die man bei diesen Völkern beobachten kann, schien es einen grundlegenden Sinn für Selbstachtung und die Fähigkeit zu geben, große Zufriedenheit aus Arbeit und persönlichen Beziehungen zu ziehen. Vielleicht am bittersten für den Industriemenschen ist die Zerrissenheit, die die Beziehungen zu den Liebsten durchdringt, und die Feindschaft zwischen Ehemännern und Ehefrauen, Eltern und Kindern. Es ist das Thema der Familie im primitiven Kollektiv im Vergleich zu dem der klassenbasierten Industriegesellschaft, dem wir uns als Nächstes zuwenden.

Verwandtschaft und Ehe in der primitiven Gesellschaft

Die Gruppierung von Stammesgenossen in Verwandte verschiedener Kategorien, von denen man einige heiraten darf und andere nicht, ist zentral für die soziale Organisation der meisten primitiven Völker. Morgan nahm an, dass die Begriffe, die für die Bezeichnung dieser verschiedenen Kategorien von Verwandten verwendet wurden, mögliche biologische Beziehungen repräsentierten, die sich aus verschiedenen Formen der Heirat ergaben. Er vertrat zum Beispiel den Standpunkt, dass die nicht unübliche Verwendung des gleichen Begriffs für den Vater, dessen Brüder und bestimmte männliche Cousins aus einer Zeit stammte, in der jeder der als Vater bezeichneten Männer mit der Mutter (oder einer ihrer Schwestern und bestimmten weiblichen Cousinen, die mit dem Begriff „Mutter“ bezeichnet wurden) zusammengelebt haben konnte. Auf der Grundlage solcher Überlegungen und nach der Untersuchung von etwa 80 Systemen von Verwandtschaftsbezeichnungen aus der ganzen Welt schlussfolgerte Morgan, dass vier aufeinanderfolgende Formen der Familie einer anfänglichen sexuellen Freizügigkeit gefolgt waren.

Die erste von Morgan postulierte Form der Familie war die „Blutverwandtschaftsfamilie“,66 also die Heirat von Brüdern, Schwestern und Cousins, die aus dem Verbot des Geschlechtsverkehrs zwischen Vätern und Töchtern sowie zwischen Müttern und Söhnen resultierte. Als Beweis für diese Form führte Morgan das hawaiianische System der Verwandtschaftsnomenklatur an, bei dem sich alle Kinder von Geschwistern gegenseitig Bruder und Schwester nennen. Die zweite Form, die „Punaluafamilie“,67 folgte aus dem Verbot des Geschlechtsverkehrs zwischen Geschwistern. Die dritte, die „Paarungsfamilie“,68 resultierte aus der Ausweitung der Inzestgruppe auf kollaterale Geschwister, und schließlich entstand mit der Zivilisation die Monogamie.

Das Problem bei Morgans Formulierung ist nicht so sehr seine Abfolge von fortschreitenden Einschränkungen bei den heiratsfähigen Partnern (obwohl der Generationsunterschied bei den zeitgenössischen Jägern und Sammlern selten ein Thema ist), sondern die Annahmen, die er sowohl über die Funktion von Verwandtschaftsterminologien als auch über das Wesen von Inzesttabus trifft. Diskussionen über urzeitliche Gesellschaftsformen werden zweifellos zu einem großen Teil auf Mutmaßungen beruhen, obwohl die Primatologie eine große Vielfalt an Paarungsmustern unter den engsten Verwandten des Menschen aufzeigt, die sich in der Entwicklungslinie befanden, die nicht zum Menschen wurde; und die Archäologie beginnt, Hinweise auf den Charakter der frühen Gesellschaften des Menschen zu liefern, wenn auch sehr verstreut und indirekt. Es ist jedoch eine ganz andere Frage, anzunehmen, dass Verwandtschaftsterminologien heutiger Völker direkte Belege für früher bestehende biologische Beziehungen liefern. Um Morgans Fall von Hawaii zu nehmen: Sein Hinweis auf gelegentliche Bruder-Schwester-Ehen in Verbindung mit der Gruppierung von Geschwistern mit Cousins und Cousinen verschiedenen Grades verrät nichts über frühe Institutionen. Polynesien stellt, wie bereits erwähnt, keine „wilde“ Stufe dar, sondern besteht aus komplexen „barbarischen“ Gesellschaften. Bruder-Schwester-Ehen kommen nur in den höchsten Rängen in Hawaii vor und ihr Zweck ist es, die Reinheit der königlichen Linie zu bewahren, so wie es Bruder-Schwester-Ehen unter den Pharaonen in Ägypten taten. Im übrigen Polynesien waren solche Ehen verboten, obwohl Linton anführt, dass die Cousin-Ehe „als Mittel, um den Besitz in der Familie zu halten“ bevorzugt wurde – ein Hinweis auf den fortgeschrittenen Stand der polynesischen Wirtschaft.69

Morgan führte die Begrenzung der Ehegruppen auf die mehr oder weniger instinktive Beschränkung der Inzucht zurück, die seiner Meinung nach gemäß dem Prinzip der natürlichen Auslese zum Vorteil der Stämme wirkte, die sie praktizierten. Engels erkannte, dass der Inzest eine „Erfindung“70 war und dass die primitiven Vorstellungen vom Inzest „von den unsrigen total verschieden sind und ihnen häufig direkt widersprechen“.71 Er ging jedoch nicht weiter auf die Folgerungen dieses Punktes ein, noch untersuchte er mögliche Faktoren, die solche Unterschiede erklären könnten, sondern verwies stattdessen auf einen „dunkeln Drang“72 gegen Inzucht, der sich „naturwüchsig-tastend“73 durchsetzt. Tatsache ist, dass die weit verbreitete Sitte der „Exogamie“,74 also das Heiraten außerhalb der eigenen Verwandtschaftsgruppe, oft zu einer speziellen Form der Inzucht führte. Wenn die Verwandtschaft nur auf einer Seite gezählt wird, stehen bestimmte Cousins und Cousinen außerhalb der eigenen Verwandtschaftsgruppe und sind als Ehepartner nicht nur wählbar, sondern werden oft bevorzugt. Die Heirat mit „Kreuzcousin“ oder „Kreuzcousine“, dem Kind der Schwester des Vaters oder des Bruders der Mutter, festigt die bereits engen Beziehungen und bindet eine Person an eine andere Verwandtschaftsgruppe. Die Stärkung solcher Bindungen kann als wichtiger empfunden werden als die Vermeidung von Inzest an sich. Als Margaret Mead ihre Arapesh-Informanten fragte, warum sie sexuelle Beziehungen mit einer Schwester missbilligten, erhielt sie die Antwort: „Was ist los mit dir? Mit der Schwester schlafen? Willst du denn keinen Schwager haben? Mit wem wollt ihr denn den Garten anlegen, mit wem jagen, wen wollt ihr besuchen?“75

Anstatt Menschen zu kategorisieren, mit denen man sich früher einmal vermählt hat, geben Verwandtschaftssysteme Aufschluss über gegenwärtige oder erst kürzlich vergangene soziale und ökonomische Beziehungen. Engels erkannte dies bis zu einem gewissen Grad, als er erklärte: „Die Bezeichnungen Vater, Kind, Bruder, Schwester sind keine bloßen Ehrentitel, sondern führen ganz bestimmte, sehr ernstliche gegenseitige Verpflichtungen mit sich, deren Gesamtheit einen wesentlichen Teil der Gesellschaftsverfassung jener Völker ausmacht.“76 Allerdings führte seine Akzeptanz von Morgans Hypothese über die Begrenzung der Inzucht als dynamischer Faktor für aufeinanderfolgende Familienformen dazu, dass er einige wichtige falsche Aussagen machte. „Die Naturzüchtung“, schrieb er, „hatte in der immer weiter geführten Ausschließung von der Ehegemeinschaft ihr Werk vollbracht; … Kamen also nicht neue, gesellschaftliche Triebkräfte in Wirksamkeit, so war kein Grund vorhanden, warum aus der Paarung eine neue Familienform hervorgehn sollte.“77 Im Vorwort zur ersten Auflage des Ursprung geht er ausdrücklich von einer eigenständigen Entwicklung der Familie aus:

„Nach der materialistischen Auffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte: die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens. Diese ist aber selbst wieder doppelter Art. Einerseits die Erzeugung von Lebensmitteln… andrerseits die Erzeugung von Menschen selbst, die Fortpflanzung der Gattung. Die gesellschaftlichen Einrichtungen, unter denen die Menschen einer bestimmten Geschichtsepoche und eines bestimmten Landes leben, werden bedingt durch beide Arten der Produktion: durch die Entwicklungsstufe einerseits der Arbeit, andrerseits der Familie.“78

Tatsache ist natürlich, dass die sozialen Kräfte für die Menschheit nie neu waren, wie Engels in „Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen“79 ausgeführt hat, als er der Thematik nachging, dass die Arbeit „den Menschen selbst geschaffen“80 hat. Radikal verändert wurden die Ansichten über die Bedeutung der nicht lange zurückliegenden, auf einfachem technologischem Niveau lebenden Völker für das Verständnis des Urmenschen außerdem durch die Entdeckung des ungeheuer langen Zeitraums, in dem sich der Mensch entwickelt hat, der durch die Entdeckung des Australopithecus in Südafrika noch einmal von einer Million Jahre auf die doppelte (manche schätzen sogar noch längere) Zeitdauer ausgedehnt wurde. Die etwa zwei Millionen Jahre, während derer ein lebhafter, neugieriger, geselliger, plappernder Primat, der mit einem beweglichen Daumen und räumlichem Sehen ausgestattet ist, langsam lernte, seine Umgebung und sich selbst zu steuern, und der Sprachen und kulturelle Traditionen entwickelte, während sich sein eigener Körper entwickelte, werfen Fragen über die sozialen und sexuellen Beziehungen auf, die nicht einfach durch Verweis auf die annähernd zeitgenössischen Verwandtschaftsterminologien beantwortet werden können. Anhand von Jäger- und Sammlergesellschaften können wir Schlussfolgerungen über das Wesen der grundlegenden Beziehungen auf einem technologischen Niveau ziehen, das seine historischen Wurzeln in den Kulturen des oberen Paläolithikums vor einigen Zehntausenden von Jahren hat, als der Homo sapiens entstand. Unsere Erkenntnisse aus der physischen Anthropologie, der Archäologie und der Primatologie über die früheren Gesellschaften vor dem Homo sapiens sind dagegen dürftig und eher indirekt. Wir können sicher sein, dass sie in relativ kleinen Gruppen zusammen lebten, aber in welchem spezifischen Beziehungsgeflecht diese Gruppen organisiert waren, wie sie sich mit anderen Gruppen verständigten und wie groß die Bandbreite der Variabilität sowohl in der Zeit als auch regional war, bleiben Fragen zur weiteren Diskussion.81

Die Entstehung der Monogamie und die Unterwerfung der Frauen

Die Seiten, auf denen Engels frühe Eheformen diskutiert, sind die schwierigsten in Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, teils weil Terminologien und Bräuche der Verwandtschaft für den westlichen Leser kompliziert und ungewohnt sind, und teils weil Unklarheiten über biologische und soziale Kräfte die wesentlichen Teile seiner Erörterungen verdunkeln. Engels’ grundlegendes Prinzip ist jedoch klar. Er schreibt: „Wir haben demnach drei Hauptformen der Ehe, die im ganzen und großen den drei Hauptstadien der menschlichen Entwicklung entsprechen. Für die Wildheit die Gruppenehe, für die Barbarei die Paarungsehe, für die Zivilisation die Monogamie…“82 Monogamie entsteht aus einem Übergangszustand der Polygynie, wenn Männer „das Kommando … über Sklavinnen“83 haben; verbunden mit männlicher Vormachtstellung, wird sie „ergänzt durch Ehebruch und Prostitution“84 und ist von Beginn an Monogamie allein für die Frau. Die Ehe war während der gesamten klassischen Zeit offen, und danach weiterhin heimlich, polygyn.

Die wesentliche Charakteristik der monogamen Ehe war die Verwandlung der Kernfamilie in die elementare wirtschaftliche Einheit der Gesellschaft, in der die Frau und ihre Kinder von einem einzelnen Mann abhängig wurden. Diese Verwandlung, die in Verbindung mit ausbeuterischen Klassenverhältnissen auftrat, führte zur Unterdrückung der Frau, die bis heute besteht. Als Folge davon oder kennzeichnend für diese Transformation wurde die Nachverfolgung der Abstammung vom „Mutterrecht“85 (Matrilinearität) auf das „Vaterrecht“86 umgestellt.

Im Bereich der Anthropologie hat die Auffassung, dass in der Geschichte der Menschheit Matrilinearität der Patrilinearität vorausging, die meiste Aufmerksamkeit erhalten. Der verbleibende Teil von Engels’ Diskussion wurde praktisch ignoriert. Es ist ein bedauerliches Zeugnis für den Status der Frau, dass sowohl innerhalb als auch außerhalb des Fachgebiets detaillierte Studien über den Status und die Rolle der Frau in primitiven Gesellschaften so selten sind. Ungeachtet dessen liegen genügend Beweise vor, um in den Grundzügen Engels’ Behauptung zu unterstützen, dass sich die Position der Frau gegenüber dem Mann mit dem Aufkommen der Klassengesellschaft verschlechterte; ebenso liegen Daten vor, um viele Einzelheiten seiner Thesen auszufüllen. Vor allem jedoch besteht ein dringendes Bedürfnis, das existierende Material zu untersuchen und neue Daten zu sammeln.

Untersuchen wir zunächst den Umstand, dass sich die Ehe in Jäger- und Sammlergesellschaften („Wilde“) und Gesellschaften von einfachen Landwirten („Barbarei“) einerseits und Klassengesellschaften („Zivilisation“) andererseits grundlegend unterscheidet, und dass es einen weiteren Unterschied zwischen der freieren „Gruppenehe“87 von Jägern und Sammlern und ihrer Nachfolgerin, der „Paarungsehe“,88 gibt. Unglücklicherweise beschwört der Begriff „Gruppenehe“ ein unrealistisches Bild von Massenhochzeiten herauf, die nirgends gefunden wurden. Tatsächlich jedoch stimmt Engels’ eigene Untersuchung der Gruppenehe, wie sie in Australien zustande kam, mit dem überein, was in anthropologischen Schriften inzwischen als „lockere Monogamie“ bezeichnet wird. „Dem oberflächlichen Beobachter stellt sie sich“, führt Engels aus, „dar als lockre Einzelehe und stellenweise Vielweiberei neben gelegentlicher Untreue.“89 Durch den „Massenehestand einer ganzen … Klasse Männer mit einer ebenso weitverbreiteten Klasse Frauen… [findet der] Australneger, Tausende von Kilometern von seiner Heimatgegend, … von Lager zu Lager, von Stamm zu Stamm Frauen…, die ihm ohne Sträuben und ohne Arg zu Willen sind“.90 Im Alltag nimmt die Ehe die Form einer „lockern Paarungsehe“91 unter Partnern an, deren Ehetauglichkeit von Geburt an durch die Zugehörigkeit zu der einen oder anderen sogenannten „Eheklasse“92 bestimmt ist.

Die australischen „Eheklassen“ werden heute als Teil eines Systems aufgefasst, in dem verschiedene Kategorien von Verwandten benannt werden, die es jeder Person problemlos ermöglichen, ihre Beziehungen innerhalb jeglicher Gruppe, mit der sie in Berührung kommt, zu bestimmen.93 Das System ist deutlich ausgefeilter als alles, was man bei anderen Jägern und Sammlern gefunden hat, aber trotzdem gibt es bei allen gemeinsame Merkmale des Familienlebens. Die Scheidung ist gewöhnlich einfach und auf Verlangen jedes der Partner möglich, auch wenn sie nicht besonders häufig vorkommt. Es scheint so, dass häufiger der Tod die Ehebeziehungen beendet; enge und warme Partnerschaften sind die Regel. Diese beruhen jedoch bei den meisten Jägern und Sammlern, über die wir Informationen besitzen, nicht auf irgendeiner sexuellen Ausschließlichkeit für irgendeinen der Partner. Dass wir so viele Daten zu diesem Thema über die Eskimos haben, liegt vielleicht daran, dass sie zuerst mit Walfängern und nicht mit Missionaren in Berührung gekommen sind. Nach einem Brauch ist es gastfreundlich für eine unberührte Eskimofrau, oder sogar für die Frau des Gastgebers, mit dem Besucher zu schlafen. Die Praxis wurde bisweilen als Beweis für den niedrigen Status der Frau herangezogen, wobei sie eine ethnozentrische Lesart erhält, welche davon ausgeht, dass eine Frau (weil sie es nicht soll) keine Sexspiele mit einem anderen als ihrem „richtigen“ Ehemann genießt, und welche sich weigert anzuerkennen, dass Abwechslung in sexuellen Beziehungen sowohl für die Frau (wenn nicht durch alle möglichen Tabus eingeschränkt) als auch für den Mann unterhaltsam ist (eine moralistische Anmaßung, von der selbst Engels nicht vollkommen frei war).

Die „Paarungsehe“ ist stärker mit Einschränkungen abgesichert. Engels schrieb: „[A]uch hier entscheiden Rücksichten auf neue Verwandtschaftsbande, die dem jungen Paar eine stärkere Stellung in Gens und Stamm verschaffen sollen.“94 Die Eltern nehmen Einfluss auf die Wahl der Ehepartner, und die Ehen werden durch den Austausch von Gütern – Vieh, Nahrungsmittel oder Luxusgegenstände – zwischen den Verwandten der Braut und denen des Bräutigams besiegelt. Die Familie der jungen Partner hat nun ein persönliches Interesse am Bestand der Ehe. Engels schrieb, sie „bleibt löslich nach dem Belieben eines jeden der beiden Verheirateten: Doch hat sich nach und nach bei vielen Stämmen… eine solchen Trennungen abgeneigte öffentliche Meinung gebildet; bei Streitigkeiten treten die Gentilverwandten beider Teile vermittelnd ein, und erst wenn dies nicht fruchtet, findet Trennung statt“.95

Es gibt keinen Mangel an Daten über das, was Morgan die „Paarungsfamilie“ nannte. Sie ist eng verbunden mit der Stammesorganisation der Ackerbauern, wo die gemeinschaftlichen Beziehungen bei der Produktion und Verteilung von Gütern in relativ großen und stabilen Gruppen gepflegt werden. Jäger- und Sammlergruppen von ungefähr 25 bis 40 Menschen können beinahe anarchisch vorgehen, aber mit der Entwicklung der Landwirtschaft sind komplexere Einrichtungen notwendig, um die zwischenmenschlichen Beziehungen in Dörfern mit einigen Hundert und mehr Einwohnern zu regeln. Praktisch steht immer noch jede und jeder in derselben direkten Beziehung zur Produktion; höchstens ein Heiler oder Oberpriester darf genügend Geschenke bekommen, um sie oder ihn von manchen landwirtschaftlichen oder anderen Tätigkeiten zu befreien. Demzufolge bleiben die ökonomischen, politischen und sozialen Beziehungen vereint; die verwandtschaftlichen Bindungen, formalisiert als „Gentes“ oder, um ein heute gebräuchlicheres Wort zu benutzen, als „Clan“, bilden den Rahmen des Gemeinschaftslebens. Bei der Clan-Organisation wird die Verwandtschaft nur auf einer Seite gezählt, man gehört entweder zum Clan der Mutter oder zum Clan des Vaters, nicht zu beiden, und man heiratet „heraus“ (Clans sind normalerweise exogam). Die beiden Sitten, Unilinearität und Exogamie, ermöglichen es eigenständigen Gruppen, Generationen zu überdauern (was bei „Bilateralität“ und sich überschneidenden Verwandtschaftslinien schwierig ist) und werden gleichzeitig durch ein Netzwerk von Ehebeziehungen verbunden.96

Die Kernfamilie von Eltern und Kindern war in den Clan- und Dorfstrukturen eingebettet in ein Netzwerk von gegenseitigen Beziehungen.97 Gruppen von Verwandten arbeiteten zusammen auf den Feldern und bei der Jagd, sie tauschten Lebensmittel aus und stellten Gegenstände zu den vielen Anlässen her, die nach Festlichkeit verlangten, wie Geburtstage, Taufen, Pubertätsriten, Hochzeiten, Todesfälle und jahreszeitliche und religiöse Zeremonien. Die Übernahme der Gesamtverantwortung für das Wohlergehen eines jeden Mitglieds durch den Clan und die Dorfgemeinschaft, formal vertreten durch ihre jeweiligen Ältesten, war so selbstverständlich, dass sie unausgesprochen blieb. Im Alltag war es jedoch die unmittelbare Verwandtschaft von Großeltern, Eltern, Kindern mit Ehepartnern, die als Arbeitseinheit wirkte.

