Ergebnisse & Perspektiven des Marxismus

Folgendes Flugblatt wurde ursprünglich vor der EU-Wahl im Mai 2019 in Berlin verteilt. Seitdem hat der Verrat von Labour unter Jeremy Corbyn – gegen Brexit, für EU- Verbleib aufzutreten – auch Labour-Wähler zur Wahl der Konservativen getrieben. Weiterhin muss stattdessen Klassenkampf gegen die EU, die Kapitalisten und ihre Regierung geführt werden.

Nieder mit der imperialistischen EU!

26. Mai: Wählt DKP! Keine Stimme für SPD und Linkspartei!

Konservative, Sozialdemokraten, Reformisten für imperialistische EU

Alle Verwalter des Kapitalismus posaunen gerade wieder von den Laternenmasten und Medienkanälen, die EU stehe für Frieden, Freiheit, Menschenrechte und Umweltschutz. Eifriger noch als die bürgerlichen Parteien CDU, FDP und Grüne sind dabei die Sozialdemokraten, SPD und Linkspartei. Sie stellen die EU gerne als Bollwerk gegen das bedrohliche Anwachsen des braunen Sumpfs aus Rechtspopulisten á la AfD und Nazis hin. Das sind alles dreiste Lügen! In Wirklichkeit ist die EU ein instabiles Bündnis der deutschen Kapitalisten und der anderen Imperialisten Europas zur maximalen Ausbeutung der europäischen Arbeiter und zur besseren Konkurrenz gegen ihre imperialistischen Rivalen sowie das kapitalistische Russland und den bürokratisch deformierten Arbeiterstaat China. Gegründet wurde die EU als Bollwerk gegen die Sowjetunion und die Arbeiterstaaten Osteuropas – trotz ihrer bürokratischen Verzerrungen gewaltige Errungenschaften der Arbeiterklasse und deshalb bei den Kapitalisten verhasst. Die „Freiheiten“ der EU sind der „freie“ Verkehr von Waren, Kapital und Lohnsklaven, durchgesetzt durch Privatisierung, Sozialkahlschlag, Lohndrückerei, Angriffe auf Gewerkschaften – die Ausplünderung Griechenlands ist nur das krasseste Beispiel. Dazu rassistische Abschottung und Abschiebung von denjenigen, die die Kapitalisten zur Ausbeutung und Profitgewinnung nicht gebrauchen können, sowie militärische und polizeiliche Aufrüstung an der Seite der NATO, um besser bei der Neuaufteilung der weltweiten Rohstoff-, Arbeitskraft- und Absatzmärkte mitzumischen. Die Widersprüche und Rivalitäten zwischen den Nationalstaaten machen die EU zu einem krisengeschüttelten Gebilde. Europa kann im kapitalistischen Rahmen nicht dauerhaft vereinigt werden. Für gemeinsamen Klassenkampf gegen die imperialistische EU! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!

EU & bürgerlicher Staat: nicht reformierbar

Die EU kann nicht im Interesse der arbeitenden Mehrheit der Bevölkerung reformiert werden, ebensowenig wie die kapitalistischen Staaten. Diese haben den Zweck, die Herrschaft der jeweiligen Kapitalistenklasse aufrechtzuerhalten, die aus der Lohnarbeit der Arbeiter Mehrwert abschöpfen und so neues Kapital gewinnen, mit dem sie diese Ausbeutung immer weiter treiben. Der bürgerliche Staat ist eine maßgeschneiderte Unterdrückungsmaschinerie, im Kern bestehend aus Polizei, Gerichten, Gefängnissen und Armee, bestenfalls hinter einer Fassade von parlamentarischer Demokratie. Um dieses System zu beseitigen, das ständig Armut, Frauenunterdrückung, Rassismus, Nationalismus und Krieg ausbrütet, sind Arbeiterrevolutionen wie in Russland im Oktober 1917 notwendig, die den bürgerlichen Staat zerschlug und die Macht in die Hände der in Räten (Sowjets) organisierten Arbeiter legte. Trotz rückständigster Ausgangsbedingungen brachte die planmäßige vergesellschaftete Wirtschaft den Arbeitern, Frauen und vormals unterdrückten Nationalitäten enorme wirtschaftliche und soziale Errungenschaften, wie sie im Rahmen des Kapitalismus nie möglich wären. Die konterrevolutionäre Zerstörung der Sowjetunion und der bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas Anfang der 1990er Jahre war eine schwere Niederlage für die weltweite Arbeiterklassse und hat das Klassenbewusstsein enorm zurückgeworfen.