Der wesentliche Aspekt für den Status der Frau ist, dass der Haushalt gemeinschaftlich war und die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern auf Gegenseitigkeit beruht; das Wirtschaftsleben beinhaltete nicht die Abhängigkeit der Frau und der Kinder vom Ehemann. Alle wichtigen Lebensmittel, Großwild und Feldfrüchte wurden unter einer Gruppe von Familien aufgeteilt. Diese Familien lebten bei den meisten dörflichen Landwirten in großen Wohnsitzen zusammen, in Jäger- und Sammlergesellschaften teilten sie sich in ungünstigen Klimazonen große Tipis oder andere solche Unterstände, und in tropischen oder Wüstengegenden konnten sie sich einfach in getrennten Wickiups98 oder Verschlägen sammeln. Die Kinder gehörten im wahrsten Sinne des Wortes zur Gruppe als Ganzes; ein Waisenkind hatte einen persönlichen Verlust erlitten, aber es war niemals ohne Familie. Die Frauen mussten nicht aus Angst vor wirtschaftlichen Entbehrungen für sich oder ihre Kinder persönliche Verletzungen durch Männer in Wutausbrüchen hinnehmen. Verglichen mit „fortschrittlicheren“ Gesellschaften, wo das Schlagen der Frauen akzeptiert wurde, sogar bis hin zum Tod, konnte sich eine misshandelte Ehefrau an ihre Verwandten wenden, um Wiedergutmachung zu erhalten, oder sie konnte weggehen, wenn diese nicht gewährt wurde. Auch die „Führung des Haushalts“99 kann nicht so ausgelegt werden, wie es heute der Fall wäre. Ob „öffentliche“ Industrie oder nicht, „die den Frauen übergebne Führung des Haushalts“100 kann kaum als sehr befriedigend angesehen werden. Jedoch gab es in der primitiven kommunalen Gesellschaft nicht die Unterscheidung zwischen der öffentlichen Welt der Männerarbeit und der privaten Welt der Haushaltsdienste der Frauen. Der große Kollektivhaushalt war die Gemeinschaft, und darin arbeiteten beide Geschlechter, um die notwendigen Güter für den Lebensunterhalt herzustellen. Güter wurden noch direkt produziert und konsumiert; sie wurden nicht in „Waren“ für den Tausch verwandelt, diese Verwandlung, auf der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die besondere Unterdrückung der Frauen beruht.

Tatsächlich lieferten die Frauen in der Regel einen großen Anteil – oft den Hauptanteil – an der Nahrung. Viele Jäger und Sammler waren auf von den Frauen gesammelte pflanzliche Nahrung als Grundnahrungsmittel angewiesen, was durch Fleisch ergänzt wurde (die Buschmänner in der Kalahari-Wüste sind ein typisches Beispiel), und in Gartenbau betreibenden Gesellschaften waren es die Frauen als die früheren Sammler von pflanzlicher Nahrung und höchstwahrscheinlich auch für die Kultivierung von Nutzpflanzen Verantwortliche, die im Allgemeinen den Großteil der Landwirtschaft erledigten. Da in der primitiven gemeinschaftlichen Gesellschaft die Entscheidungen von denen getroffen wurden, die sie ausführen würden, reduzierte die Beteiligung der Frauen an einem großen Teil der gesellschaftlich notwendigen Arbeit sie nicht auf faktische Sklaverei, wie im Fall der Klassengesellschaft, sondern verlieh ihnen Entscheidungsbefugnisse, die ihrem Beitrag angemessen waren.

Es hat zu diesem Thema wenig Verständnis in der anthropologischen Literatur gegeben. Stattdessen wird die Tatsache, dass in primitiven Gesellschaften typischerweise die Männer die Entscheidungen über Jagd und Kriegsführung trafen, als Beleg für die Behauptung herangezogen, dass sie die „Herrscher“ im westlichen Sinne waren. Unter den Bedingungen der kolonialen Herrschaft, innerhalb derer die Lebensweise der bis dahin primitiven Völker aufgezeichnet wurde, erlangten die Männer tatsächlich Macht. Trotzdem verweist die Literatur immer wieder auf die Autonomie der Frauen und ihre Rolle bei der Beschlussfassung; auch wenn solche Daten oft mit vermeintlich humorvollen Anspielungen auf „Pantoffelhelden“ oder ähnliches abgetan werden, statt sie ernsthaft als Beleg für soziale Strukturen und Entwicklungen zu behandeln.

Leider hat die Debatte über den Status der Frauen in der primitiven Gesellschaft die tatsächliche Rolle der Frauen dort zugunsten einer fast ausschließlichen Konzentration auf Abstammungssysteme weitgehend ignoriert. Die wachsende Menge an Literatur über die Kulturen der Welt im späten 19. Jahrhundert zeigte, dass die Clans der Gartenbau-Völker in der Regel matrilinear sind und dass die Frauen oft formell an der „politischen“ Entscheidungsfindung teilnahmen. Morgan beschreibt die Macht, die die älteren Frauen unter den Irokesen bei der Ernennnung und möglichen Absetzung des Sachems101 hatten, und auch die Bedeutung der „Königinnenmütter“ in Afrika wurde beschrieben. Dort teilten sich eine Frau und ihr Bruder (oder Sohn oder Neffe) oft die Aufgaben eines Chefs oder Königs, die denen des Innen- bzw. Außenministeriums ähnelten. Und die prächtige Armee von Dahomey mit ungefähr 5000 freiwilligen Soldatinnen war die Verkörperung der legendären Amazonen schlechthin. All das erregte die Phantasie in einer so männerdominierten und eigentumsbewussten Kultur wie der viktorianischen Gesellschaft,102 und die Gelehrten sprachen von der patriarchalischen Gesellschaft, der historisch das „Martriarchat“ vorausging, in dem die Herrschaft der Frauen auf der Unanfechtbarkeit der Legitimität beruhte, die in der weiblichen Linie begründet wurde.

Es wurde bald klar, dass das Matriarchat im Sinne der Herrschaft der Frauen über die Männer, vergleichbar mit der späteren der Männer über die Frauen, nie existiert hat. Es blieben jedoch Fragen über die Bedeutung offen, die die matrilineare Abstammung für den Status der Frauen in der primitiven Gesellschaft hatte. Es ist unmöglich, hier über die Drehungen und Wendungen der späteren Auseinandersetzungen um das allgemeingültige vorausgehende Auftreten der matrilinearen Abstammung zu berichten. Es genügt zu sagen, dass es klar ist, dass das matrilineare System mit der Entwicklung der ausbeuterischen Klassenbeziehungen dem patrilinearen System weicht. In vielen Fällen kann gezeigt werden, dass ein patrilineares (oder patrilokales) System matrilinear (oder matrilokal) gewesen ist, aber in anderen Fällen sind die ethnografischen Daten nicht ausreichend für einen definitiven Beweis. Daher haben statistische Untersuchungen der Abstammung und ihrer Zusammenhänge zu widersprüchlichen Interpretationen geführt.103

Eine zeitgenössische Standardformulierung, zumindest in den USA, besagt, dass Gartenbau-Gesellschaften im Allgemeinen um matrilinear verwandte Gruppen herum strukturiert waren, da Frauen für den größten Teil der Landwirtschaft verantwortlich waren, dass aber Jagdgesellschaften aufgrund der Bedeutung der Männer als Jäger in ihrer Struktur männerzentriert waren. Die Tatsache, dass die von den Frauen gesammelten Produkte in vielen solchen Gesellschaften eine ebenso wichtige Nahrungsquelle waren oder sogar wichtiger als die Produkte der Jagd, veranlasste Service in einer neueren Formulierung dieser Position104 zu dem Hinweis, dass die Jagd eine enge Zusammenarbeit erforderte, die bei den meisten Sammeltätigkeiten nicht wichtig ist. Für Service war es die Notwendigkeit der „geschickten Koordination mehrerer Personen“, die zu der Praxis führte, dass eng verwandte Männer als Kern einer Jagdgruppe zusammenblieben, während die Frauen in andere Gruppen einheirateten. Es ist jedoch so, dass einige Jäger und Sammler matrilinear sind, und andere waren es in der jüngeren Vergangenheit auch. Meine eigene Feldforschung unter den Naskapi-Jägern der Labrador-Halbinsel hat gezeigt, dass patrilineare-patrilokale Bindungen nach dem europäischen Kontakt unter dem Einfluss von Missionaren, Regierungsvertretern und vor allem dem Pelzhandel auf Kosten matrilinearer-matrilokaler Bindungen verstärkt wurden.105 Trotz der Mühsal der Jagd in den nördlichen Wäldern und der Tundra gab es keinerlei Hinweise darauf, dass Männer zusammen aufwachsen mussten, um gut als Einheit zu arbeiten. Stattdessen war es in der Vergangenheit die Norm, dass Männer von der Horde ihrer Jugend weg heirateten.

In einer neueren Studie stellt Martin auch die „patrilokale Horde“ als Urtyp der sozialen Organisation in Frage. Auf der Grundlage der Überprüfung von Abstammungs- und Aufenthaltsmustern, von Beziehungen zwischen Horden, und der jüngeren Geschichte von 33 überwiegend matrilokalen südamerikanischen jagenden und sammelnden Völkern weist sie darauf hin, dass es einen größeren Zusammenhalt bei matrilokaler als bei patrilokaler Organisation gibt. Bei matrilokalem Wohnsitz sind die Männer, die für die Verteidigung und damit für die Offensive zuständig sind, auf verwandte Horden verteilt, anstatt lokalisierte Ansammlungen zu bilden.106

Werke, die sich direkt mit der Rolle der Frau in der primitiven Gesellschaft befassen, sind rar gesät, und vieles von dem, was erarbeitet wurde, bezieht sich eher auf die Persönlichkeit als auf die sozioökonomische Struktur. Margaret Meads frühe Darstellung der gegensätzlichen Definitionen von Geschlechterrollen in drei primitiven Gesellschaften ist ein Beispiel dafür.107 Interessanterweise widerspricht Mead ihrer eigenen Argumentation für die kulturelle Bestimmung der Geschlechterrolle durch ihre spätere Position, die in Übereinstimmung mit dem weithin akzeptierten Freudschen Denken für eine universelle Dichotomie aktiv vs. passiv argumentiert, die männliche und weibliche Rollen unterscheide.108 Im Gegensatz dazu steht ein frühes Buch von Mason, Women’s Share in Primitive Culture,109 und das Buch The Mothers110 von Briffault, einem Chirurgen, Romanautor und Amateur-Anthropologen. Diese fassen verstreute ethnographische Hinweise zusammen auf (1) die Rolle der Frauen bei der Entscheidungsfindung und der Verwaltung von Stammesangelegenheiten; (2) ihre Bedeutung als Erfinderinnen von Techniken für die Nahrungsmittelproduktion und die Herstellung von Körben, Lederwaren, gewebten Materialien usw.; und (3) ihre Rolle im rituellen und religiösen Leben. So beeindruckend die Aufzeichnungen über die Rolle der Frauen in der Gesellschaft auch erscheinen mögen, die Daten sind aus dem Kontext gerissen und scheinen im Widerspruch zu der großen Mehrheit der vorhandenen ethnographischen Materialien zu stehen, denn diese bewerten selten die Auswirkungen des Kolonialismus auf die beschriebenen Völker und konzentrieren sich im Allgemeinen auf die Aktivitäten und Angelegenheiten der Männer. (Letzteres ist nicht nur ein Problem der männlichen Voreingenommenheit, sondern auch auf die größere Leichtigkeit der Kommunikation mit Männern zurückzuführen, da diese viel häufiger mit Europäern in Kontakt gebracht werden und eine europäische Sprache sprechen.)

Eine ungewöhnlich detaillierte Studie über Frauen bei einem jagend-sammelnden Volk bietet Kaberrys Arbeit über die Ureinwohner Nordwestaustraliens.111 Es wird allgemein gesagt, dass der Status der Frauen bei diesem Volk niedrig sei, was sich darin zeige, dass sie von den wichtigen Zeremonien der Männer und von der Teilnahme an politischen Angelegenheiten ausgeschlossen seien. Kaberry weist darauf hin, dass die Männer wiederum aus den geheimen Ritualen der Frauen herausgehalten werden; und dass, während die Kriegsführung und das Abhalten von formellen Versammlungen in der alleinigen Verantwortung der Männer liegen, gruppeninterne Probleme von älteren Frauen zusammen mit älteren Männern behandelt werden. Frauen sind eingeschränkt, wen sie heiraten dürfen; Männer aber auch, und jungen Menschen steht es frei, voreheliche Affären zu haben, die von beiden Geschlechtern initiiert werden können. Im täglichen Leben treten diese australischen Frauen als autonome Teilnehmerinnen an den Angelegenheiten ihres Volkes auf, die selbstbewusst mit ihren Rechten und Pflichten umgehen, eine Ansicht, die durch eine neu veröffentlichte Studie über Tiwi-Frauen von Jane Goodale112 verstärkt wird.

In ähnlicher Weise widersprechen biographische Materialien über Eskimofrauen den gängigen Annahmen über ihre untergeordnete Rolle, auch wenn sich diese in jüngster Zeit verschlechtert hat. Die Biographie von Anauta,113 einer Eskimofrau aus dem Baffinland, die nach dem Tod ihres Mannes mit ihren Kindern in die Vereinigten Staaten auswanderte, zeigt ihre Unabhängigkeit im Handeln und ihren starken Sinn für persönliche Autonomie. Kurze Biographien von Eskimofrauen der Nunivak-Insel, von denen eine eine Schamanin ist (eine Person, die mit den übernatürlichen Kräften kommunizieren kann, meist zum Zwecke der Heilung und/oder Wahrsagung), weisen ebenfalls auf eine beträchtliche Entscheidungsfreiheit und einen Spielraum für Frauen hin, die Initiative für die Gestaltung ihres eigenen Lebens zu ergreifen.114

Die Stellung der Frauen bei dem jagenden Volk der Naskapi auf der Labrador-Halbinsel war in der Vergangenheit stärker als sie es heute ist. Jesuitenmissionare des siebzehnten Jahrhunderts, die über ihre Erfahrungen schreiben, stellen fest: „Die Frauen haben hier große Macht“, und: „Die Wahl der Pläne, der Unternehmungen, der Reisen, der Überwinterungen liegt in fast allen Fällen in den Händen der Hausfrau.“115 Ein Jesuit schimpft mit einem Mann, weil er nicht „der Herr“ ist, und sagt ihm: „In Frankreich herrschen die Frauen nicht über ihre Männer.“116 Die Frauen dazu zu bringen, ihren Ehemännern zu gehorchen, wurde zu einem der Anliegen der Missionare, vor allem in Bezug auf die davon betroffene sexuelle Freiheit: „Ich sagte ihm, dass es für eine Frau nicht ehrenhaft sei, einen anderen als ihren Ehemann zu lieben, und dass er, da dieses Übel unter ihnen sei (die sexuelle Freiheit der Frauen), selbst nicht sicher sei, dass sein Sohn, der dort anwesend war, sein Sohn sei.“ Die Antwort des Naskapi ist aufschlussreich: „Du hast keinen Verstand. Ihr Franzosen liebt nur eure eigenen Kinder; wir aber lieben alle Kinder unseres Stammes.“117

Frauen sind nicht mehr Schamanen, wie sie es in der Vergangenheit sein konnten, sie jagen auch üblicherweise nicht mehr, gehen nicht mehr mit den Männern ins Schwitzbad und halten auch keine eigenen formellen Räte für Notfälle ab.118 Doch die Traditionen der individuellen Autonomie, der gegenseitigen Unterstützung und der kollektiven Verantwortung für die Kinder prägen trotz großer Veränderungen immer noch das Leben der Naskapi. Eine von vielen Begebenheiten, die ich beobachtet habe, muss genügen, um aufzuzeigen, was hinter stereotypen Zuschreibungen in monographischen Berichten über solche Menschen stecken kann wie dieser: Die Männer jagen; die Frauen sammeln Beeren und versorgen die Kinder. Ein Mann saß den größten Teil eines Tages geduldig und liebevoll über seinem kränklichen und unruhigen Säugling, der erst ein paar Wochen alt war. Seine Frau war beschäftigt. Obwohl er um die Gesundheit des Babys besorgt war, wirkte er in keiner Weise ungeschickt oder von seiner Verantwortung bedrängt, noch rief er eine andere Frau im Lager um Hilfe. Seine unbefangene Selbstsicherheit und Geduld heben ihn von den späteren Lesern von Dr. Spock119 deutlich ab. Dies war seine Aufgabe, während seine Frau ein Karibu-Fell gerbte, eine geschickte und mühsame Arbeit, die ihre ganze Aufmerksamkeit erforderte. Die Männer wussten, wie man kocht und die Babys pflegt, wenn sie dazu aufgefordert wurden, aber sie wussten nicht, wie man Leder gerbt.

Es besteht ein echter Bedarf an Studien, die aus vorhandenem Material über primitive kommunale und Übergangsgesellschaften etwas über das Wirken von Frauen vor der Entwicklung der männlichen Dominanz rekonstruieren, die mit der europäischen wirtschaftlichen und kolonialen Ausbeutung einherging. Wie wurden z.B. Waren in Gartenbaugesellschaften verteilt, in denen Gartenprodukte noch in der Domäne der Frauen lagen? Wie wirkten ältere Frauen bei der Schlichtung von Streitigkeiten, einer Rolle, die oft erwähnt, aber wenig dokumentiert wurde? Welche Einflussmöglichkeiten hatten die Frauen in Bezug auf die Männersphäre des Krieges und der Jagd? Umgekehrt: Welche Rolle spielten die Männer bei der Sozialisierung der Kleinkinder? Eine neuere Analyse von Mintz120 über die unternehmerische Rolle von Yoruba-Händlerinnen ist ein Beispiel dafür, wie veröffentlichte Daten genutzt werden können, um mit der Beantwortung solcher Fragen zu beginnen.

Ein interessantes Thema für eine Neubewertung ist die Mystik, die die Jagd umgibt, und im Vergleich dazu diejenige, die die Geburt eines Kindes umgibt. Eine gängige Darstellung des Status unter Jägern und Sammlern übersieht Letzteres und betont die Bedeutung und den Reiz der Jagd. Auch wenn die pflanzlichen Produkte, die von den Frauen geliefert werden, die primären Grundnahrungsmittel sind, bringen sie, wie betont wird, kein Prestige, so dass die Frauen zwar nicht gerade unterwürfig sind, aber dennoch einen niedrigeren Status haben als die Männer. Die weibliche Gebärkraft war jedoch schon im Jungpaläolithikum ein Gegenstand der Ehrfurcht und sogar der Angst, wenn man die Fruchtbarkeitsfiguren aus dieser Zeit betrachtet. Dieser Punkt ist leicht zu übersehen, denn die Fähigkeit, Kinder zu gebären, hat in unserer Gesellschaft nicht zu Respekt, sondern zu einem unterdrückten Status der Frau geführt. Ebenso unterschätzt wird die Mystik, die die Menstruation umgibt. Einstellungen, bei denen es um Geheimnisse und Gefahren für Männer geht, werden im Sinne unseres kulturellen Urteils von „Unreinheit“ interpretiert. In der Tat wäre es amüsant, die semantischen Verdrehungen zu diesem Thema zu analysieren. Es wird davon gesprochen, dass Frauen in „Menstruationshütten“ „isoliert“ werden, damit die Männer nicht beschmutzt werden. Wo Männerhäuser existieren, wird jedoch respektvoll über sie geschrieben; hier zeugt der Ausschluss von Frauen von der hohen Stellung der Männer. Zweifellos wurde dieses Sammelsurium an Einstellungen zuerst von Missionaren und Händlern vertreten, und von ihnen lernten die unterworfenen Völker, den Weißen gegenüber angemessene Haltungen zum Ausdruck zu bringen.

Eine neuere Studie von Hogbin121 über die Religion eines Volkes in Neuguinea zeigt jedoch eine andere Seite des Bildes. Die Studie mit dem interessanten Titel The Island of Menstruating Men122 beschreibt eine Praxis, die auch bei anderen Völkern in diesem Teil der Welt zu finden ist, wobei die Männer das Phänomen der Menstruation simulieren. Das Blut wird aus dem Penis (oder bei anderen Gruppen aus einem anderen Körperteil) entnommen, und die Männer durchlaufen den rituellen Zyklus der Menstruation, wobei sie sich aus dem normalen Tagesablauf zurückziehen, verschiedene Tabus beachten und dann gereinigt und erneuert wieder zurückkehren.

In gewisser Weise ist es die ultimative Entfremdung in unserer Gesellschaft, dass die Fähigkeit, ein Kind zu gebären, zu einer Belastung geworden ist. Der Grund dafür ist nicht nur, dass Frauen, da sie Kinder gebären, in ihren Bewegungen und Aktivitäten stärker eingeschränkt sind. Wie die vorangegangene Diskussion zeigt, war dies auch mit der begrenzten Technologie des Jäger-Sammler-Lebens kein Nachteil; heute hat es sicherlich keinerlei Relevanz mehr. Der niedrige Status der Frauen folgte auch nicht einfach ihrer abnehmenden Bedeutung in der Nahrungsmittelproduktion, als die Männer in die Landwirtschaft wechselten; er folgte auch nicht automatisch dem Bedeutungszuwachs der Haustiere, der Domäne der Männer, obwohl die Viehhaltung mit einem niedrigeren Status der Frauen verbunden war. Grundlegend war jedoch, dass diese Übergänge im Kontext sich entwickelnder Ausbeutungsverhältnisse stattfanden, wobei das Gemeinschaftseigentum untergraben, die gemeinschaftliche Verwandtschaftsgruppe aufgelöst und die einzelne Familie als isolierte und verletzliche Einheit herausgelöst wurde, die wirtschaftlich für den Unterhalt ihrer Mitglieder und für die Aufzucht der neuen Generation verantwortlich war. Die Unterwerfung des weiblichen Geschlechts beruhte auf der Umwandlung ihrer gesellschaftlich notwendigen Arbeit in eine private Dienstleistung durch die Trennung der Familie von der Sippe. Das war der Zusammenhang, unter dem es dazu kam, dass die häusliche und andere Arbeit von Frauen unter Bedingungen annähernder Sklaverei ausgeführt wurde.

Die Trennung der Familie von der Sippe und die Institution der monogamen Ehe waren der gesellschaftliche Ausdruck der Entwicklung des Privateigentums; die sogenannte Monogamie ermöglichte die individuelle Vererbung von Eigentum. Und Privateigentum für die einen bedeutete kein Eigentum für die anderen, oder das Entstehen unterschiedlicher Beziehungen zur Produktion seitens verschiedener gesellschaftlicher Gruppen. Der Kern von Engels’ Formulierung liegt in dem engen Zusammenhang zwischen der Entstehung der Familie als einer vom Mann dominierten ökonomischen Einheit und dieser Entwicklung von Klassen.

„Der Unterschied von Reichen und Ärmeren tritt neben den von Freien und Sklaven – mit der neuen Arbeitsteilung eine neue Spaltung der Gesellschaft in Klassen. … der Übergang in volles Privateigentum vollzieht sich allmählich und parallel mit dem Übergang der Paarungsehe in Monogamie. Die Einzelfamilie fängt an, die wirtschaftliche Einheit in der Gesellschaft zu werden.“123

Engels skizziert für das frühe Griechenland, wie durch die Arbeitsteilung und die Entwicklung der Warenproduktion von einzelnen Individuen neuer Reichtum in Form von Sklaven und Herden angehäuft werden konnte, was zu einem Konflikt zwischen der Familie und der Gens führte. Da die Männer die „Arbeitsmittel“124 besaßen (da sie, wohlgemerkt, die Frauen auf den Feldern nach dem Niedergang der Jagd als wichtiger Tätigkeit weitgehend verdrängt hatten), nahm der Konflikt zwischen Familie und Gens die Form eines Konflikts zwischen den gegensätzlichen Prinzipien von Vaterrecht und Mutterrecht an. „In dem Verhältnis also, wie die Reichtümer sich mehrten, gaben sie … dem Mann eine wichtigere Stellung in der Familie als der Frau und erzeugten … den Antrieb, diese verstärkte Stellung zu benutzen, um die hergebrachte Erbfolge zugunsten der Kinder umzustoßen.“125 Daher wurde die Herausbildung der Familie als ökonomische Einheit der Gesellschaft durch den Umsturz des Mutterrechts bekräftigt, durch die „weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts“.126

Um den Prozess der Unterwerfung der Frauen zu klären, sowohl in Bezug auf den anfänglichen Aufstieg der Klassengesellschaften in der Alten und Neuen Welt als auch auf die nachgelagerte Verbreitung der Warenproduktion und der Klassenspaltungen, die mit der europäischen Expansion und der kolonialen Herrschaft einhergingen, ist weit mehr empirische Dokumentation nötig, als Engels bietet. Im Wesentlichen stellt Engels ein Paradigma vor, indem er einen scharfen Kontrast zwischen dem Status der Frauen in der primitiven gemeinschaftlichen Gesellschaft und im klassischen Griechenland und Rom aufzeigt. Dann streift er das mittelalterliche Europa und springt zur Industrialisierung. Die vielen Veränderungen innerhalb der großen Spannweite der Geschichte, die abgedeckt wird, und die Variationen von Ort zu Ort bedürfen der Analyse, und, was noch wichtiger ist, auch die Variationen in der Stellung der Frauen in den verschiedenen Klassen: Sklaven, freie Arbeiter, Bauern, Leibeigene, Bürger, Aristokraten.

Engels fokussiert auf die Entstehung der großbürgerlichen Familie als Instrument zur Konzentration des individuellen Reichtums. Er definiert nicht klar, dass die Familie der Unterschicht eine wichtige Stütze der Klassengesellschaft darstellt, indem sie das Individuum akut anfällig für Ausbeutung und Kontrolle macht. Die Trennung des einfachen Arbeiters von der gemeinschaftlichen Sicherheit der Gens bedeutete, dass der Arbeiter als Individuum nicht nur für seinen eigenen Unterhalt verantwortlich war, sondern auch für den seiner Frau und Kinder. Dies stellte in hohem Maße nicht nur seine Arbeit sicher, sondern auch seine Fügsamkeit; es machte ihn so, wie er bis heute ist – ängstlich, gegen die Extreme der Ausbeutung zu kämpfen, da er nicht nur sich selbst, sondern auch seine Frau und seine abhängigen Kinder gefährden würde. Mit wunderbarem Witz und Satire und herzlicher Sympathie behandelt Engels die ehelichen Beziehungen, die durch die Monogamie hervorgebracht werden, aber hauptsächlich in Bezug auf die bürgerliche Familie. Er schreibt von der proletarischen Ehefrau, die unter großen Schwierigkeiten für sich und ihre Kinder in die öffentliche Industrie geht, erläutert aber nicht näher die enormen Ambivalenzen, die die individuelle Familie im Arbeiter und seiner Frau aufgrund von deren Isolation erzeugt.

Die Entmenschlichung der ehelichen Beziehungen, da Männer und Frauen in einem Netz von Angst und Verwirrung gefangen sind; die Verrohung und kleinliche Dominanz des Mannes; die Wut und Bitterkeit der Frau; das Wesen der Ehe, allzu oft als ein ständiger Kampf – all das ist nur zu gut bekannt. Trotz der Tatsache, dass die untersuchten Vorklassengesellschaften bereits durch die europäische und amerikanische Kolonialisierung untergraben wurden, bleibt eine Qualität von respektvoller Leichtigkeit, Wärme und Sicherheit in den zwischenmenschlichen Beziehungen, einschließlich derjenigen zwischen Mann und Frau, oft als Beweis dafür bestehen, dass die Spannungen, die mit den ehelichen Beziehungen in unserer Gesellschaft verbunden sind, in unserer sozialen Struktur und nicht in der Natur von Frauen und Männern begründet sind.

Politische Schlussfolgerungen aus Engels’ Argumentation zur Frauenunterdrückung

Engels schreibt, „der eigentümliche Charakter der Herrschaft des Mannes über die Frau in der modernen Familie … [wird] erst dann in grelles Tageslicht treten, sobald beide juristisch vollkommen gleichberechtigt sind“,127 obwohl die juristische Gleichberechtigung an sich keine Lösung bietet. Genau wie die juristische Gleichberechtigung von Kapitalist und Proletarier den „spezifische[n] Charakter der auf dem Proletariat lastenden ökonomischen Unterdrückung sichtbar macht“,128 so wird auch die juristische Gleichberechtigung die grundlegende Veränderung enthüllen, die für die Befreiung der Frauen notwendig ist. Engels fährt fort: „Es wird sich dann zeigen, daß die Befreiung der Frau zur ersten Vorbedingung hat die Wiedereinführung des ganzen weiblichen Geschlechts in die öffentliche Industrie, und daß dies wieder erfordert die Beseitigung der Eigenschaft der Einzelfamilie als wirtschaftlicher Einheit der Gesellschaft.“129

Eine solche Veränderung ist von der Abschaffung des Privateigentums abhängig. „Mit dem Übergang der Produktionsmittel in Gemeineigentum hört die Einzelfamilie auf, wirtschaftliche Einheit der Gesellschaft zu sein. Die Privathaushaltung verwandelt sich in eine gesellschaftliche Industrie. Die Pflege und Erziehung der Kinder wird öffentliche Angelegenheit; die Gesellschaft sorgt für alle Kinder gleichmäßig“.130 Nur wenn das alles vollendet ist, wird eine neue Generation von Frauen heranwachsen, schreibt Engels, „die nie in den Fall gekommen sind, weder aus irgendwelchen andern Rücksichten als wirklicher Liebe sich einem Mann hinzugeben, noch dem Geliebten die Hingabe zu verweigern aus Furcht vor den ökonomischen Folgen“.131 Männer und Frauen werden „sich den Teufel darum scheren, was man heute glaubt, daß sie tun sollen; sie werden sich ihre eigne Praxis und ihre danach abgemeßne öffentliche Meinung über die Praxis jedes einzelnen selbst machen – Punktum“.132 Dazu muss heute hinzugefügt werden, dass die Zerstörung der Familie als einer ökonomischen Einheit nicht automatisch mit der Errichtung des Sozialismus einhergeht, sondern eher eines der Ziele ist, die als zentral für den Übergang zum Kommunismus zu erkämpfen sind.133

In letzter Zeit gab es viele Diskussionen darüber, inwieweit Frauen ein gewisses Maß an persönlicher „Befreiung“ erreichen können, indem sie die Geschlechterrollendefinitionen der heutigen „monogamen“ Familie ablehnen, und über die Bedeutung, die eine solche Ablehnung für die Förderung der revolutionären Ziele und des Bewusstseins haben kann. Es gab auch eine beachtliche Auseinandersetzung über die Ursachen für die untergeordnete Stellung der Frauen, sie reichten von der extrem psychobiologischen Ansicht, die den Grund im angeborenen männlichen Drang zur Dominanz sieht, der nur durch einen beharrlichen „Kampf der Geschlechter“ verändert werden kann, bis hin zur äußerst ökonomisch deterministischen und im allgemeinen männlichen Ansicht, dass es sowohl illusorisch als auch ablenkend ist, sich auf die Verbesserung der besonderen Probleme der Frauen zu konzentrieren, da doch alle grundlegenden Veränderungen letzlich von der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft abhängen.

Während es immer noch viele abstrakte Diskussionen über die richtige Position zur Befreiung der Frauen gibt, wächst auch die Einsicht, dass es fruchtlos ist darüber zu diskutieren, in welchem Ausmaß verschiedene Teile der Frauenbewegung mit revolutionären Zielen verknüpft werden können oder auch nicht, und es wächst die Bereitschaft zur Entwicklung konkreter programmatischer und organisatorischer Taktiken in solchen Situationen, wo Frauen in grundlegenden Fragen in Bewegung sind. Es mag scheinen, dass Engels’ Diskussion über Familiensysteme, die längst nicht mehr in ihren ursprünglichen Formen existieren, heute etwas esoterisch und von geringer Relevanz ist. Es ist bei der Organisation der Frauen für ihre Befreiung jedoch wesentlich zu verstehen, dass die monogame Familie als ökonomische Einheit, im Herzen der Klassengesellschaft, die Grundlage für ihre Unterwerfung ist. Ein solches Verständnis macht deutlich, dass das Kinderkriegen an sich nicht verantwortlich für die geringe Stellung der Frauen ist, wie von einigen radikalen Frauengruppen behauptet wird. Und was noch wichtiger ist, es zeigt den Weg, auf dem Arbeiterfrauen, nicht nur in ihrem offensichtlich grundlegenden Kampf bei der Arbeit, sondern auch bei ihren scheinbar konservativeren Schlachten rund um Schule, Haushalt und Wohlergehen, tatsächlich eine grundsätzlichere Forderung stellen als die der Radikalen. Indem sie fordern, dass die Gesellschaft Verantwortung für ihre Kinder übernimmt, greifen sie die Familie als ökonomische Einheit an, die Grundlage ihrer eigenen Unterdrückung und einen zentralen Stützpfeiler der Klassenausbeutung. Während also einige Aktivitäten von bürgerlichen radikalen Frauengruppen, wie der Kampf für kostenlosen und legalen Schwangerschaftsabbruch, mit den Kämpfen der Arbeiterfrauen verbunden werden können, sind andere so psychologisch orientiert, dass sie verwirrend und spaltend sind.

Die selbst erklärte Frauenbewegung dieses Landes134 war historisch kleinbürgerlich und weitgehend ausgerichtet als ein Kampf innerhalb des Systems für dieselben Möglichkeiten wie die der kleinbürgerlichen Männer, während die Kämpfe der Arbeiterinnen nicht als Kämpfe für die Befreiung der Frauen als solche verstanden worden sind. Dies war seit dem Ende des Bürgerkrieges der Fall, als die Frauenbewegung, die eng mit dem Kampf gegen die Sklaverei und für die Rechte der Arbeiterinnen in den Fabriken verbunden gewesen war, sich auf ihren „feministischen“ Kurs aufmachte. Heute gibt es ein breiteres Bewusstsein dafür, dass alle Unterdrückungsverhältnisse miteinander verbunden und in unser System als Ganzes eingebettet sind und dass nur vereinte Anstrengungen grundlegende Änderungen bewirken können. Allerdings gibt es wenig klare und konsequente Bemühungen, diese Geschlossenheit zu erreichen. Beispielsweise sind die von berufstätigen Frauen im Kampf gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz gebildeten Komitees in der Regel bereit, offen zu bekennen, dass ihr Kampf letztlich untrennbar mit dem der Arbeiterklasse und insbesondere der schwarzen Arbeiterinnen verbunden ist, aber sie haben praktisch nichts unternommen, um Wege zu finden, diese beiden miteinander zu verbinden. Und es ist eine Binsenweisheit, darauf hinzuweisen, dass es trotz grundlegender Unterschiede zwischen der Unterdrückung von Frauen und der Unterdrückung von Schwarzen deutliche Parallelen sowohl ökonomischer als auch sozialpsychologischer Natur gibt – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Hälfte der schwarzen Menschen Frauen sind. Und noch einmal, es gab kein fundiertes Engagement, zu bestimmten Themen organisatorische Bindungen zwischen diesen beiden Bewegungen aufzubauen. Die theoretische Unterscheidung zwischen den Symptomen und den Gründen für die Unterdrückung der Frauen kann helfen, die Themen herauszuarbeiten, für die eine gemeinsame Organisation aufgebaut werden muss, und sie kann helfen, die Hürden zu beseitigen, die das enorme Potenzial behindern, das die Frauenbewegung für die Vereinigung von Teilen der Mittelschicht und der Arbeiterklasse und für die Überbrückung eines Teils der verhängnisvollen Kluft zwischen weißen und schwarzen Arbeitern, puerto-ricanischen und mexikanisch-amerikanischen Arbeitern hat. Bei diesem Bemühen muss man sich jedoch vor der gewissen bedenklichen Eigenart vieler weißer Frauen aus der Mittelschicht (ähnlich ihren männlichen Pendants) in Acht nehmen, sich von dem Selbstbewusstsein des Kampfes für die Befreiung der Schwarzen angezogen und begeistert zu fühlen und ihre Verantwortung dafür zu vernachlässigen, auch ein Bündnis mit den weißen Arbeiterinnen und Arbeitern aufzubauen.

Ein theoretisches Verständnis ist dringend nötig, um die Schwierigkeiten zu bekämpfen, die der Frauenbewegung weiterhin zu schaffen machen werden. Die männliche Vorherrschaft, die enormen Schwierigkeiten, die Männer damit haben, sich ihren jämmerlichen Überlegenheitsgefühlen und der Zurschaustellung kleinlicher Macht gegenüber Frauen zu stellen, selbst wenn sie sich theoretisch der revolutionären Veränderung verschrieben haben – all das wird weiterhin eine oft engstirnige Anti-Männer-Orientierung unter den „Frauen der Bewegung“ nähren; und die Medien werden dies weiterhin als Werbetrick ausnutzen, der gleichzeitig dazu dient, Zigaretten und Shampoo zu verkaufen, Energien zu vergeuden und die Frauen untereinander und von dem, was gemeinsame Kämpfe sein sollten, zu trennen. Wie in der Black-Power-Bewegung wird für manche die bloße Möglichkeit einer offenen Konfrontation das Bedürfnis bedienen, eine große aufgestaute Wut auszudrücken, und symbolische Siege werden für einige Zeit dazu dienen, die Illusion eines gewissen Erfolgs zu erzeugen. Die überwältigende Notwendigkeit besteht darin, diese mächtige Wut nicht verpuffen zu lassen – und Wege zu finden, um darauf aufbauend organisatorisch sinnvolle Schritte zu gehen.