SPD, Linkspartei, Reformisten: Hindernisse für Klassenkampf

Die Sozialdemokratie – SPD, Linkspartei sowie die mit ihnen verbundenen Gewerkschaftsführungen – erziehen die Arbeiter in dem Irrglauben, der Kapitalismus wäre doch reformierbar oder es gäbe ein „kleineres Übel“, das unterstützt werden müsste. Das führt zu Passivität und hemmt das Bewusstsein der Arbeiter über ihre eigenen Interessen und ihre potentielle Macht als Klasse. SPD und Linkspartei sind oft effektiver als offen bürgerliche Parteien, um Angriffe auf die Arbeiterklasse und die ganze Bevölkerung auszuführen – siehe Hartz-IV, Agenda 2010 oder die diversen Landesregierungen mit SPD- und oder Linkspartei-Beteiligung, in denen Sozialleistungen abgebaut, Tarifverträge untergraben, Krankenhäuser und öffentlicher Nahverkehr privatisiert und nicht zuletzt Streiks drangsaliert, Nazi-Aufmärsche gegen Linke beschützt und Flüchtlinge abgeschoben werden. Programm und Führung dieser Parteien sind pro-kapitalistisch und den Interessen ihrer Arbeiterbasis entgegengesetzt – diese muss von ihnen weggebrochen und für eine revolutionäre, multiethnische, internationalistische Partei wie Lenins und Trotzkis Bolschewiki gewonnen werden. Hindernisse dafür sind die diversen reformistischen Gruppen, die innerhalb (wie SAV und marx21) oder außerhalb (GAM, RIO, DKP, MLPD) der Linkspartei arbeiten und letztlich nur versuchen, auf sie „Druck auszuüben“, um sie vermeintlich zum Kämpfen zu bringen. Keine dieser Organisationen hat die notwendige Perspektive, die Sozialdemokratie entlang der Klassenlinie zwischen Basis und Führung zu spalten.

Brexit-Referendum 2016: Praxistest für “Opposition” gegen EU

Die EU wird zu Recht immer unpopulärer. Rechte von AfD bis zu den offenen Nazis versuchen wie immer, diese Unzufriedenheit mit ausländerfeindlicher Demagogie für ihre unverhohlen rassistische Variante kapitalistischer Politik einzufangen. SPD, Linkspartei und bürgerliche Liberale nehmen das als Alibi, um die imperialistische EU als angeblich fortschrittlich gegenüber Nationalismus zu verteidigen. Während alle Reformisten ihnen dabei letztlich hinterherlaufen, versuchen manche, sich trotzdem als linke Gegner der EU darzustellen. Sie bezeichnen die EU auch als „imperialistisch“, teilweise gar als „nicht reformierbar“, und erwähnen zu guter Letzt auch die „Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa“. Aber welche Konsequenzen hat das, wenn es drauf ankommt? Beim britischen Referendum 2016 über den Austritt aus der EU ging es um konkrete Opposition zur EU in einer bürgerlichen Wahl. Arbeiter und Sozialisten mussten gegen die EU stimmen, also für den „Brexit“. Das Ergebnis bestätigt das: die Konservativen, die das Referendum angesetzt hatten, um bessere Bedingungen für die britischen Kapitalisten im Rahmen der EU herauszuschinden, die bürgerliche Regierung und die ganze Kapitalistenklasse stürzten durch den deutlichen Sieg der Austrittsbefürworter in eine tiefe Krise. Das rassistische Wahl-Vehikel UKIP, das zeitweilig große Zuwächse an Wählerstimmen erreichte, versank wieder in der Versenkung und taucht er jetzt wieder auf, da die Konservativen unter Theresa May das Brexit-Votum mit den ausgehandelten „Austritts“-Bedingungen ad absurdum führen. Der Verrat der Labour-Führung unter Jeremy Corbyn, die als Verteidiger der EU auftritt, und der Reformisten, die ihnen dabei helfen, sind dafür verantwortlich, dass die Arbeiterklasse die Krise der Kapitalisten bisher nicht für eine Offensive im Klassenkampf gegen die EU und die britischen Kapitalisten nutzen konnte. Gegen ein zweites Referendum! Für einen aktiven Boykott der EU-Wahl in Britannien!