Die Entstehung des Staates

Morgans Dokumentation des Übergangs von der verwandtschaftlich organisierten zur politisch organisierten Gesellschaft im antiken Griechenland und Rom betonte eher die Zunahme des Privateigentums an sich als die Entwicklung von Klassen auf der Grundlage von unterschiedlichen Beziehungen zu Mitteln und Quellen des Lebensunterhalts. Morgan ignorierte praktisch die Tatsache, dass Griechenland eine Sklavengesellschaft war. Folglich ergänzte Engels Morgans Daten über den Staat der Athener um „den sie erzeugenden ökonomischen Inhalt“,135 insbesondere die Teilung der Arbeit und ihre Auswirkungen. Innerhalb der „auf Geschlechtsbande begründeten Gliederung der Gesellschaft entwickelt sich indes die Produktivität der Arbeit mehr und mehr; mit ihr Privateigentum und Austausch, Unterschiede des Reichtums, Verwertbarkeit fremder Arbeitskraft und damit die Grundlage von Klassengegensätzen“,136 schreibt Engels. Die Unvereinbarkeit dieser „neue[n] soziale[n] Elemente“137 mit der „alte[n] Gesellschaftsverfassung“138 bewirkt eine völlige Umwälzung. „Die Gentilverfassung … war gesprengt durch die Teilung der Arbeit, und ihr Ergebnis, die Spaltung der Gesellschaft in Klassen. Sie wurde ersetzt durch den Staat.“139

Die Irokesen-Konföderation, fährt Engels fort, verkörperte die höchste Form der politischen Organisation, die innerhalb des Gentil-Systems möglich war. Innerhalb der Grenzen, die ihnen durch den Stand ihrer Technologie gesetzt sind, kontrollieren die Irokesen ihre eigene Produktion. In der Frühzeit Griechenlands führen die fortschreitenden Technologien und die Erzeugung eines Überschusses zu einer Teilung der Arbeit zwischen Hirten und Landwirten und zwischen Landwirten und Handwerkern – diese „schiebt“ sich „in [den] Produktionsprozeß … langsam ein“.140 Waren werden in Tauschmittel umgewandelt; die Produzenten verlieren die Kontrolle über ihre Produkte; die Anhäufung von individuellem Reichtum und die Teilung der Gesellschaft in privilegierte und nicht privilegierte Klassen wird möglich. Die Sklaverei, profitabel gemacht durch verbesserte Produktionstechniken, ist zunächst auf Kriegsgefangene beschränkt, wird aber dann auf Stammesangehörige ausgeweitet. Privatbesitz entsteht durch die Weitergabe von Eigentum innerhalb der Familienlinien und nicht innerhalb der größeren Verwandtschaftsgruppe, und die Familie wird zu einer Kraft gegen die Gens. Die gentile Verfassung war aus einer Gesellschaft ohne innere Widersprüche erwachsen, und ihre Wirksamkeit hing von der Durchsetzungsstärke der öffentlichen Meinung ab. Die neuen Entwicklungen jedoch erzeugten „eine Gesellschaft …, die kraft ihrer sämtlicher ökonomischer Lebensbedingungen sich in Freie und Sklaven, in ausbeutende Reiche und ausgebeutete Arme hatte spalten müssen, eine Gesellschaft, die diese Gegensätze nicht nur nicht wieder versöhnen konnte, sondern sie immer mehr auf die Spitze treiben mußte“.141 Der Staat war die neue Institution, die, als Instrument der ausbeutenden Klasse, „scheinbar über den widerstreitenden Klassen stehend, ihren offnen Konflikt niederdrückte und den Klassenkampf höchstens auf ökonomischem Gebiet, in sogenannter gesetzlicher Form, sich ausfechten ließ“.142

Üblicherweise wurde Engels’ Argument von der Boas’schen Schule der US-amerikanischen Anthropologie nirgends direkt aufgegriffen. Robert H. Lowie jedoch, ein führender Vertreter dieser Schule und wichtiger Gegenspieler von Morgan, schrieb The Origin of the State,143 wo er die Position vertrat, dass der Staat allgemeingültig war, und sei es in noch so rudimentärer Form, weil „auch ungebildete Völker die politische Ordnung innerhalb fester territorialer Grenzen aufrecht erhalten“.144 Wenn das „Prinzip der Kontinuität und psychischen Einheit“ richtig ist, schreibt er, dann können wir „die Prozesse aufdecken, die eine Gemeinschaft des andamanischen Modells in die ausgeklügelte Struktur der modernen Zeit verwandeln könnten“.145 Für Lowie beinhaltete die Entwicklung des Staates eine rein quantitative Veränderung – die Stärkung des Gefühls für das Heimatland. Auf die Frage, wodurch die territoriale Bindung gestärkt werde, antwortete er: „Obwohl die permanente Konzentration der Macht in der Hand einer einzigen Person … der einfachste Weg ist, die territoriale Bindung durchzusetzen, ist es nicht der einzige.“146 Als einen anderen Weg deutete er an, dass ein Zwang auch von einer Gruppe ausgeübt werden kann. Somit endete er, womit Engels begann, dem Problem, wie die Macht über den Rest der Gesellschaft in der Hand von wenigen zentralisiert wird oder, als Folge davon, der Frage, wie zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt der Staat entstand.

Obwohl die Anthropologen in den Vereinigten Staaten Lowies Theorie vom Staat selten direkt kritisierten, hat sie keinen großen Einfluss mehr. Im Einklang mit einer wiedererwachten evolutionären Perspektive ist es unter den zeitgenössischen Anthropologen weitgehend anerkannt, dass der Staat als eine qualitativ neue Institution entstand, die mit ausgeprägten wirtschaftlichen Ungleichheiten, einer gut entwickelten Arbeitsteilung und großen städtischen Zentren verbunden war. Außerdem wird der Gebrauch von Zwangsmaßnahmen zur Kontrolle einer territorial gebundenen Bürgerschaft im Allgemeinen durch die Anthropologen als ein wesentliches Merkmal einer Staatsorganisation angesehen.147

Trotzdem wird Engels’ Werk im Westen in wissenschaftlichen Untersuchungen über die Entstehung des Staates selten erwähnt. Das ist natürlich typisch für die Schludrigkeit, mit der marxistische Theorie behandelt wird. Es gibt in diesem Fall jedoch einen anderen Gesichtspunkt, denn Griechenland und Rom sind leider zu lange her, um gute Vorbilder für die Entwicklung des Staates zu sein, wenn man sie zu eng anlegt. Der Ursprung ist ein ziemlich knappes und pointiertes Buch, in dem eine eindringliche Gegenüberstellung der gemeinschaftlichen Beziehungen in der Urgesellschaft und den daraus entstehenden Ausbeutungsverhältnissen vorgelegt wird. Es wirft ein scharfes Licht auf das Wesen der Familie als einer ökonomischen Einheit und den Staat als den Arm der ausbeutenden Klasse, beides Institutionen, die aufgehoben werden müssen, wenn freiere Beziehungen zwischen den Menschen erreicht werden sollen. Als das von Engels beschriebene athenische Griechenland das Modell für den Übergang von einer klassenlosen zu einer klassenbasierten Gesellschaft wurde, verfestigte sich unglücklicherweise das Konzept einer sklavenhaltenden „Epoche“ derart, dass es einfach nicht auf die über 2000-jährige frühere Geschichte angewendet werden konnte, während derer eine staatlich organisierte und klassenbasierte Gesellschaft existiert hatte. Das Beharren auf einer zu wörtlichen Interpretation eines athenischen Modells führt zu einer aussichtslosen „eurozentrischen“ Position, die Griechenland und Rom zu übermäßig wichtigen Positionen erhebt, die antiken Zivilisationen von Asien und Nordwestafrika verzerrt und die Staaten von Westafrika und Mittel- und Südamerika praktisch ignoriert. (Ganz ähnlich hat die stillschweigende Annahme eines besonderen europäischen Modells des Feudalismus die Deutung des Orients durch westliche Gelehrte durcheinander gebracht.)

Es war für Wissenschaftler rätselhaft, dass Engels die „asiatische“ oder „orientalische“ Produktionsweise nicht erwähnte, die Marx als charakteristisch für einige dieser Gesellschaften benannte und die er im Kapital am Beispiel des dörflichen Indien illustrierte.148 In den alten indischen Gemeinschaften bleibt das Land im gemeinsamen Besitz von Großfamilien oder Dorfgruppen und der Hauptteil der Produktion ist für den direkten Verbrauch bestimmt. Handwerker und andere Spezialisten, die in der Gemeinschaft leben, produzieren Güter und Dienstleistungen direkt für sie und werden im Gegenzug von ihr versorgt. Güter werden, bis auf den überschüssigen Anteil, der vom Staat in Form von Naturalien eingezogen wird, nicht zu Waren.149 Marx schrieb:

„In den altasiatischen, antiken usw. Produktionsweisen spielt die Verwandlung des Produkts in Ware, und daher das Dasein der Menschen als Warenproduzenten, eine untergeordnete Rolle, die jedoch um so bedeutender wird, je mehr die Gemeinwesen in das Stadium ihres Untergangs treten. Eigentliche Handelsvölker existieren nur in den Intermundien der alten Welt…“150

Engels verweist auf diese Form der Beziehungen im Anti-Dühring,151 aber leider nicht im Ursprung. Er fügt jedoch seiner Analyse von Morgans Material über Griechenland und Rom den Fall Deutschlands hinzu; dort „entspringt der Staat direkt aus der Eroberung großer fremder Gebiete, die zu beherrschen die Gentilverfassung keine Mittel bietet“.152 Bei der germanischen Eroberung Roms bleibt „die ökonomische Basis der Gesellschaft … also die alte …, deshalb kann sich die Gentilverfassung lange Jahrhunderte hindurch … forterhalten“.153 Dies ist jedoch ein sekundärer, nicht primärer Mechanismus der Staatsbildung. Im Gegensatz zu anderen „Eroberungstheorien“ der Staatsentstehung154 betonte Engels, dass der Staat in seiner „reinsten“155 Form „direkt und vorherrschend aus den Klassengegensätzen [entspringt], die sich innerhalb der Gentilgesellschaft selbst entwickeln“,156 und er verwendete die athenische Erfahrung, um den Prozess zu veranschaulichen, durch den dies geschah.

Zusammenfassend schrieb Engels:

„Die Stufe der Warenproduktion, womit die Zivilisation beginnt, wird ökonomisch bezeichnet durch die Einführung 1. des Metallgeldes, damit des Geldkapitals, des Zinses und Wuchers; 2. der Kaufleute als vermittelnder Klasse zwischen den Produzenten; 3. des Privatgrundeigentums und der Hypothek und 4. der Sklavenarbeit als herrschender Produktionsform.“157

Damit verbunden waren auch die männerdominierte monogame Familie als ökonomische Einheit der Gesellschaft, die „Fixierung des Gegensatzes von Stadt und Land als der Grundlage der gesamten gesellschaftlichen Arbeitsteilung“158 und „die Einführung der Testamente, wodurch der Eigentümer auch noch über seinen Tod hinaus über sein Eigentum verfügen kann“.159 Weiter: „Die Zusammenfassung der zivilisierten Gesellschaft ist der Staat, der in allen mustergültigen Perioden ausnahmslos der Staat der herrschenden Klasse ist und in allen Fällen wesentlich Maschine zur Niederhaltung der unterdrückten, ausgebeuteten Klasse bleibt.“160

Die Tatsache, dass im Athen des siebten Jahrhunderts161 die von Engels skizzierten damit verbundenen Prozesse, die sich seit Jahrtausenden entfaltet hatten, zu ihrer vollen Blüte kamen, macht es als Paradigma für die Entstehung des Staates sowohl nützlich als auch irreführend. Das Beispiel Athens ist zwar nützlich für die Analyse der Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, die mit dem verbunden sind, was als Zivilisation bezeichnet wurde. Der Fall Athen ist jedoch irreführend, wenn diese Prozesse so betrachtet werden, als würden sie sich in anderen Fällen in der gleichen Reihenfolge entfalten. Dies gilt im Allgemeinen für sekundäre Entwicklungen der Klassen- und politischen Organisation, wie sie durch die europäische Eroberung ausgelöst wurden, die bestimmte Prozesse in einem sehr kurzen Zeitraum zusammenfassen und sie dadurch gleichzeitig verschärfen und im Vergleich zu primären oder autonomen Entwicklungen verzerren.

Auf der ionischen Halbinsel waren die mit der Clangesellschaft verbundenen Institutionen bereits durch genau die Art „orientalische Produktionsweise“162 untergraben worden, die Marx beschrieb, und während der klassischen Periode gelangten Sklavenarbeit und Warenproduktion rasch zur Vorherrschaft. In der Tat beruhte die Blütezeit Athens auf dem Wachstum der Warenproduktion. Als kleine seefahrende kosmopolitische Handelsnation gehörte Athen zu jenen „Intermundien“,163 in denen der Handel von einer am Profit interessierten Kaufmannsschicht betrieben wurde, während der meiste Handel im antiken Nahen Osten von einem Staatsapparat betrieben wurde, der mit einer Priesterschaft oder Aristokratie verbunden war, mit dem Ziel, Baumaterialien, Luxusartikel und Sklaven zu erwerben. In der Antike gab es schon lange verschiedene Formen von Geld, aber das Münzgeld wurde erst notwendig, als die Warenproduktion und der Handel ausreichende Ausmaße erreichten, um es zu rechtfertigen. Sein Gebrauch verbreitete sich erst recht spät, als Athen es entweder von Lydien oder einem anderen der zeitgenössischen handeltreibenden Stadtstaaten entlehnte.164

Die ursprünglichen Entwicklungen des Staates hatten im antiken Mesopotamien und Ägypten über zwei Jahrtausende früher stattgefunden, und obwohl es immer noch Uneinigkeit darüber gibt, wie wichtig die Sklavenhaltung vor dem ersten Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien war, besteht größere Einigkeit darüber, dass sie als Arbeitsform in Ägypten bis zu dieser Zeit nicht dominant war. Auch in den frühen chinesischen Staaten war sie offenbar nicht vorherrschend. Sowohl in den mittelalterlichen Staaten Westafrikas als auch in den eigenständig entwickelten Staaten der Maya, Azteken, Inka und ihrer Vorgänger in der Neuen Welt basierte die Produktion noch auf den Kleinbauern. Die bäuerliche Bevölkerung stützte die oft despotischen Aristokratien durch feudalähnliche Verhältnisse, in denen sie Güter und Dienste abgaben, aber ihr unveräußerliches Recht auf Land durch die Verbindung mit einer verwandtschaftlichen oder übergangsweisen Art von Verwandtschaftsgruppe behielten.

Sklaverei gab es in allen diesen Gesellschaften, denn es ist natürlich unbestreitbar, dass Sklaverei jedweder Art die erste Form von unfreier Arbeit darstellte. Kriegsgefangene wurden in primitiven Gesellschaften oft versklavt, und als Außenseiter ohne Verwandtschaftsstatus innerhalb der Gesellschaft wurden sie zu den lästigsten Aufgaben verdonnert; in einigen Gesellschaften konnten sie in rituellen Opferungen getötet werden. Ihr Zustand konnte aus persönlicher Sicht trostlos genug sein, einen bedeutenden Produktionsfaktor stellten sie jedoch noch nicht dar. Engels wies darauf hin, dass die Sklaverei erst dann wirtschaftlich relevant werden konnte, als die Arbeit so produktiv war, dass die Sklavenarbeiter genug über die Kosten ihres eigenen Unterhalts hinaus produzieren konnten, um eine größere Gruppe für ausbeuterische Rollen in der Gesellschaft freizusetzen. So blieben die Nachkommen von Sklaven in frühen Gesellschaften nicht notwendigerweise Sklaven, und in vielen Fällen konnten Sklaven selbst in die Gruppe aufgenommen werden und zu geliebten und respektierten Verwandten werden.

Sklaven in großer Zahl wurden zunächst an Tempeln oder Palästen eingesetzt, wo sie oft als Spezialisten oder Handwerker ausgebildet wurden. Obwohl sie „unfrei“ waren, lag ihr Lebensstandard weit über dem der Kleinbauern, und ihre Situation unterschied sich deutlich von der der Kolonnen-Sklaven, die auf den Feldern oder in den Minen oder zusätzlich zu der von freien Männern geleisteten Fronarbeit bei öffentlichen Arbeiten wie Bewässerungsanlagen, Straßen und monumentalen Bauwerken arbeiteten. So umfasst der Begriff „Sklaverei“ verschiedene Arten von Gruppierungen.165 Beim Vergleich von Zentralmexiko und dem antiken Mesopotamien schreibt Adams, dass in beiden „korporative Verwandtschaftsgruppen, die ursprünglich bei der Kontrolle von Land vorherrschten, allmählich durch das Wachstum von Privatbesitz in den Händen städtischer Eliten verdrängt wurden“.166 In beiden „gab es verschiedene soziale Hindernisse und Bedingungen der Knechtschaft, von denen die Sklaverei nur das extremste war, und die Rolle einer untergeordneten und in mancher Hinsicht unfreien landwirtschaftlichen Klasse war sicherlich weitaus wichtiger, als die Anzahl der eng definierten ‚Sklaven‘ allein vermuten lassen würde“.167 Adams weist jedoch darauf hin, dass Sklaven in Mesopotamien, von denen eine große Anzahl Frauen waren, wichtig für die Produktion von Wolle oder Garn waren. Er schreibt:

„… der Verkauf oder Tausch dieser Ware spielte nicht nur eine wichtige Rolle in der lokalen Umverteilungswirtschaft,168 sondern diente vermutlich auch als Grundlage für den Fernhandel mit Luxusgütern und lebenswichtigen Rohstoffen wie Metall. In gewissem Sinne gab es also eine strategische Konzentration von Sklaven in genau jenen Institutionen, die die mesopotamische Stadtgesellschaft im Unterschied zur vorstädtischen Gesellschaft charakterisierten, so dass es ihre Bedeutung als Entwicklungsfaktor entsprechend falsch darstellen würde, die Institution als unbedeutend zu charakterisieren.“169

Die Sklaverei wuchs langsam und ungleichmäßig in der Geschichte der Menschheit und ihre Bedeutung lag nicht in ihrem buchstäblichen Vorherrschen gegenüber „freier“ Arbeit. Griechenland und Rom waren nicht typisch, und obwohl die Sklaverei die erste Form der Ausbeutung der Arbeitskraft war, wurden die primitiven gemeinschaftlichen Beziehungen oft in feudale Beziehungen umgewandelt, ohne dass die Sklaverei vorherrschend wurde. Engels deutet dies für Deutschland an; für China und die Neue Welt scheint es offensichtlich zu sein; der französische Marxist Maurice Godelier hat es für die westafrikanische Gesellschaft herausgestellt; und viele sowjetische Gelehrte scheinen damit übereinzustimmen.170

Die wichtigste Frage, die im Lichte dieser Überlegungen einer umfassenderen Dokumentation harrt, ist nicht einfach, wie wichtig Sklaven zahlenmäßig in einer bestimmten Gesellschaft oder Periode waren, sondern welche Rolle die Sklaverei bei der Umwandlung von der gemeinschaftlichen zur Klassengesellschaft spielte. Trotz der vielen lokalen Variationen und der Ausbreitung und des Niedergangs einzelner Völker oder spezifischer Gebiete entwickelte sich das langfristige Wachstum von Privateigentum und staatlicher Organisation sowohl in der Alten als auch in der Neuen Welt auf bemerkenswert ähnliche Weise. Überall dort, wo es Daten über den Aufstieg komplexer Gesellschaften gibt, stellt man fest, dass mit der steigenden Produktivität, die die Ausbeutung profitabler machte, die Techniken, die die gemeinschaftlichen Beziehungen aufrechterhielten und für eine gerechte Verteilung der Güter sorgten, schließlich durch gegenläufige Tendenzen untergraben wurden. Überall stand die Funktion der Priesterschaften und Häuptlingsfamilien, die Gegenseitigkeit und Integrität der Stämme aufrechtzuerhalten, im Konflikt mit der Institutionalisierung der Macht, die in den Gütern und Dienstleistungen, über die sie verfügten, inbegriffen war. „Zivilisation“ entstand, als der gegenseitige Austausch von Waren und Dienstleistungen durch eine aufkeimende Oberschicht und einen Staatsapparat in ausbeuterischen Konsum umgewandelt wurde.171

Priesterschaften waren oft von großer Bedeutung im Prozess der Staatsbildung, da es in ihrem Interesse lag, ihre Position durch den Bau von Tempelanlagen zu festigen; Kriegsführung war in der Regel wichtig, da sie eine periodische Zentralisierung von Kontrollen und Materialien erforderte; und in einigen Gebieten trug die Urbarmachung und Erhaltung von landwirtschaftlichen Flächen durch den Bau und die Wartung von Bewässerungssystemen zur Usurpation der Macht durch eine Oberschicht bei.172 Die Versklavung von Kriegsgefangenen, die zeitweilige und dauerhafte Versklavung von Verwandten wegen Schulden oder aus anderen Gründen und die Sklavenarbeit, die zur Produktion von Agrar- und Luxusgütern für den Konsum der Aristokratie oder für andere Unternehmungen des Staates eingesetzt wurde, schwächten den Status der Kleinbauern und der Handwerker. Die Spezialisierung der Arbeit nahm zu und der Handel wurde umfangreicher, obwohl er lange Zeit vom Staatsapparat kontrolliert wurde und nicht vollständig in die Hände privater Kaufleute fallen durfte, die an ihrem eigenen Profit interessiert waren. Und schließlich war der Schwerpunkt dieser miteinander verknüpften Entwicklungsprozesse zwangsläufig in den expandierenden urbanen Zentren zu finden.

Eine Fülle von verstreuten Daten darüber, wie die Verwandlung einiger Menschen in Vieh, in Waren, den Status freier Menschen untergrub, wartet auf eine umfassendere Synthese; wie freie Stammesangehörige in eine ausgebeutete Klasse umgewandelt wurden – von freien Bauern mit unveräußerlichen Rechten auf Land und Verpflichtungen gegenüber dem Kollektiv, das durch einen Priester oder Häuptling repräsentiert wurde, in Leibeigene, die auf dem Land gefangen und einer herrschenden Aristokratie oder Priesterschaft verpflichtet waren;173 und wie diese Prozesse durch die Verwandlung von Gütern in Waren untermauert wurden – den Verlust der Kontrolle der Menschen über ihre eigene Produktion. In einer Analyse des Inkastaates erörtert John Murra die Funktion von Tuch als hochgeschätzter Ware in einer Gesellschaft ohne Geld und mit relativ kleinen Märkten. Vermeintlich großzügige „Geschenke“ von Stoffen machten die Inka den besiegten Völkern aus den riesigen Vorräten, die in den staatlichen Lagern aufbewahrt wurden, aber diese waren in der Tat „der allererste Schritt in einem Abhängigkeitsverhältnis, da die ‚Großzügigkeit‘ des Eroberers dazu verpflichtet, sich zu revanchieren, regelmäßig und periodisch die Ergebnisse der eigenen Arbeit an die Lagerhäuser in Cuzco zu liefern.“ Von nun an schuldet der Bauer dem Staat eine ständige Versorgung mit Stoffen. Murra schreibt:

„Dem Staat war in doppelter Hinsicht gedient: Die Versorgung mit Stoffen war gesichert, und der lästige Charakter der Weberei-Mita174 konnte in Begriffen der kulturell sanktionierten Gegenseitigkeit ausgedrückt werden. Aber man kann in diesem textilen ‚Geschenk‘ auch die Ausstellung von Inka-Staatsbürgerschaftspapieren sehen, eine zwanghafte und doch symbolische Bekräftigung der Verpflichtungen des Bauern gegenüber dem Staat, seines Eroberungsstatus.“175

Zweifellos können durch die Analyse der Warenproduktion in ihren frühen Stadien die Fragen über die Sklaverei, die „orientalische“ Produktionsweise und andere von Marx erwähnte Produktionsweisen am vollständigsten geklärt werden. Trotz Marx’ wichtiger Erörterung der Warenproduktion im ersten Abschnitt des Kapital haben marxistische Wissenschaftler kaum untersucht, wie der Erwerb und der Austausch von Überschüssen durch die frühen Staaten die städtische Bevölkerung als Unterschicht gefangen hielt und gleichzeitig die Aufrechterhaltung wechselseitiger Beziehungen auf dörflicher Ebene ermöglichte – und auch die damit verbundenen Fragen wurden kaum untersucht, sowohl empirisch als auch theoretisch. Wann verwandeln sich die Händler, zunächst Funktionäre für den Staat, vielleicht sogar eine Art Sklaven, zu unabhängigen Kaufleuten oder sehen sich jenen als Konkurrenten gegenüber? Wie ist das Verhältnis zwischen staatlichem Handel und direktem Warenaustausch auf dem Markt, der alt und in weiten Teilen der Welt verbreitet ist? Wann wird letzterer in nennenswertem Umfang in Tausch im Sinne der Profiterzielung umgewandelt?

Die Verwendung des athenischen Stadtstaates als Modell verdeckt, wie langsam der staatliche Handel eines durch Tribut, Zwangsabgaben und schieres Beutemachen erworbenen Überschusses einer stadtbasierten Händlerklasse wich, die an der Produktion zum Zwecke der Gewinnerzielung interessiert war.176 Die frühen Handelshäfen, in denen Kaufleute das Sagen hatten, erlangten in der Antike nur selten eine Vormachtstellung. Ihr Aufstieg in Griechenland war zwar prophetisch, aber nur vorübergehend, und ihr Kampf um Autonomie bildet einen wichtigen Bestandteil in der Geschichte des mittelalterlichen Europa.177

Der Aufstieg der vollen Warenproduktion zur Vorherrschaft beruht im Wesentlichen auf der Geschichte der Urbanisierung und der Entstehung des Widerspruchs zwischen städtischem und ländlichem Leben. In den städtischen Zentren verwandelte die Warenproduktion die Beziehungen innerhalb der Gruppe erstmals von direkten, persönlichen und grundsätzlich kooperativen Beziehungen zu unpersönlichen und stark konkurrenzgeprägten, die von „geheimnisvollen Kräften“ beherrscht wurden, die sich dem Verständnis und der Kontrolle entzogen. Der volle Sieg der auf Profit ausgerichteten Warenproduktion hing von der Entwicklung Nordwesteuropas ab. Fast fünf Jahrtausende lang ein rückständiges Gebiet, wartete hier die Kombination aus Häfen und Wasserwegen sowie relativ verfügbaren Kohle- und Eisenvorkommen auf die historischen Ereignisse, die es einer neu siegreichen, nach Norden expandierenden städtischen Kaufmannsschicht ermöglichten, das gesamte explosive Potenzial des industriellen Kapitalismus zu verwirklichen. Dann kam die weltweite Umgestaltung der menschlichen Beziehungen in Warenbeziehungen, Beziehungen zwischen Dingen, die benutzt werden sollen; eine Umgestaltung, die ihre Auswirkungen bis in die entlegensten Hinterlande verbreitete, mit ihrem unglaublichen Potenzial sowohl für enorme Schöpfung als auch für wahnsinnige – vielleicht endgültige – Zerstörung: das Erbe des 20. Jahrhunderts.

Probleme der Theorie und der Methode

Griechenland im sechsten Jahrhundert, die australischen Ureinwohner, das vorkolumbische Amerika – solche Themen scheinen weit weg. Die theoretischen Fragen, die durch das Studium des Übergangs zur Klassengesellschaft aufgeworfen werden, sind jedoch entscheidend für die Zukunft der Menschheit. Was sind die Schlussfolgerungen aus der Tatsache, dass die besondere Unterdrückung der Frauen letztendlich auf der Familie als einer ökonomischen Einheit beruht? Was bedeutet es, die Warenproduktion und die daraus folgende Verfremdung der zwischenmenschlichen Beziehungen auf einem fortgeschrittenen technologischen Niveau zu beseitigen, wo hochentwickelte Systeme der Produktion und des Austauschs notwendig sind? Ist es möglich, den Widerspruch zwischen Stadt und Land zu beseitigen, ohne die Welt in einen riesigen Vorort zu verwandeln? In welchen Schritten kann der Staat beseitigt werden?

In seiner knappen Diskussion der sozialen Gesetze im Ursprung bringt es Engels auf den Punkt, dass solange, bis diese „mühsam erforscht und ergründet werden“,178 die Welt durch den Zufall gesteuert zu sein scheint, durch „fremde, anfangs sogar unerkannte Mächte“,179 und die „Gesellschaft [wird] geregelt, nicht durch gemeinsam überlegten Plan, sondern durch blinde Gesetze, die sich geltend machen mit elementarer Gewalt“.180 Aber

„Zufall, das ist nur der eine Pol eines Zusammenhangs, dessen andrer Pol Notwendigkeit heißt. In der Natur, wo auch der Zufall zu herrschen scheint, haben wir längst auf jedem einzelnen Gebiet die innere Notwendigkeit und Gesetzmäßigkeit nachgewiesen, die in diesem Zufall sich durchsetzt. Was aber von der Natur, das gilt auch von der Gesellschaft. Je mehr eine gesellschaftliche Tätigkeit, eine Reihe gesellschaftlicher Vorgänge der bewußten Kontrolle der Menschen zu mächtig wird, ihnen über den Kopf wächst, je mehr sie dem puren Zufall überlassen scheint, desto mehr setzen sich in diesem Zufall die ihr eigentümlichen, innewohnenden Gesetze wie mit Naturnotwendigkeit durch.“181

Wenn die Menschheit überleben soll, dann nur durch die Beherrschung der sozialen Gesetze, nicht nur durch die Revolutionäre in den kapitalistischen und neokolonialen Ländern, in denen eine Wirtschaft der Verschwendung und Zerstörung jetzt die ganze Welt bedroht, sondern genauso in den sozialistischen Ländern,182 wo sicher jegliche Illusion aufgegeben wurde, dass der Kommunismus auf einem fortgeschrittenen Niveau reibungslos aus der anfänglichen Schaffung der sozialistischen Macht folgt.

Es erfordert eine geschickte Verflechtung von theoretischen und empirischen Überlegungen, um sowohl die sozialen Gesetze, Prozesse und Mechanismen, durch die die Klassengesellschaft in all ihren Variationen entstand, als auch das Wesen der ihr vorangehenden sozialen Formen zu erkennen und zu rekonstruieren. Die archäologischen und ethnographischen Daten über Gesellschaften vor der Klassengesellschaft und Gesellschaften, in denen sich Klassenbeziehungen unabhängig von den durch die Mächte Europas und Asiens geschaffenen Kolonialbeziehungen entwickelten, sind lückenhaft und mehrdeutig. Archäologische Daten zu allem außer den groben Umrissen der sozio-ökonomischen Organisation sind im Allgemeinen anregend, aber nicht schlüssig, und Aufzeichnungen aus einer nicht-alphabetisierten Gesellschaft zu finden bedeutet natürlich, dass diese schon Kontakt mit den Verhältnissen der Warenproduktion hatte und demzufolge in gewisser Weise durch diese beeinflusst war. Der Versuch, die Frühphase der Menschheitsgeschichte aus den vorliegenden Zeugnissen zu rekonstruieren, steht daher vor einem grundsätzlichen Dilemma. Um zu rekonstruieren, wie vollständig gemeinschaftliche Gesellschaften funktionierten, bevor sie in Handel und Krieg mit den Europäern oder mit staatlichen Gesellschaften anderswo auf der Welt verwickelt wurden, muss man gewisse Annahmen über die sozialen und politischen Formen treffen, die mit dem Leben auf einfacherem technologischen Niveau einhergehen. Doch die Rekonstruktion selbst wird benötigt, um die Richtigkeit der theoretischen Annahmen zu belegen.

Fälle, in denen die Datenlage über soziale Beziehungen vor der Klassengesellschaft eindeutig ist, sind folglich von großer Bedeutung. So ist es zum Beispiel im Fall der nordöstlichen Algonkin, wo ungewöhnlich detallierte Aufzeichnungen von jesuitischen Missionaren und anderen das Fehlen von privatem Landeigentum, das den Algonkin zugeschrieben wurde, nachgewiesen haben. Da, wo Materialien zur ethnographisch-historischen Erforschung einer bestimmten primitiven Kultur zugänglich sind, zeigen sie fundamentale Veränderungen auf, wie sie unabhängig voneinander in verschiedenen Teilen der Welt stattgefunden haben oder sich in den letzten Jahrhunderten der Kolonialherrschaft schnell entwickelt haben: die Aufspaltung der gemeinsamen Verwandtschaftsgruppe in einzelne Familien und die Individualisierung der Eigentumsrechte, die Herabstufung der Stellung der Frauen, die Stärkung des Ranges und die Machtübernahme durch Häuptlinge – kurz, die Grundlage für die Klassengesellschaft. Nichtsdestotrotz werden Gebiete, in denen Krieg und Handel, oft sowohl mit Sklaven als auch mit Waren, durch bis zu vier oder fünf Jahrhunderte dauernden europäischen Einfluss und europäische Vorherrschaft gewaltige Umwälzungen verursacht haben, gemeinhin immer noch so behandelt, als würden rekonstruierte Gesellschaftsformen des 19. Jahrhunderts „unangetastete“ Strukturen darstellen.

Um die daraus resultierende theoretische Verwirrung noch zu vergrößern, ist es zunehmend üblich, dass Anthropologen die Formen und Prozesse primitiver Institutionen durch die Quantifizierung von Materialien analysieren, die größtenteils aus dem 20. Jahrhundert stammen.183 Darüber hinaus besteht in der pragmatischen Atmosphäre der US-amerikanischen Wissenschaft die Tendenz, quantifizierte Analysen nicht als Hinweise auf zu analysierende signifikante Zusammenhänge zu nehmen, sondern zu akzeptieren, als würden sie für sich genommen Beziehungen von Ursache und Wirkung anzeigen. Die Tatsache, dass quantifizierte vergleichende Analysen Merkmale von ihrem sozialen Kontext trennen, wird nicht als ernsthaftes Problem angesehen. Der Soziologe Talcott Parsons drückt dies in einer Erklärung über die Grenzen von Marx explizit aus – einer Erklärung, die es wert ist, vollständig zitiert zu werden, da sie so prägnant die Grenzen der modernen westlichen Soziologie beschreibt.

„Allerdings hatte Marx die Tendenz, die sozio-ökonomische Struktur der kapitalistischen Wirtschaft als eine einzige, unteilbare Einheit zu behandeln, statt analytisch zwischen einer Reihe verschiedener Variablen zu unterscheiden, die hier eine Rolle spielen. Eine derartige analytische Zerlegung ist jedoch eines der wichtigsten Kennzeichen der modernen soziologischen Analyse, und will man aus den inzwischen gemachten Fortschritten Nutzen ziehen, so muß man sich ihrer bedienen. Tut man dies, so gelangt man einmal zu einer Modifizierung der Marxschen Auffassung des Systems als solchem; zum anderen ist man in der Lage, Beziehungen zu anderen Aspekten des gesamten sozialen Systems nachzuweisen, die von Marx nicht gesehen wurden. Dies führt zu einer bedeutsamen Modifizierung von Marxens empirischer Perspektive in bezug auf die Klassenfrage, wie auch in anderem Zusammenhang. Was die Struktur angeht, so liegt die Betonung hier nicht mehr in erster Linie auf der Orientierung des kapitalistischen Unternehmens am Gewinn und auf der Ausbeutungstheorie, sondern auf der Berufsrollenstruktur innerhalb des Systems der industriellen Gesellschaft.“184

Parsons Aussage veranschaulicht die Art von Schlussfolgerungen, die entstehen, wenn für statistische Untersuchungen soziale Phänomene naiv aus dem Kontext gerissen werden. Als Teil der Beschreibung eines Phänomens sein Auftreten zu zählen und seine Häufigkeit mit der anderer Phänomene zu korrelieren – das sind grundlegende Verfahren. Probleme treten auf, wenn angenommen oder unterstellt wird, dass mit dem Kodifizieren, Quantifizieren und Korrelieren eines Aspekts der Wirklichkeit mit einem anderen zugleich ein kausales Netzwerk aufgedeckt wird; wenn, nachdem die Grenzen von statistischer Analyse für komplexe soziale Phänomene dargelegt wurden, die Untersuchung geführt wird, als würden diese Grenzen nicht existieren. Der Klassenstatus wird über die Einstufung von Beruf und/oder Einkommen und Bildung definiert und wird endlos mit anderen Variablen korreliert; psychische Krankheit wird auf eine Maßzahl reduziert und in verschiedenen Teilen der Population gemessen; Lernfähigkeit wird auf einer einzigen Dimension getestet und individuelle Kinder sind in der Begrenztheit irgendeiner willkürlichen Zahl gefangen. Das Endergebnis – indirekt auch die Ursache – ist eine mechanische oder statische Sicht auf die Wirklichkeit. Das, was zu einem bestimmten Zeitpunkt numerisch vorherrscht, wie es nach einem nicht näher bestimmten Werteschema des Forschers definiert, bewertet und gezählt wurde, gilt als „erwiesen“, um eine Situation zu kennzeichnen. So überschwemmen endlose Messungen die sozialwissenschaftlichen Zeitschriften, nur um etwas Grundlegendes über soziale Prozesse zu verschleiern, anstatt es zu enthüllen, und noch viel weniger zu beweisen. Das Ergebnis ist, die Welt des sozialen Mythos, in der wir zwangsläufig leben, zu erhalten, sie zu messen, zu testen, zu analysieren, zu „entdecken“ – ohne jemals den Schleier zu lüften und sie zu betrachten!

Die zeitgenössische westliche sozialpsychologische Sichtweise des Experimentierens ist nur eine Verstärkung der gleichen Beschränkungen. Menschen in einen Raum zu stecken und sie auf verschiedene Arten zu manipulieren, wird gewisse Dinge über ihr Verhalten aufdecken, manche überall anwendbar, die meisten wahrscheinlich nicht, aber man wird selten vorhersagen können, wie Menschen unter grundlegend veränderten Umständen handeln werden. Hierfür ist das Labor der laufenden Geschichte unerlässlich. Die Untersuchung der Wahlstatistik über die Jahre hat mit überraschender Genauigkeit ergeben, wie die Menschen – unter gegebenen Rahmenbedingungen – wahrscheinlich wählen werden. Die Frage von größerem Interesse, jedenfalls für Revolutionäre, bleibt jedoch offen: Welche Veränderungen in den Rahmenbedingungen sind notwendig, um das Grundmuster zu verändern?

Hier gibt es keinen Ersatz für die Marx’sche Methode der detaillierten Analyse im konkreten Fall, die auf einer dialektischen und materialistischen Theorie der Verhältnisse beruht, die ständig getestet, ausgearbeitet und neu definiert werden muss, sowohl durch die Theorie als auch durch die Praxis. Anstatt nach statistisch Vergleichbarem in allzu oft oberflächlichen Merkmalen der verschiedenen Situationen zu suchen, muss Vergleichbares auf der Ebene von ausschlaggebenden Mechanismen gesucht werden, auf der Ebene von Prozessen, die in der Regel nicht leicht sichtbar sind. Theoretische Betrachtungen dürfen nicht durch statistische Methoden beeinflusst werden. Und Hypothesen über gesellschaftliche Gesetzmäßigkeiten oder Prozesse sind letztlich im Labor der historischen Erfahrung zu testen.

Eine Betrachtung der Herausforderung des dialektischen Materialismus, die in Harris’ jüngstem Werk Rise of Anthropological Theory185 dargelegt wird, hilft, die marxistische Untersuchungsmethode zu klären. Harris würdigt Marx als den Pionier der „materialistischen Strategie“ der Forschung, der er selbst anhängt,186 und er schreibt, dass ungeachtet anderer Historiker der Anthropologie Marx für die Anthropologie eindeutig nicht irrelevant ist. Stattdessen, so Harris, wäre es näher an der Wahrheit, zu behaupten, „dass sich die Kulturanthropologie vollständig als Reaktion auf den Marxismus entwickelt hat“;187 und er widmet einen beträchtlichen Teil seines Buches überzeugenden Analysen des „Kulturidealismus“ oder „Mentalismus“, der die verschiedenen Schulen der Anthropologie charakterisiert. Andererseits ist die Dialektik für Harris „schwerfällige Doppelzüngigkeit“,188 und das marxistische Bekenntnis zur Untrennbarkeit von Theorie und politischer Aktion ist aus seiner Sicht schädlich für die Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit.189

Allerdings macht sich Harris in seinem Bemühen, das Konzept der sozialen Evolution von der Dialektik zu trennen, selbst einer erheblichen „Doppelzüngigkeit“ schuldig. Obwohl er den Wandel als „allgegenwärtig und unaufhörlich“190 akzeptiert, argumentiert er, dass Evolution nicht „Negation“ oder „Widerspruch“, sondern „Transformation“ beinhaltet. Menschen mögen in Begriffen von Gegensätzen denken, und intellektuelle Fortschritte mögen oft aus der „Auflösung von Widersprüchen zwischen den Extremen“ folgen, aber die Geschichte verläuft nicht auf diese Weise.191 Die Beschreibung von evolutionären Prozessen als Negationen von Negationen „ist bloße poetische Analogie“.

„Wenn der Evolutionsprozess ein Beispiel für die Dialektik der Negation ist, dann einfach deshalb, weil es keine praktikablen Regeln zur Unterscheidung zwischen negativen und positiven Veränderungen gibt. Da Evolution Verwandlung oder Unterschied bedeutet, ist es immer möglich, in Ermangelung eindeutiger Kriterien zu erklären, dass jedes evolutionäre Produkt die Negation eines früheren Zustands ist. … Was alle evolutionären Prozesse gemeinsam haben, ist nicht die ‚Negation‘ früherer Formen, sondern einfach deren Transformation.“192

Offensichtlich bezieht sich Harris auf den beiläufigen oder umgangssprachlichen Gebrauch der Begriffe Widerspruch und Negation und nicht auf ihre Bedeutung im Zusammenhang mit dem Umgang mit Veränderung als inhärentem Merkmal aller Materie. Wenn Veränderung „allgegenwärtig und unaufhörlich“ ist, wie Harris zustimmt, dann ist das Sein ein Werden, wie Hegel argumentierte, und die Wirklichkeit besteht nicht aus Dingen, sondern aus Prozessen. Jedes Phänomen ist nicht, wie in der klassischen Logik formuliert, entweder A oder nicht-A; stattdessen ist es sowohl A als auch nicht-A, oder im Prozess, immer etwas anderes zu werden – also eine „Einheit der Gegensätze“, ein Ausdruck von „Kampf“, der „Widerspruch“ oder „Negation“ beinhaltet. Die Verwendung von gewöhnlichen Begriffen in einem speziellen Sinn ist immer etwas umständlich, aber eine gewisse solche Begriffswelt ist unerlässlich, um konzeptionell mit der Wirklichkeit des ständigen Wandels umzugehen.