Reformisten unterstützen EU gegen Brexit

Die GAM (Gruppe ArbeiterInnenmacht) nimmt unter den vorgeblichen Marxisten eine der rechtesten Positionen zur EU ein. Ihre britische Schwesterorganisation Workers Power rief schon 1992 beim Volksentscheid über den Maastricht-Vertrag, einen Grundpfeiler der imperialistischen EU, zur Stimmenthaltung auf, weil dieser angeblich zu einer „Ausweitung von Rechten und Errungenschaften“ der Arbeiter führen könnte.1 Beim Brexit-Referendum riefen sie gar schon zu einer Stimme für Verbleib in der imperialistischen EU auf! RIO (Revolutionäre Internationalistische Organisation) und IG (Internationalistische Gruppe) weigerten sich beim Brexit-Referendum zu einer Abstimmung gegen die EU aufzurufen, und forderten, ebenso wie die gewerkschaftsfeindlichen politischen Banditen der „Partei für soziale Gleichheit“2 (PSG, heute „Soziale Gleichheitspartei“, SGP), eine Stimmenthaltung bzw. einen Boykott des Referendums. Konkret bedeutete das, den Status Quo der imperialistischen EU zu verteidigen.

Der „Rote Volksentscheid“: eine falsche Analogie

Alle diese Pseudosozialisten – GAM, RIO, IG, PSG – beriefen sich mit der gleichen falschen Analogie, dem „Roten Volksentscheid“ von 1931, auf die historische Autorität von Leo Trotzki. Trotzki war neben Lenin einer der zentralen Führer der russischen Bolschewiki und der Oktoberrevolution. Er verurteilte 1931 die Unterstützung der KPD für einen Volksentscheid zur Absetzung der sozialdemokratischen Landesregierung von Preußen, der von der rechtsextremen Stahlhelm-Miliz initiiert wurde und vor allem von Hitlers NSDAP unterstützt wurde. Die KPD-Führung unter Ernst Thälmann hatte den Volksentscheid unterstützt, weil sie die SPD als „Sozialfaschisten“ verleumdete und einen Erfolg des Volksentscheids für einen Schritt hin zur „Volksrevolution“ hielt. Trotzki stellte klar: „Wir betrachten [...] die Frage der gemeinsamen Abstimmung mit den Faschisten nicht unter dem Gesichtspunkt irgendeines abstrakten Prinzips, sondern unter dem Aspekt des Kampfes der wirklichen Klassen um die Macht und des Kräfteverhältnisses im jetzigen Stadium dieses Kampfes.“3 Die wirklichen Verhältnisse waren 1931 ganz andere als beim Brexit-Referendum: der Volksentscheid war iniitiert von einer rechtsextremen paramilitärischen Organisation mit 500000 Mitgliedern; die Nazis hatten eine Massenbasis im demoralisierten Kleinbürgertum; demgegenüber war die Arbeiterklasse politisch desorientiert durch das Vertrauen der SPD auf den bürgerlichen Staat einerseits und die irrsinnige „Sozialfaschismus“-Linie der KPD andererseits, was gemeinsamen Arbeiter-Widerstand (Einheitsfront) gegen die Nazis weitgehend verhinderte. Unter diesen Bedingungen hätte die Absetzung der Regierung tatsächlich die Faschisten an die Macht bringen können. Demgegenüber haben die Nazis heute trotz zunehmender Angriffe auf ethnische Minderheiten, Juden, Homosexuelle und Linke weder in Britannien noch in Deutschland annähernd eine solche Massenbasis. Dass RIO, IG und Co. Trotzkis Ablehnung des „Roten Volksentscheid“ als Alibi nehmen, um nicht für den Brexit zu stimmen, ist eine Kapitulation vor der sozialdemokratischen Kampagne, dass EU-Kritiker automatisch „rechts“ oder „nationalistisch“ seien und ein Ende der EU den Rechten nützen würde. So lenken sie auch von den tatsächlichen Angriffen im Rahmen der EU auf Arbeiter und alle Unterdrückten ab, die von „demokratischen“ kapitalistischen Regierungen unter entscheidender Beteiligung von Sozialdemokraten geführt werden.