Ohne das Konzept des Widerspruchs als innerem Bestandteil der Prozesse, die wir als Materie bezeichnen, steht Veränderung implizit außerhalb jedes gegebenen Phänomens, ein Ergebnis der Interaktion zwischen ihm und anderen Phänomenen, die in eher statischen Begriffen aufgefasst werden. Jeder sorgfältige Wissenschaftler erkennt heute, dass es nicht Dinge oder Zustände sind, die interagieren, sondern Prozesse; wenn der Physiker die Organisation von Kräften in dem untersucht, was wir Atome nennen, der Chemiker die interagierenden Atome, aus denen Moleküle bestehen, der Biochemiker die Kombinationen von diesen, aus denen Zellen bestehen, und so weiter bis hin zum Anthropologen, der sich mit historisch sich entwickelnden gesellschaftlichen Strukturen auseinandersetzt, ist es klar, dass die Materie als Prozess in einer erstaunlich komplexen Reihe von aufeinanderfolgenden, umfassenderen Ebenen verflochten ist. Daher sind das, was vom Wissenschaftler auf einer Ebene als externe „Wechselwirkungen“ zwischen zwei Phänomenen untersucht werden kann, in Wirklichkeit innere „Widersprüche“ auf der umfassenderen Ebene, auf der die beiden interagierenden Phänomene ein komplexeres System bilden. Dies ist das Verständnis der Realität, das Harris beiseite schiebt, wenn er „Marx’ hegelianische Verliebtheit in ‚Widersprüche‘“193 anprangert.

Harris’ Geringschätzung dialektischer Konzepte führt ihn zu Aussagen wie der, dass der Klassenkampf, anstatt einen Widerspruch zu verkörpern, „einfach ein Ausdruck der unversöhnlichen Konkurrenz zwischen Proletariern und Bourgeoisie um die Kontrolle über die Produktionsmittel ist“.194 Außerdem schreibt er dort, wo er argumentiert, dass der Vorteil des Marxschen Modells nicht darin besteht, dass es dialektisch ist, sondern dass es „diachron und evolutionär“195 ist:

„Jedes diachrone Modell ist in der Lage, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich Spannungen aufstauen können, bis eine Aufrechterhaltung auf der alten Grundlage nicht mehr möglich ist und es zu einem heftigen Zusammenbruch des gesamten Systems kommt. Aber es gibt noch eine andere Art der Anhäufung dysfunktionaler Spannungen, die die Hegelsche Dialektik zunichte macht: Evolution durch die langsame Anhäufung geringfügiger Veränderungen, die durch geringfügige Anpassungen an geringfügige Spannungen hervorgerufen werden.“196

Zwei Anmerkungen müssen gemacht werden. Erstens ist nicht nur der Zusammenbruch des Alten, sondern die Ersetzung durch das Neue wesentlich für den Prozess der Evolution, der „Negation“ genannt wurde. Zweitens, da Harris zustimmt, dass Evolution Transformation ist, gibt es mutmaßlich einen Punkt, an dem die Anhäufung kleinerer Spannungen, im Einklang mit den Prinzipien der marxistisch-hegelianischen Dialektik, zu Transformation oder qualitativer Veränderung führt. Es ist interessant, dass Harris, wenn er die Hegelsche Dialektik in Frage stellt, und trotz seiner eigenen materialistischen Überzeugungen, einer subtilen Schlussfolgerung des Hegelschen Idealismus nicht widerstehen kann: „Zum allgegenwärtigen Evolutionismus seiner Zeit fügte er die eigentümliche Vorstellung hinzu, dass Dinge oder Ereignisse nur aufgrund ihres Gegenteils, ihres Widerspruchs oder ihrer Negation begriffen werden oder, um dasselbe zu sagen, existieren könnten.“197

Harris’ eigene Analysestrategie fordert die Formulierung einer materialistischen oder „etischen“198 Datensprache, die es einer Gemeinschaft von wissenschaftlichen Beobachtern ermöglicht, ihr Material objektiv zu behandeln. Er charakterisiert die marxistische Wissenschaft als „ausdrücklich an ein politisches Programm gebunden“ und schreibt: „Wenn es darum geht, die Welt zu verändern, statt sie zu interpretieren, sollte der marxistische Soziologe nicht zögern, Daten zu fälschen, um sie nützlicher zu machen.“199 Die marxistische Verpflichtung besteht jedoch nicht in Bezug auf ein Programm als solches; stattdessen besteht das Prinzip, das der notwendigen Einheit von Theorie und Aktion zugrunde liegt, darin, dass die aktive Identifikation mit der gegenwärtig unterdrückten, aber aufstrebenden Klasse eine Verpflichtung gegenüber der zukünftigen Richtung des sozialen Wandels beinhaltet, die für ein vollständiges Verständnis grundlegend ist. Einige Marxisten haben in der Tat soziale Daten krass verzerrt und manipuliert; aber Tatsache ist, dass ein solcher Opportunismus nicht im Interesse einer nützlichen Veränderung gewirkt hat. Darüber hinaus gibt es, wie die Geschichte und die Soziologie der Wissenschaft so ausführlich dokumentieren, nicht so etwas wie eine Gemeinschaft von Beobachtern, die es vermeiden können, in Reaktion auf ihren sozialen Status als Wissenschaftler zu agieren und zu reagieren, ganz gleich, wie distanziert sie zu sein versuchen.

Harris veranschaulicht überzeugend, zuweilen brillant, wie sehr der Idealismus in der Anthropologie mit dem Versagen verbunden ist, materialistisch aufgefasste Strukturen und Handlungen von den subjektiv gehaltenen Vorstellungen der Mitglieder der untersuchten Gesellschaften zu trennen. Seine Lösung ist eine klare methodologische Unterscheidung zwischen „emischen“ und „etischen“ Daten (Begriffe, die kürzlich von Sozialanthropologen aus der Linguistik entlehnt wurden). Die meisten ethnographischen Daten sind insofern „emisch“, als sie gemäß den Ansichten der Informanten organisiert sind; sie befassen sich mit Unterscheidungen, die „aus Kontrasten und Besonderheiten aufgebaut sind, die von den Akteuren selbst als signifikant, bedeutsam, real, akkurat oder auf irgendeine andere Weise als angemessen angesehen werden“.200 Um eine materialistische Strategie zu erreichen, muss eine neue Datensprache entwickelt werden, um „den überwiegend emischen Bestand der existierenden Ethnographie“ durch etische Beschreibungen zu ersetzen.201 Objektiv abgeleitete oder „etische“ Daten hängen „von phänomenalen Unterscheidungen ab, die von der Gemeinschaft der wissenschaftlichen Beobachter als angemessen erachtet werden“.202 Der Gegensatz zwischen emisch und etisch

„beruht auf der erkenntnistheoretischen Bedeutung der Beschreibung kultureller Dinge, grober Kategorien und Beziehungen, die notwendigerweise isomorph mit denen sind, die für die Akteure angemessen oder bedeutsam sind, im Gegensatz zu Kategorien und Beziehungen, die unabhängig in der Datensprache des Ethnographen entstehen. Das tatsächliche Verhalten kann also sowohl emisch als auch etisch behandelt werden. Die Beschreibung eines Informanten von dem, was tatsächlich geschieht, … muss nicht dem entsprechen, was der Ethnograph in der gleichen Situation sieht oder sehen würde.“203

Harris’ Anliegen ist es, emische von etischen Daten zu unterscheiden, um den Fokus scharf auf die materiellen „etischen“ Bedingungen zu richten, die das Handeln der Menschen bestimmen (und manchmal weicht er von seiner eigenen Strenge, dass die emische/etische Zweiteilung rein epistemologisch sei, ab und wendet den Begriff etisch auf die materiellen Bedingungen der Gesellschaft an.204) Wie sein kürzlich erschienenes Lehrbuch zeigt, setzt er sich sehr dafür ein, Mythen über das rückständige oder irrationale Verhalten der Bauern in den Schwellenländern oder der Armen in unserer eigenen Gesellschaft zu entlarven, die den Neokolonialismus und rassistische Institutionen stützen. In einem früheren Werk demontierte er die Annahme, dass indische Bauern irrational und unnötig unterernährt sind, während sie die heiligen Kühe beschützen, die nutzlos durch die Lande ziehen.205 Er wies darauf hin, dass die Kühe nicht nur Milch produzieren, sondern auch Ochsen, die für den Pflug notwendig sind; dass ihr Dung zum Kochen und als Dünger unerlässlich ist; dass ihre Häute eine Hauptquelle für Leder sind; dass sie frei umherziehen können, um besser Futter zu finden; und dass, wenn sie sterben, es viele Menschen ohne Kaste gibt, die nichts zu verlieren haben, wenn sie sie essen. Ein weiteres schönes Beispiel für Harris’ Arbeit ist seine Kritik an der Annahme, dass kulturell geprägte Einstellungsunterschiede zwischen den frühen angloamerikanischen und lateinamerikanischen Siedlern in der Neuen Welt für die unterschiedlichen Beziehungen zwischen den Rassen in Nord- und Lateinamerika verantwortlich seien.206 Harris dokumentiert, dass unterschiedliche Rassenbeziehungen vielmehr auf historisch gewachsenen Unterschieden in den Mustern der Ausbeutung von Arbeit beruhen.

Wie Harris deutlich macht, muss in der Anthropologie eine enorme Menge solcher Neubetrachtungen vorgenommen werden. Seine antidialektische und idealistische Verortung des Beobachters außerhalb des Rahmens von Zielen und Bedeutungen und die extreme Trennung der materiellen und ideologischen Dimension der Gesellschaft lassen solche Neubetrachtungen jedoch unvollständig bleiben. Harris’ eigene Ansichten über die Triebkräfte der Menschheitsgeschichte betonen die technologische Innovation im Zusammenspiel mit Umwelteinflüssen. Er interessiert sich für die „präzise Abgrenzung der Teilbereiche soziokultureller Systeme“ und kritisiert Begriffe wie „Produktionsweise“, die für ihn „die Grenze zwischen Ökonomie und Technik“207 so unscharf belassen. Er zitiert Marx’ bekannte Prämisse aus dem Vorwort von Zur Kritik der Politischen Ökonomie, dass das „gesellschaftliche Sein [der Menschen] … ihr Bewußtsein bestimmt“,208 und verfährt so, als gäbe es keine weitere Wechselwirkung zwischen Ideologie und sozioökonomischer Struktur, oder für die Rolle des Bewusstseins im historischen Prozess. Stattdessen spricht er von „emischer Ethnographie“ und „etischer Ethnographie“ als getrennten Unternehmungen; in der Tat besteht ein wichtiger Punkt darin, „auf der Getrenntheit von emischen und etischen Phänomenen und Forschungsstrategien zu beharren“. Er schreibt: „Ein etischer Ansatz vermeidet per Definition die Voraussetzungen des emischen Ansatzes. Von einem etischen Standpunkt aus bleibt das Universum von Sinn, Zwecken, Zielen, Motivationen usw. somit unzugänglich.“209 Doch solange man sich nicht direkt mit dem Problem auseinandergesetzt hat, sich mit dem Bewusstsein des Menschen in materieller Hinsicht zu beschäftigen, sowohl als Analytiker als auch als Akteur, hat man sich nicht mit dem Menschen, seiner Geschichte, seiner Kultur oder seiner Wissenschaft beschäftigt.

Im Nachhinein betrachtet, scheint der mechanische Materialismus zu funktionieren. Die objektiven Bedingungen – technologische, ökonomische, ökologische –, die späteren Entwicklungen vorausgingen, sie also „verursachten“, lassen sich zwangsläufig und unausweichlich aufspüren. Je weiter der untersuchte Zeitraum zurückliegt, desto mehr verlieren sich die Rollen interner Spannungen, alternativer Entscheidungen und revolutionärer bzw. konservativer Ideologien, die genau definierten, wie, wann und wo große Veränderungen eingeleitet wurden, in den Unklarheiten und Lückenhaftigkeiten der archäologischen und historischen Daten. Für das Verständnis der Zeitgeschichte werden jedoch das Wesen der systeminternen Spannungen und die Rolle des Verstehens wie auch des Missverstehens als entscheidend angesehen.

Die Existenz des menschlichen Bewusstseins und der menschlichen Zielstellungen führt eine Art von Komplexität in die Abläufe der menschlichen Gesellschaft ein, die im Rest der Natur nicht zu finden ist. In der Vergangenheit war es üblich anzunehmen, dass, obwohl sich die Gesellschaft noch unserem Zugriff entzieht, die Beherrschung der Naturvorgänge nur eine Frage der Zeit ist. Die großartige Leistung, einen Menschen auf dem Mond zu landen, würde eine solche Annahme scheinbar bestätigen, wenn sie nicht zu einer Zeit käme, in der wir gezwungen sind zu erkennen, dass die stückweise Herangehensweise an Naturvorgänge, die die westliche Wissenschaft gekennzeichnet hat, machtlos ist, die „blinden Gesetze“ der Natur davon abzuhalten, sich auf einer komplexeren Ebene durchzusetzen und die Erde für menschliches Leben untauglich zu machen. Die Welt, wie die Gesellschaft, ist ein Produkt der Geschichte, der meteorologischen und geologischen Geschichte. Angenehme Regelmäßigkeiten (in den zeitlichen und räumlichen Grenzen unseres Sonnensystems) wie die atomare Abfolge von Mineralien und das Gesetz der Schwerkraft funktionieren im Kontext miteinander verbundener und sich verändernder Beziehungen von unbegrenzter Komplexität. Nun hat sich die Tatsache, dass der Mensch nur ein Aspekt dieses komplexen Ganzen ist, unweigerlich durchgesetzt. Die Menschheit kann sich nicht mehr lange durch den Schlamassel wühlen, in den sie hineingeraten ist. Es wird ein Verstehen brauchen, um uns zu retten, und zumindest in der gegenwärtigen Phase der Geschichte die Art von Verstehen, die man marxistisch nennt.

Oktober 1971, Polytechnisches Institut Brooklyn


  1. Spartacist, dt. Ausg. Nr. 32, Herbst 2020.

  2. In Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 25–173.

  3. Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 27.

  4. In Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 444–455.

  5. D.h. der von Leacock herausgegebenen englischsprachigen Ausgabe von Engels’ Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats: The Origin of the Family, Private Property and the State (International Publishers, New York, 1972) – E&P.

  6. Zu Deutsch: Systeme der Blutsverwandtschaft und Verwandtschaft der menschlichen Familie.

  7. Zitiert aus Morgan, Die Urgesellschaft, Dietz, Stuttgart, und Vorwärts, Berlin, 1921, S. 3.

  8. Resek, Lewis Henry Morgan: American Scholar, University of Chicago Press, Chicago, 1960.

  9. Morgan, Die Urgesellschaft, Dietz, Stuttgart, und Vorwärts, Berlin, 1921, S. 3.

  10. ebd.

  11. ebd.

  12. D.h., der Produktion des Lebensunterhalts – E&P. A.a.O., S. 4.

  13. Marx/Engels, Werke, Bd. 3, S. 9–77

  14. a.a.O., S. 22.

  15. ebd.

  16. Beide ebd.

  17. Marx/Engels, Werke, Bd. 3, S. 24

  18. Marx, „Formen, die der kapitalistischen Produktion vorhergehen“, in Marx/Engels, Werke, Bd. 42, S. 405.

  19. Morgan, Urgesellschaft, S. 8.

  20. ebd.

  21. Morgan, Urgesellschaft, S. 16.

  22. a.a.O., S. 22.

  23. a.a.O., S. 8.

  24. ebd.

  25. Eine Menge von Hinweisen deutet darauf hin, dass die Fischerei in der Tat nicht so früh in der Geschichte der Menschheit auftrat (siehe Kapitel von Washburn und Lancaster in Lee und DeVore [Hrsg.], Man the Hunter [Aldine Publishing Co., Chicago, 1968, S. 294]). Morgan diskutiert seine Stufen und die dazugehörigen Kriterien in den Kapiteln 1 und 2 von Die Urgesellschaft. Ich habe woanders in allen Einzelheiten die damit verbundenen Probleme untersucht (Einleitung zu Morgan, Ancient Society, hrsg. v. Eleanor Leacock, World Publishing Company, New York, 1963, S. xi-xv).

  26. Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 35.

  27. ebd.

  28. ebd.

  29. ebd.

  30. Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S.168.

  31. Für Diskussionen der Beziehung zwischen technologischen Neuerungen und dem Auftreten neuer ökonomischer Verhältnisse, die neue „Stufen“ der historischen Entwicklung einleiten, vergleiche man Childe, „Archaeological Ages as Technological Stages“ (in The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, Bd. 74, 1944), und Semenov, „The Doctrine of Morgan, Marxism and Contemporary Ethnography“ (in Soviet Anthropology and Archeology, Bd. IV, Nr. 2, International Arts and Sciences Press, New York, 1965). Semenov schreibt: „Das große Manko von Morgans Periodisierung liegt darin, dass es sich nicht um eine Periodisierung der Geschichte der Gesellschaft selbst handelt. Der Einsatz der Produktivkräfte ist zwar die Grundlage für die Entwicklung der Gesellschaft, fällt aber nicht mit ihr zusammen. Selbst große Wendepunkte in der Entwicklung der Produktivkräfte führen nicht automatisch und sofort zu einer Veränderung der Produktionsverhältnisse und damit auch aller anderen gesellschaftlichen Verhältnisse. Was die weniger bedeutsamen Veränderungen betrifft, so können sie, indem sie sich lediglich anhäufen, zu Veränderungen in den sozialen Beziehungen führen, zuerst im wirtschaftlichen und dann im ideologischen Bereich. Deshalb ist es unmöglich, eine echte Periodisierung der Geschichte der Gesellschaft zu erstellen, wenn wir als Kriterium für den Beginn des neuen Zustands in ihrer Entwicklung das Auftreten irgendeiner Veränderung, auch einer großen, in der Entwicklung der Produktivkräfte nehmen.“

  32. Morgan, Urgesellschaft, S. 474.

  33. a.a.O., S.475.

  34. Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 172.

  35. Soviet Studies in History, 1966.

  36. Childe fasst in Man Makes Himself (Oxford University Press, 1939) und What Happened in History (Penguin Books, 1965) die Ergebnisse archäologischer Forschung in Bezug auf die Vorgeschichte Europas und des Nahen Ostens zusammen, und geht der ursprünglichen Entwicklung städtischer Zivilisation im Gebiet des Nahen Ostens im späten fünften Jahrtausend v. Chr. nach, sowie den viel späteren Entwicklungen in der mediterranen Welt, die von Morgan und Engels diskutiert werden. [Das erste Werk erschien auf Deutsch unter dem Titel Triebkräfte des Geschehens: die Menschen machen ihre Geschichte selbst, Globus, Wien, 1949, und Der Mensch schafft sich selbst, Verlag der Kunst, Dresden, 1959. Das zweite erschien als Stufen der Kultur: Von der Urzeit zur Antike, Kohlhammer, Stuttgart, 1952. – E&P.] Childe behält die Begriffe „Wildheit“ und „Barbarei“ bei, die wegen ihres abwertenden Untertons im Großen und Ganzen außer Gebrauch gekommen sind. Zeitgenössische Begrifflichkeiten beziehen sich stattdessen auf wesentliche Produktionstechniken, wie „nahrungssammelnd“ („Wildheit“) und „nahrungsproduzierend“ („Barbarei“). Nahrungssammler werden üblicherweise als „Jäger und Sammler“ bezeichnet (obwohl sie auch fischen). Nahrungsproduzenten werden unterteilt in eine anfängliche „gartenbauliche“ Phase, auch „Hackbau“, „Brandrodungsfeldbau“ oder „Wanderfeldbau“ genannt, und eine entwickeltere landwirtschaftliche Phase, die die Benutzung des Pflugs und/oder systematische Düngung und/oder Bewässerung umfasst. Für eine neuere Diskussion archäologischer Ebenen, siehe Robert J. Braidwood, „Levels in Prehistory: A Model for the Consideration of the Evidence“ (in Tax, Evolution After Darwin, Bd. II, University of Chicago Press, 1960).