Nieder mit der imperialistischen EU - wählt DKP!

Gegen den Chor der EU-Unterstützer hebt sich in der anstehenden EU-„Parlaments“-Wahl nur eine Arbeiterorganisation deutlich links ab: die DKP. In ihrem Wahlprogramm4 macht sie Opposition gegen die EU und den deutschen Imperialismus zur Hauptfrage – wenn auch zwangsläufig mit einem reformistischen Programm, das letztendlich auf die Illusion hinausläuft, der kapitalistische Staat könne im nationalen Rahmen im Interesse der arbeitenden Bevölkerung benutzt werden. Sie sprechen richtigerweise aus, die EU stehe für Krieg, Hochrüstung, Flucht, Ausbeutung, Armut, Privatisierung, und sie betonen: „Die EU ist nicht reformierbar!“ und „Die EU ist ein Instrument des deutschen Imperialismus!“ – „Die DKP sagt Nein zur EU!“. Arbeiter und Linke, die sich sowohl gegen die EU als auch gegen deren bürgerliche Unterstützer und Gegner positionieren wollen, sollten am 26. Mai DKP wählen. Bei dieser Empfehlung handelt es sich um eine Anwendung von Lenins Taktik der „kritischen Wahlunterstützung“, die revolutionäre Kommunisten gegenüber reformistischen Parteien anwenden können, um deren Anhängern zu helfen, in der Praxis die Unzulänglichkeit des reformistischen Programms zu erkennen.

Die DKP ist eine reformistische Partei, die traditionell als Anhängsel der Sozialdemokratie fungiert. Ihre Wurzeln liegen im Stalinismus – dem antirevolutionären Programm, im Namen von „Sozialismus in einem Land“ gegen die Ausweitung der Oktoberrevolution auf andere Länder zu arbeiten und unter den Slogans „Volksfront“ und „friedliche Koexistenz“ einen angeblich „fortschrittlichen“ Teil der Kapitalistenklasse zu beschwören. Ihre Wahlforderungen laufen, wie zu erwarten, auf ein Wunschkonzert von reformistischen Forderungen hinaus, für die zwar „gekämpft“ werden soll, aber nicht durch Klassenkampf gegen die Kapitalisten und ihren Staat, geschweige denn Revolution. Eine „andere Gesellschaft, der Sozialismus, ist notwendig“, sagen sie; darüber wollen sie „diskutieren und streiten“ – mehr nicht. Erstmal sollen ganz im Sinne der stalinistischen „Etappentheorie“ durch „souveräne“ nationale Parlamente „Sofortforderungen“ verwirklicht werden, die das Geld, von dem genug da sei, von Rüstungsausgaben weg und zu sozialen Ausgaben hin verteilen sollen: „Sie sind umsetzbar und finanzierbar, ohne dass bereits der Kapitalismus beseitigt ist.“ Passend dazu gibt es kaum mehr als eine Andeutung von Kritik oder Opposition zur Sozialdemokratie von SPD und Linkspartei.