  37. „Diffusion vs. Evolution: An Anti-Evolutionist Fallacy“ (in American Anthropologist, Bd. 47, 1945), und „Evolutionism in Cultural Anthropology: A Rejoinder“ (in American Anthropologist, Bd. 49, 1947).

  38. „Evolution in Cultural Anthropology: A Reply to Leslie White“ (in American Anthropologist, Bd. 48, 1946).

  39. Für Robert Lowies Diskussion über Morgan, siehe The History of Ethnological Theory, 1939. Leslie A. Whites Hauptwerke sind The Science of Culture, 1949, und The Evolution of Culture, 1959.

  40. Die Sowjetunion zu Leacocks Zeit und Staaten wie Kuba, China oder die DDR waren (bzw. sind) nach trotzkistischem Verständnis nicht revolutionär „sozialistisch“, geschweige denn im Übergang zum Kommunismus begriffen, sondern bürokratisch degenerierte (Sowjetunion) bzw. deformierte (alle anderen) Arbeiterstaaten, in denen die Herrschaft einer parasitären stalinistischen Bürokratie den Fortschritt zum voll entwickelten Sozialismus und zum Kommunismus blockierte und daher durch eine politische Revolution von den Arbeitern (im Bündnis mit den Bauern) gestürzt werden musste, während sie gegen Imperialismus und kapitalistische Konterrevolution bedingungslos militärisch zu verteidigen waren. Dieses Programm gilt heute noch in Bezug auf China, Kuba, Laos, Nordkorea und Vietnam. – E&P.

  41. Allgemeine Darlegungen zeitgenössischer evolutionärer Theorie aus etwas anderen Blickwinkeln, zusätzlich zu den bereits zitierten Werken von Childe und White, sind die von Steward (Theory of Culture Change, University of Illinois Press, Urbana, 1955) und Sahlins und Service (Evolution and Culture, University of Michigan Press, Ann Arbor, 1960).

  42. Dieser Standpunkt wurde am deutlichsten von Harris in The Rise of Anthropological Theory, A History of Theories of Culture (Thomas Y. Crowell Co., New York, 1968) ausgedrückt. Harris schreibt in „The Rise of Anthropological Theory, Author’s Précis“ (in Current Anthropology, Bd. IX, 1968, S. 519): „Hegels Begriff der Dialektik“ war ein „lähmendes Erbe“, von dem sich der „Marxismus nie erholt hat“.

  43. Morgan, Urgesellschaft, S.475.

  44. a.a.O., S. 455.

  45. Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 168.

  46. a.a.O., S. 168f.

  47. a.a.O., S. 166.

  48. ebd.

  49. Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 155.

  50. „Land Ownership among Hunting Peoples in Primitive America and the World’s Marginal Areas“, in Twenty-Second International Congress of Americanists, Bd. 2, 1926.

  51. „The Significance of the Hunting Territory Systems of the Algonkian in Social Theory“, American Anthropologist, Bd. 41, 1939.

  52. Frank G. Speck und Loren Eiseley, „Montagnais-Naskapi Bands and Family Hunting Districts of the Central and Southern Labrador Peninsula“, in Proceedings of the American Philosophical Society, Bd. 85, S. 238.

  53. The Ojibwa Indians of Parry Island, Their Social and Religious Life, National Museum of Canada Bulletin, Bd. 78, Anthropological Series Nr. 17, 1935, S. 4–41; The Sekeni Indians of British Columbia, National Museum of Canada Bulletin, Bd. 84, Anthropological Series Nr. 20, 1937.

  54. „Determinism in Primitive Society?“, in Scientific Monthly, Bd. 53, 1941, S. 501.

  55. Leacock, The Montagnais „Hunting Territory“ and the Fur Trade, Memoir 78, The American Anthropological Association, 1954.

  56. a.a.O., S. 14–15. Die vollständige Darlegung und verwandte Themen werden von Julia Awerkijewa in „Problems of Property in Contemporary American Ethnography“, 1962, und von Harold Hickerson in „Some Implications of the Theory of Particularity, or ‚Atomism,‘ of Northern Algonkians“, 1967, zusammengefasst.

  57. Fried, The Evolution of Political Society, Random House, New York, 1967, S. 110. Dieser Aspekt wird von Fried (a.a.O.) weiter ausgeführt und im Detail dokumentiert. Siehe auch: Service, Primitive Social Organization: An Evolutionary Perspective (Random House, New York, 1962), obwohl ich mit Service bezüglich der relativen Rollen von Männern und Frauen in der Jägergesellschaft nicht übereinstimme (Leacock, „The Montagnais-Naskapi Band“, Band Societies, hrsg. v. David Damas, National Museums of Canada Contributions to Anthropology, Bulletin 228, Ottawa, 1969); Sahlins, „Political Power and the Economy in Primitive Society“, in Dole und Carneiro (Hrsg.), Essays in the Science of Culture (Thomas Y. Crowell and Co., New York, 1960); und Leacock, Einleitung zu „Social Stratification and Evolutionary Theory: A Symposium“ (in Ethnohistory, Bd. 5, Nr. 3, 1958).

  58. „Montezuma’s Dinner“, in North American Review, Bd. 122, 1876 (Reprint A-251 in Bobbs-Merill Reprint Series in the Social Sciences).

  59. Morgan, Urgesellschaft, S. 14.

  60. Für neuere Bücher, die einige der Materialien zu diesen Bereichen zusammenfassen, siehe: Adams, The Evolution of Urban Society (Aldine Publishing Co., Chicago, 1966); Davidson, Lost Cities of Africa (Little, Brown & Co., Boston, 1959); Sahlins, Social Stratification in Polynesia (University of Washington Press, Seattle, 1958); Service, Profiles in Ethnology (Harper and Brothers, New York, 1963); und Wolf, Sons of the Shaking Earth (University of Chicago Press, Chicago, 1959). Für Artikel, siehe Klein, Einleitung zu W. E. B. Du Bois, The Suppression of the African Slave Trade to the United States of America — 1638–1870 (Schocken Books, New York, 1969) und Murra, „On Inca Political Structure“ (in Ronald Cohen und John Middleton [Hrsg.], Comparitive Political Systems, Natural History Press, Garden City, N.Y. 1967). Murras unveröffentlichte Doktorarbeit, 1956, handelte von der wirtschaftlichen Organisation des Inka-Staates (The Economic Organization of the Inca State). In einer weiteren unveröffentlichten Doktorarbeit, State Formation in Negro Africa (University of Chicago Press, 1950), untersucht Armstrong die Beziehungen zwischen Wirtschaft und politischer Organisation in fünf afrikanischen Gesellschaften.

  61. Dt. Ausg.: Kulturen primitiver Völker, August Schröder Verlag, Stuttgart, 1949, sowie „Urformen der Kultur“, in rowohlts deutsche enzyklopädie, Reinbek, 1955.

  62. Für eine ausführliche Diskussion von Benedict und der „Kultur- und Persönlichkeit“-Schule im Allgemeinen, von einem materialistischen (wenn auch antidialektischen) Standpunkt aus, siehe Harris, The Rise of Anthropological Theory, A History of Theories of Culture (Thomas Y. Crowell Co., New York, 1968, Kapitel 15–17). Kardiner, ein freudianischer Analytiker, der mit Linton und anderen Anthropologen zusammenarbeitete, suchte nach Gemeinsamkeiten und Beziehungen zwischen „primären Institutionen“ oder „Aufrechterhaltungssystemen“ und Aspekten der Persönlichkeit und Ideologie (Hrsg., The Individual and His Society, Columbia University Press, New York, 1939, und The Psychological Frontiers of Society, Columbia University Press, New York, 1945). Die Schlussfolgerungen dieser Arbeit wurden von Whiting und seinen Mitarbeitern weitergeführt und einer statistischen Analyse unterzogen (Child Training and Personality: A Cross-Cultural Study, Yale University Press, New Haven, 1953). Diese Wissenschaftler treffen jedoch keine klare Unterscheidung zwischen den bestimmenderen Aspekten der sozioökonomischen Struktur und ihren anderen Dimensionen; im Wesentlichen brechen sie nicht aus einem „psychologisch-reduktionistischen“ Rahmen aus, in dem Praktiken der Kindererziehung, die mit dem Abstillen, dem Toilettentraining und Ähnlichem zu tun haben, durch ihre Auswirkungen auf die Erwachsenenpersönlichkeit zu den wichtigsten Faktoren der institutionellen Formen werden. Für eine weitergehende Diskussion der Grenzen der Theorie von „Kultur und Persönlichkeit“, siehe Einleitung zu Leacock, The Culture of Poverty: A Critique (Simon & Schuster, New York, 1971).

  63. Zu Deutsch: Kooperation und Wettbewerb unter Naturvölkern – E&P.

  64. „Anomie, the Ammassalik, and the Standardization of Error“, in Southwestern Journal of Anthropology, Bd. 14, Nr. 4, 1958.

  65. Mehr als ich selbst erwartet hatte, wie ich feststellte, als ich die Melasse verteilte, die ich für alle im Lager kaufen sollte, um Bier zu machen. Es war illegal, sie an einen Indianer zu verkaufen, aber einer der Männer in der Horde war leicht alkoholabhängig und schaffte es oft, etwas davon zu bekommen und sich privat mit dem Hausgebräu zu betrinken. Zu diesen Zeiten legte er das Lager lahm, denn er musste ständig bewacht werden, um zu verhindern, dass er sich selbst verletzte, oder dass er z.B. gegen ein Zelt stieß und es versehentlich am Ofen in Brand setzte. Er war so eine Nervensäge, wenn er betrunken war, dass ich annahm, es gäbe eine stillschweigende Übereinkunft, dass er nichts von der Melasse bekommen sollte. Aber nein, „Wo ist Charlies?“ wurde gefragt, obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht da war. Charlie war nicht mal ein Alteingesessener in der Horde, sondern war aus West-Labrador gekommen. Für eine weitere Diskussion dieser Punkte in Bezug auf Labrador-Jäger, siehe Leacock, „Status Among the Montagnais-Naskapi of Labrador“ (in Ethnohistory, Bd. 5, Nr. 3, 1958) und „North American Indian Society and Psychology in Historical Perspective“ (in Proceedings of the 7th International Congress of the Anthropological and Ethnological Sciences, Moskau, 1964). Für einen ausgezeichneten autobiographischen Bericht einer Eskimo-Frau, die ihre traditionelle Eskimo-Kultur verließ, um in unserer eigenen eingebunden zu werden, siehe Washburne, Land of the Good Shadows, the Life Story of Anauta, an Eskimo Woman (Alfred A. Knopf, New York, 1959). Für ausführliche Berichte über das Leben unter den jagenden Völkern Afrikas, siehe Thomas, Meine Freunde, die Buschmänner. Bei den Nomaden der Kalahari (dt. Ausg., Ullstein, 1962; Originalausgabe: The Harmless People, Alfred A. Knopf, New York, 1959), und Turnbull, The Forest People (Simon & Schuster, New York, 1968). Für eine weitere Veranschaulichung der „atomistischen“ Sichtweise der kanadischen Jäger, siehe Barnouw, „Chippewa Social Atomism“ (in American Anthropologist, Nr. 63, 1961). Die alternative Ansicht wird von Hickerson, 1962, sowie in Übersichtsartikeln von Awerkijewa, „Problems of Property in Contemporary American Ethnography“ (in Soviet Anthropology and Archeology, Bd. 1, Nr. 1, International Arts and Sciences Press, New York, 1962), und Hickerson, „Some Implications of the Theory of Particularity, or ‚Atomism,‘ of Northwestern Algonkians“ (in Current Anthropology, Bd. VIII, Nr. 4, 1967), dargestellt. Die Annahme, dass Kooperativität automatisch ein Ausschalten der Individualität nach sich zieht, wird scheinbar durch das Beispiel der viel untersuchten Pueblo-Indianer des nordamerikanischen Südwestens illustriert, wo jemand, der zu ehrgeizig ist oder zu erfolgreich wird, der Hexerei bezichtigt werden kann. Annahmen wie diese ignorieren die Geschichte. Die Pueblo-Indianer haben über vier Jahrhunderte lang für den Erhalt ihrer Autonomie und ihrer genossenschaftlichen Gesellschaft gekämpft; dies war nicht ohne Tribut. Außerdem führten die Spanier im 16. Jahrhundert die Praxis ein, aufmüpfige Indianer als Hexen zu töten. Für einen Überblick über die Veränderungen in der indianischen Gesellschaft, siehe Leacock und Lurie (Hrsg.), Einleitung zu North American Indians in Historical Perspective (Random House, New York, 1971).

  66. Urgesellschaft, S. 337ff.

  67. a.a.O., S. 357ff.

  68. a.a.O., S. 384ff. Von Morgan auch „syndyasmische Familie“ genannt – E&P.

  69. Linton, Ethnology of Polynesia and Micronesia, Field Museum of Natural History, Department of Anthropology Guide, Part 6, 1926, S. 152.

  70. Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 42.

  71. a.a.O., S. 43.

  72. a.a.O., S. 49.

  73. ebd.

  74. Siehe Morgan, Urgesellschaft, S. 436ff, und Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 49.

  75. Mead (Hrsg.), Cooperation and Competition Among Primitive Peoples, McGraw-Hill, New York, 1937, S. 34.

  76. Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 37.

  77. a.a.O., S. 57; Hervorhebungen sind seine.

  78. a.a.O., S. 27f.

  79. Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 444–455.

  80. a.a.O., S. 444.

  81. Sowjetische Anthropologen sind jedoch optimistischer in der Frage, inwieweit man auf der Grundlage von Überbleibseln vermutlich alter Bräuche bis in die jüngste Zeit hinein berechtigte Rückschlüsse auf den Übergang von der Gesellschaft der frühen Hominiden zu der des Homo sapiens ziehen kann. (siehe Semenov, „Group Marriage, Its Nature and Role in the Evolution of a Family and Marital Relations“, und Awerkijewa, „Relationship Between Gens and Neighborhood Communities Among North American Indians“ [beide in Proceedings of the 7th International Congress of the Anthropological and Ethnological Sciences, Moskau, Bd. IV, 1964]).

  82. Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 76.

  83. ebd.

  84. ebd.

  85. Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 213.

  86. ebd.

  87. Morgan, Urgesellschaft, S. 361, und Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 39.

  88. Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 49.

  89. a.a.O., S. 50.

  90. a.a.O., S. 50f.

  91. Engels, „Ein neuentdeckter Fall von Gruppenehe“, in Marx/Engels, Werke, Bd. 22, S. 351.

  92. Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 51.

  93. Eine Beschreibung der Verwandtschaft unter den australischen Arunta kann man bei Service, Profiles in Ethnology (Harper and Brothers, New York, 1963), finden. Diese Systeme sind in Teilen von Australien ungewöhnlich aufwändig, wobei in der Nähe bei den melanesischen Stämmen vergleichbare Ausprägungen zu finden sind.

  94. Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 80.

  95. a.a.O., S. 53.

  96. Die soziale Basis für Inzesttabus und exogame Ehe werden diskutiert in White, The Science of Culture (Farrar, Straus & Company, New York, 1949, Kapitel 11); Slater, „Ecological Factors in the Origin of Incest“ (in American Anthropologist, Bd. 61, 1959); Aberle et al., „The Incest Taboo and the Mating Patterns of Animals“ (in American Anthropologist, Bd. 65, 1963); und in Washburn und Lancaster, „The Evolution of Hunting“ (in Lee und DeVore [Hrsg.], Man the Hunter, Aldine Publishing Co., Chicago, 1968, insbesondere S. 302). Die Bande der Verwandtschaft und der exogamen Ehe waren bereits in Jäger- und Sammlergesellschaften üblich, obgleich sie unter den sesshaften Sammlern und Fischern formaler definiert waren als unter den nomadisierenden Jägern. Dies wirft die Frage auf, ob sie in der frühen menschlichen Gesellschaft allgemein besser ausgeprägt waren und unter den harten Bedingungen, die die Indianer und Eskimos des Nordens und andere in Randgebiete gedrängte Jäger ertragen mussten, verloren gingen. Auf alle Fälle werden sie mit der landwirtschaftlichen Gesellschaft streng definiert und mit endlosen Variationen von Gruppe zu Gruppe ausgestaltet. Die sowjetische Anthropologin Julia Awerkijewa hat mir gegenüber angedeutet, dass ihrer Meinung nach die Clan-Organisation ursprünglich vorhanden war und ihre ausgefeilte Definition erst erfolgte, als sie bereits zu zerfallen begann. Für eine weitere Diskussion der Organisation in Jagdverbänden siehe Leacock, „The Montagnais-Naskapi Band“ (Band Societies, hrsg. v. David Damas, National Museums of Canada Contributions to Anthropology, Bulletin 228, Ottawa, 1969).

  97. Diese wurden selten besser beschrieben als durch einen der Gründer der „funktionalistischen“ Schule der Anthropologie, Bronislaw Malinowski, in seinen Aufsätzen über die Trobriand-Inseln in Melanesien. Man nehme zum Beispiel sein sehr lesenswertes Crime and Custom in Savage Society (1926; dt. Ausg.: Sitte und Verbrechen bei den Naturvölkern, Francke, Wien, 1950.).

  98. Kuppelförmige Hütten aus Flechtwerk, Gras und Tierhäuten – E&P.

  99. Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 75.

  100. ebd.

  101. Anführer der Dorfgemeinschaft – E&P.

  102. Obwohl man nicht umhin kommt, festzustellen, dass ausgerechnet dieses Zeitalter nach einer Frau benannt wurde. Diese Tatsache verweist auf den Vorrang von Klassenüberlegungen vor dem Geschlecht in der Sozialisation von Frauen, wenn es um das Königtum ging. Prinzessinnen waren in erster Linie potentielle Herrscher. Wir haben also die Besonderheit, dass in der Geschichte Europas der einzige öffentliche Bereich, in dem einzelne Frauen in jeder Beziehung den Männern gleich waren, sowohl in der allgemeinen Auffassung als auch in ihrem eigenen Verhalten und ihren Fähigkeiten, derjenige war, der zutiefst mit den Stereotypen der Männlichkeit verbunden war, nämlich der Bereich der Führung, Macht und Entscheidungsfindung.

  103. Eine frühe Untersuchung von Hobhouse et al., The Material Conditions and Social Institutions of the Simpler Peoples (Routledge and Kegan Paul, London, 1965) fand heraus, dass das matrilineare-matrilokale Prinzip unter den „niedern Jägern“ mehr verbreitet war als das patrilineare-patrilokale Prinzip. Eine spätere Untersuchung von Murdock stellt fest, „einfachere Kulturen sind eher matrilinear, weiter entwickelte eher patrilinear“, obwohl „das Patrilineare zu oft zusammen mit dem Fehlen von Wesenszügen … (einer komplexeren Kultur) auftritt und das Matrilineare mit ihrem Vorhandensein, um mit der Theorie von der universellen matrilinearen Priorität vereinbar zu sein („Correlations of Matrilinear and Patrilinear Institutions“, in Murdock [Hrsg.], Studies in the Science of Society, Yale University Press, New Haven, 1937, S. 467). In einem späteren Werk schreibt Murdock: „Während matrilineare Gesellschaften im Durchschnitt kulturell etwas archaischer erscheinen als patrilineare Gesellschaften, ist der Unterschied relativ gering, die Überschneidungen sind sehr groß, und die Ungleichheit dürfte vor allem den überwiegenden Einfluss widerspiegeln, den die bilateralen und patrilinearen Völker des eurasischen Kontinents in den letzten Jahrhunderten weltweit ausgeübt haben“ (Social Structure, The Macmillan Company, New York, 1949). Unter Verwendung von Murdocks Daten, aber ohne Bezug auf Murdocks frühe Untersuchung, die eine ziemlich anspruchsvolle statistische Untersuchung beinhaltete, äußert sich Aberle über die größere Patrilinearität gegenüber der Matrilinearität unter den Jägern und Sammlern, obwohl die Bilinearität beide bei weitem übertrifft (Schneider und Gough [Hrsg.], Matrilinear Kinship, University of California Press, Berkeley, 1961). Zwei Unterschiede zwischen Murdocks Daten und denen von Hobhouse et al. müssen erwähnt werden. Erstens war eines von Murdocks Kriterien seiner Stichprobenauswahl, dass jede wichtige Abstammungsregel für jeden Kulturkreis vertreten sein soll, ein Faktor, den er bei seiner eigenen Untersuchung berücksichtigte, der aber anscheinend von Aberle nicht betrachtet wurde. Die zweite Überlegung betrifft den Ablauf der Zeit. Für die Völker, mit denen ich am meisten vertraut bin, die Naskapi, verwenden Hobhouse et al. einen Bericht der Jesuiten aus dem 17. Jahrhundert, der zeigte, dass sie matrilinear-matrilokal orientiert waren; Murdock verwendet Berichte aus dem 20. Jahrhundert, die sie als bilateral und bilokal mit väterlicher Betonung beschreiben.

  104. The Hunters, Prentice-Hall, Englewood Cliffs, N.J., 1966, S. 37–38.

  105. Leacock, „Matrilocality in a Simple Hunting Economy (Montagnais-Naskapi)“ (in Southwestern Journal of Anthropology, Bd. 11, Nr. 1), und „The Montagnais-Naskapi Band“ (Band Societies, hrsg. v. David Damas, National Museums of Canada Contributions to Anthropology, Bulletin 228, Ottawa, 1969).

  106. „South American Foragers: A Case Study in Cultural Devolution“ (in American Anthropologist, Bd. 71, 1969, S. 256f).

  107. Sex and Temperament in Three Primitive Societies (1950; dt. Ausg.: Jugend und Sexualität in primitiven Gesellschaften, Klotz, Eschborn, 2002).

  108. Male and Female, a Study of the Sexes in a Changing World (1955; dt. Ausg. Mann und Weib: Das Verhältnis der Geschlechter in einer sich wandelnden Welt, Ullstein, Frankfurt/M., 1992).

  109. D. Appleton and Co., New York, 1898; zu Deutsch: Anteil der Frauen in der primitiven Kultur.

  110. The Mothers, The Matriarchal Theory of Social Origins, The Macmillan Company, New York, 1931; zu Deutsch: Die Mütter.

  111. Aboriginal Woman, Sacred and Profane (Routledge and Sons Ltd., London, 1939).

  112. Tiwi Wives, A Study of the Women of Melville Island, North Australia (University of Washington Press, Seattle, 1971).

  113. Washburne und Anauta, Land of the Good Shadows, the Life Story of Anauta, an Eskimo Woman (Alfred A. Knopf, New York, 1959)

  114. Lantis, Eskimo Childhood and Interpersonal Relationships, Nunivak Biographies and Genealogies (University of Washington Press, Seattle, 1960).

  115. Thwaites (Hrsg.), The Jesuit Relations and Allied Documents (The Burrows Brothers Co., Cleveland, 1906, Bd. V, S. 181; Bd. LXVIII, S. 93).

  116. a.a.O., Bd. V, S. 181.

  117. a.a.O., Bd. VI, S. 255.

  118. a.a.O., Bd. II, S. 77; Bd. VI, S. 191; Bd. VII, S. 61 und 175; Bd. XIV, S. 183.

  119. US-amerikanischer Kinderarzt und Psychiater, der ein bekanntes Buch über Kindererziehung verfasst hat – E&P.

  120. „Men, Women and Trade“ (in Comparative Studies in History and Society, Bd. 13, Nr. 3).

  121. The Island of Menstruating Men (Chandler Publishing Co., San Francisco, 1970).

  122. Zu Deutsch: Die Insel der menstruierenden Männer.

  123. Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 159.

  124. a.a.O., S. 59.

  125. a.a.O., S. 60.

  126. a.a.O., S. 61. Hervorhebung von Engels.

  127. a.a.O., S. 76.

  128. a.a.O., S. 75f.

  129. a.a.O., S. 76.

  130. a.a.O., S. 77.

  131. a.a.O., S. 83.

  132. ebd.

  133. Während die Ersetzung der Familie tatsächlich nicht „automatisch“ passiert, sondern erkämpft und nach den materiellen Möglichkeiten organisiert werden muss, verdeckt dieser versöhnliche Hinweis von Leacock, dass die Stalinisten, die in allen von ihr implizit als „sozialistisch“ bezeichneten Staaten – tatsächlich bürokratisch degenerierte/deformierte Arbeiterstaaten – eine Politik verfolgten, die Familie als angebliche „Keimzelle des Sozialismus“ ideologisch zu stärken. Diese Ideologie stand im Widerspruch zu den gewaltigen Errungenschaften insbesondere für Frauen, wie den Maßnahmen zur Vergesellschaftung der Kindererziehung und der Hausarbeit – die gleichzeitig dadurch untergraben wurden. Siehe auch den Artikel „Russische Revolution und Emanzipation der Frauen“ (Spartacist, dt. Ausg. Nr. 25, Frühjahr 2006) – E&P.

  134. Gemeint sind die USA – E&P.

  135. Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 107.

  136. a.a.O., S. 28.

  137. ebd.

  138. ebd.

  139. Engels, Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 164.

  140. a.a.O., S. 169.

  141. a.a.O., S. 164.

  142. ebd.

  143. Zu Deutsch: Der Ursprung des Staates – E&P.

  144. The Origin of the State, Harcourt, New York, 1929, S. 2.

  145. a.a.O., S. 6.

  146. a.a.O., S. 116.

  147. Krader (Formation of the State, Foundations of Modern Anthropology Series, Prentice-Hall, Englewood-Cliffs, N.J., 1968, S. viii) schreibt zum Beispiel: „Dieses Buch hat also eine These: Es gibt so etwas wie einen politischen Staat, den man nur in bestimmten Gesellschaften findet. Er hat in diesen Gesellschaften eine überall einheitliche Rolle, er kontrolliert und lenkt das Leben der ihm unterstellten Menschen durch zentralisierte gesellschaftliche Macht in den Händen einiger weniger.“ Fried schreibt: „Der aufkommende Staat also … ist die Organisation der Macht der Gesellschaft auf einer überverwandtschaftlichen Basis“ („On the Evolution of Social Stratification and the State“, in S. Diamond [Hrsg.], Culture in History, Columbia University Press, New York, 1960, S. 728) und an anderer Stelle: „Die Macht (eines aufstrebenden Staates) stellt selbst einen Quantensprung gegenüber allem bisher Dagewesenen dar“ (The Evolution of Political Society, Random House, New York, 1967, S. 231). Bohannan (Social Anthropology, Holt, Rinehart and Winston, New York, 1963, S. 274) schreibt: „Der Staat ist eine besondere soziale Gruppe, die mit der Autorität ausgestattet wurde, einerseits mit physischer Gewalt für Frieden und die Einhaltung von Gesetz und Brauch zu sorgen, und andererseits die territoriale und kulturelle Integrität gegen Bedrohung von außen aufrecht zu erhalten.“ Bohannan (a.a.O. und Africa and Africans, The Natural History Press, Garden City, N.Y., 1964) diskutiert ausführlich die „staatenlose“ Gesellschaft. „Stammesfürstentümer“ als Übergang zum Staat werden von Sahlins (Tribesmen, Foundations of Modern Anthropology Series, Prentice-Hall, Englewood Cliffs, N.J., 1968) diskutiert.

  148. Karl Marx, „Formen, die der kapitalistischen Produktion vorgehen“, in Marx/Engels, Werke, Bd. 42, S. 383–421, und Kapital, in Marx/Engels, Werke, Bd. 23.

  149. Karl Marx, Kapital, in Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 353f.

  150. Marx, Kapital, Bd. 1, in Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 93.

  151. Engels, Herr Eugen Dühring’s Revolution in Science, International Publishers, New York, 1939, S. 165, S. 337ff; dt. Original siehe Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 138 und S. 287ff.

  152. Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 164.

  153. ebd.

  154. Fried (The Evolution of Political Society, Random House, New York, 1967) diskutiert den fortlaufenden Prozess der Kriegsführung als wichtig für die Staatsbildung, im Vergleich zu „Eroberungen“ im wörtlichen Sinne. Ähnlich argumentiert Carneiro in einem neueren Aufsatz, dass die Konzentration von Ressourcen in einem begrenzten Gebiet zu „Kriegen um Land und damit zu politischer Integration über die Dorfebene hinaus“ führt („A Theory of the Origin of the State“, in Science, Bd. 169, 21. August 1970, S. 737).

  155. vgl. Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 164.

  156. ebd.

  157. Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 170.

  158. a.a.O., S. 171.

  159. ebd.

  160. Ursprung, in Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 170f.

  161. Vor unserer Zeitrechnung – E&P.

  162. Leacock setzt das englische „oriental mode“ in Anführungszeichen, gibt aber keine Quelle an. Tatsächlich konnte diese Formulierung bei Marx selbst nicht gefunden werden, es handelt sich daher wahrscheinlich um eine Paraphrasierung bzw. Verschmelzung aus „asiatischer Produktionsweise“ (vgl. Kapital, Bd. 1, in Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 93) und „orientalischem Gemeineigentum“ (a.a.O., S. 354) – E&P.

  163. Marx, Kapital, Bd. 1, in Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 93.

  164. Levy (The Economic Life of the Ancient World, übers. v. John G. Biram, University of Chicago Press, Chicago, 1964, S. 16ff) weist darauf hin, dass Annäherungen an echte Münzen schon lange vorher verwendet wurden, aber nicht durch die etablierte Praxis standardisiert wurden. Für eine reichhaltig dokumentierte, wenn auch theoretisch etwas verwirrende Darstellung des frühen Handels, siehe Polanyi et al., Trade and Market in the Early Empires (The Free Press, Glencoe, Illinois, 1957).

  165. Für eine ausführlichere Diskussion dieses Punktes, siehe Finley, „Between Slavery and Freedom“ (in Comparative Studies in Society and History, Bd. 6, 1964).

  166. The Evolution of Urban Society, Aldine Publishing Co., Chicago, 1966, S. 119.

  167. a.a.O., S. 103f.

  168. Auch „Palastwirtschaft“ genannt – E&P.

  169. a.a.O., S. 103.

  170. Die Universalität eines mediterranen Typs der Sklavenhalter-„Stufe“ in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft wurde von sowjetischen Gelehrten gelegentlich in Frage gestellt (siehe Danilova, „A Discussion of an Important Problem“, in Soviet Studies in History, Bd. IV, Nr. 4, International Arts and Sciences Press, New York, 1966; und Lentsman, „A Contribution to the Discussion of the Asiatic Mode of Production“, a.a.O.). Am schärfsten und schlüssigsten wurde die Frage jedoch in jüngster Zeit von dem französischen Sozialisten Godelier und seinen Kollegen aufgeworfen, und zwar in Bezug auf die afrikanische Gesellschaft. Godelier argumentiert, dass der gemeinschaftliche Besitz von Land mit einem von einem Häuptling oder König angeeigneten Überschuss, wie er in Afrika anzutreffen ist, dem Marx’schen Konzept entspricht, in dem „die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ohne Eigentum an Land existiert“, wodurch „der Prozess der Etablierung einer Klasse von Ausbeutern beschleunigt wird“. Godelier und seine Mitarbeiter sehen darin eine universelle Form, für die der Begriff „asiatische Produktionsweise“ zu eng ist. Godelier stellt „zwei mögliche Wege der Entwicklung und des Verfalls der asiatischen Produktionsweise“ vor, den griechisch-römischen Weg „zur sklavenhaltenden Produktionsweise, die auf Privateigentum und Warenproduktion beruht“, und „den chinesischen Weg“, der sich zu „einer besonderen Form des Feudalismus“ entwickelt, ohne ein sklavenhaltendes Stadium zu durchlaufen, „das durch die Entwicklung von Privateigentum ohne das Auftreten von Warenproduktion gekennzeichnet ist“ („The Concept of the Asian Mode of Production and the Marxist Model of Social Development“, in Soviet Anthropology and Archeology, Bd. IV, Nr. 2, International Arts and Sciences Press, New York, 1965, S. 39f).

  171. Die Arbeiten von Childe (Man Makes Himself, Oxford University Press, 1939; dt. Ausg. Triebkräfte des Geschehens: die Menschen machen ihre Geschichte selbst, Globus, Wien, 1949, bzw. Der Mensch schafft sich selbst, Verlag der Kunst, Dresden, 1959; und What Happened in History, Penguin Books, 1965; dt. Ausg. Stufen der Kultur: Von der Urzeit zur Antike, Kohlhammer, Stuttgart, 1952) und Adams (The Evolution of Urban Society, Aldine Publishing Co., Chicago, 1966) über den Aufstieg der Zivilisation wurden bereits zitiert. Für eine ausführliche Dokumentation der griechischen Gesellschaft im Sinne der von Engels vorgelegten Skizze, siehe die Arbeit des britischen Altphilologen Thomson (Studies in Ancient Greek Society, Bd. I, The Prehistoric Aegean, International Publishers, New York, 1949; dt. Ausg. Frühgeschichte Griechenlands und der Ägäis, Akademie-Verlag, Berlin, 1960, und Studies in Ancient Greek Society, Bd. II, The First Philosophers, Lawrence & Wishart, London, 1955; dt. Ausg. Die ersten Philosophen, Akademie-Verlag, Berlin, 1960).

  172. Unter Bezugnahme auf Marx’ Erwähnung der Bewässerung als einflussreich hat Wittfogel (Oriental Despotism: A Comparative Study of Total Power, Yale University Press, New Haven, 1957; dt. Ausg. Die orientalische Despotie. Eine vergleichende Untersuchung totaler Macht, Ullstein, Frankfurt a. M. 1981) argumentiert, dass es im Wesentlichen die sozialen Voraussetzungen für den Bau großflächiger Bewässerungsnetze waren, die zur Entstehung der antiken Staaten führten. Adams („Early Civilizations, Subsistence, and Environment“, in Carl H. Kraeling und Robert M. Adams [Hrsg.], City Invincible, University of Chicago Press, Chicago, 1960, S. 280ff) widerspricht Wittfogels enger, technologischer Interpretation.

  173. Einschlägiges Material wird von Mandel (Marxist Economic Theory, Bd. I, Monthly Review Press, New York. Dt. Ausg. Marxistische Wirtschaftstheorie, Bd. 1, Suhrkamp, Frankfurt a. M., 1985, Kap. 1–4) besprochen.

  174. Form der Tributleistung zur Inkazeit – E&P.

  175. „Cloth and its Function in the Inca State“, in American Anthropologist, Bd. 64, 1962, S. 721f.

  176. Siehe die oben zitierte Arbeit von Polanyi und seinen Kollegen (Trade and Market in the Early Empires, The Free Press, Glenco, Illinois, 1957). Das Buch krankt an einer Verwechslung von Marktplätzen und Markt im Sinne von Profitmacherei sowie an der sorgfältigen Vermeidung von allem, was nach einer ernsthaften Diskussion über Warenproduktion oder Klassen klingt. Es gibt jedoch gute Kapitel, wie das über den mexikanischen Handel von Chapman und das von Neale, das die indische Dorfwirtschaft dokumentiert, auf die sich Marx bezogen hatte. Ein Kapitel von Pearson, das über die Bedeutungslosigkeit eines Überschusses in der Produktion argumentiert, wird von Mandel (Marxist Economic Theory, Bd. I, Monthly Review Press, New York, 1968, S. 68ff; dt. Ausg. Marxistische Wirtschaftstheorie, Bd. 1, Suhrkamp, Frankfurt a. M., 1985) und von Harris („The Economy Has No Surplus?“, in American Anthropologist, Bd. 61, 1959) widerlegt.

  177. Zum Aufstieg der Städte im mittelalterlichen Europa, siehe Rörig, The Medieval Town (University of California Press, Berkeley, 1967; dt. Originalausgabe: Die europäische Stadt und die Kultur des Bürgertums im Mittelalter, 2. erw. Aufl., Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1955).

  178. In Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 169.

  179. ebd.

  180. In Marx/Engels, Werke, Bd. 21, S. 170.

  181. a.a.O., S. 169.

  182. Leacock meint den degenerierten Arbeiterstaat Sowjetunion und die deformierten Arbeiterstaaten – E&P.

  183. Eine aktuelle Übersicht über kulturübergreifende Studien gibt Naroll, „What Have We Learned from Cross-Cultural Surveys?“ (in American Anthropologist, Bd. 72, 1970). Ein frühes und einflussreiches Unterfangen in der Quantifizierung ethnographischer Daten wurde an der Yale University durch George Peter Murdock in einem später als Human Relation Area Files bekannt gewordenden Projekt ins Leben gerufen. Die Daten von etwa 250 Gesellschaften wurden kodiert und auf IBM-Karten gestanzt, um Kreuztabellen zu erstellen. Murdock setzt nun seine Untersuchungen an der Universität von Pittsburgh fort. Sein Werk Social Structure (The Macmillan Company, New York, 1949.) baut auf der Annahme auf, dass Korrelationen zwischen verschiedenen sozialen Merkmalen in einer ethnographischen Stichprobe der Welt gültige Verallgemeinerungen über die primitive soziale Organisation zulassen würden, trotz der Tatsache, dass sich die meisten der Gesellschaften in der Stichprobe durch den Einfluss von Eroberung und/oder Kolonialisierung verändert haben. Für einen ergiebigeren Einsatz statistischer Analyse, verbunden mit einer klareren theoretischen Perspektive, siehe Carneiros Anwendung der Skalenanalyse auf die Untersuchung von evolutionären Veränderungen („Scale Analysis as an Instrument for the Study of Cultural Evolution“, in Southwestern Journal of Anthropology, Bd. 18, Nr. 2, 1962; „Ascertaining, Testing, and Interpreting Sequences of Cultural Development“, in Southwestern Journal of Anthropology, Bd. 24, Nr. 4, 1968; „A Theory of the Origin of the State“, in Science, Bd. 169, 21. August 1970).

  184. Essays on Sociological Theory, The Free Press, Glencoe, Illinois, 1954, S. 324; dt. Ausg. Beiträge zur soziologischen Theorie, Hermann Luchterhand Verlag, Darmstadt und Neuwied a. Rh., 1973, S. 207.

  185. The Rise of Anthropological Theory – A History of Theories of Culture, Thomas Y. Crowell Co., New York, 1968.

  186. a.a.O., S. 655 und 674.

  187. a.a.O., S. 249, seine Hervorhebung.

  188. a.a.O., S. 219.

  189. a.a.O., S. 220–22.

  190. Culture, Man and Nature, Thomas Y. Crowell Co., New York, 1971, S. 7.

  191. S. 71.

  192. S. 68f, Hervorhebung hinzugefügt.

  193. S. 223.

  194. S. 223.

  195. diachron: Sich im Verlauf der Zeit verändernd; zur Entwicklung, Veränderung durch die Zeit gehörend oder darauf bezogen – E&P.

  196. S. 236.

  197. S. 67, kursiv hinzugefügt.

  198. etisch: mit den Augen eines distanzierten Betrachters (im Gegensatz zu einem Betrachter, der sein Untersuchungsobjekt als Teilnehmer, aus einer Innenperspektive betrachtet) – E&P.

  199. S. 221.

  200. S. 571.

  201. S. 569.

  202. S. 575.

  203. S. 580f.

  204. Culture, Man and Nature, Thomas Y. Crowell Co., New York, 1971, S. 503.

  205. „The Myth of the Sacred Cow“, in Anthony Leeds & Andrew P. Vayda (Hrsg.), Man, Culture, and Animals, Veröffentlichung Nr. 78 der American Association of the Advancement of Science, Washington, D.C., 1965.

  206. Patterns of Race in the Americas, Walker and Company, New York, 1964.

  207. S. 233.

  208. S. 229. Siehe Marx/Engels, Werke, Bd. 13, S. 9.

  209. S. 579.

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