In dieser Wahl sticht die DKP allerdings mit ihrer deutlichen Opposition zur EU heraus, was sie auch objektiv der Politik der Sozialdemokratie von SPD und Linkspartei entgegenstellt – wenn sie auch vermeiden, diese direkt anzugreifen. Die DKP verspricht, Opposition gegen die EU und den deutschen Imperialismus ins EU-Parlament zu tragen. Das wäre gut und im Interesse der Arbeiterklasse. Arbeiter sollten sie wählen, um sie diesem Praxistest auszusetzen. Aber seid gewarnt: Das grundlegende Programm der DKP ist ein Hindernis dafür, die Arbeiterklasse für eine revolutionäre Partei und die Zuspitzung des Klassenkampfs bis zur Revolution zu gewinnen. Zwei Kernpunkte ihres Programms machen das deutlich: ihre Verteidigung des kapitalistischen Grundgesetzes und ihr Pazifismus. Der DKP-Vorsitzende Patrick Köbele schreibt in unsere zeit (17. Mai): „Das Grundgesetz, so ausgehöhlt es ist, es schreibt den Kapitalismus nicht fest.“ Das ist eine explizite Zurückweisung der Marxschen Erkenntnis, dass der bürgerliche Staat nicht im Interesse der Arbeiterklasse genutzt werden kann, sondern zerschlagen werden muss. Pazifismus als politisches Programm („Friedenspolitik“) läuft auf die Illusion hinaus, dass der Kapitalismus durch Abkommen und Verbote dauerhaft zum Frieden gezwungen werden kann – dass also keine Arbeiterrevolutionen notwendig sind, um das System zu beseitigen, das zwangsläufig immer wieder zum Krieg führt. In der Praxis entwaffnet Pazifismus immer nur die Arbeiter, nie die Kapitalisten. Die DKP verbreitet Illusionen in ein vermeintlich neutrales „Völkerrecht“ und in die UNO, die aber wie der Völkerbund eine „Höhle imperialistischer Räuber“ (und ihrer Opfer) ist, wie Lenin es formulierte. Aktueller Ausdruck des DKP-Pazifismus ist die Losung „Frieden mit Russland!“, die völlig vereinbar ist mit einer alternativen strategischen Ausrichtung des deutschen Imperialismus auf mehr Kooperation oder gar Bündnisse mit dem kapitalistischen Russland.

Die Organisation mit der besten Annäherung an ein revolutionäres, marxistisches Programm ist die Internationale Kommunistische Liga (IKL),5 deren deutsche Sektion die Spartakist-Arbeiterpartei (SpAD) ist. Sie hat die EU und ihre Vorläufer schon immer von einem internationalistischen, klassenkämpferischen Standpunkt aus bekämpft, als einzige Organisation auf der Linken. Mit ihrem neuesten Flugblatt zur EU-Wahl (29. April)6 erweisen sie allerdings der marxistischen Klarheit einen schlechten Dienst. Sie gehen einer Auseinandersetzung mit dem Programm der DKP (oder anderer Reformisten) aus dem Weg, indem sie einfach die EU-Wahlbeteiligung an sich als Verrat abtun. Diese Position ist falsch – im Unterschied zu ihrer Position, die Kandidatur für Exekutivämter des bürgerlichen Staates und den Aufruf zu einer „Verfassunggebenden Versammlung” aus Prinzip abzulehnen.7 Sie titeln: „Nieder mit der EU! Keine Beteiligung an ihrem Pseudo-Parlament!“ Ihr Vorwurf an das EU-„Parlament“ ist also, dass es kein „richtiges“ Parlament ist. In einem frühen Artikel, der ihrer Position zugrundeliegt, führten sie näher aus:

„Nationale parlamentarische Körperschaften stellen eine historische Errungenschaft der bürgerlich-demokratischen Revolutionen dar und sind nach wie vor progressiver als andere Formen bürgerlicher Herrschaft – faschistischer oder militärischer Bonapartismus. Aber das Europaparlament hat keinen wie auch immer gearteten progressiven Inhalt, es dient einzig und allein dazu, die wirkliche Natur der EG als einer imperialistischen Allianz zu verschleiern.“8

Die IKL kann sich in ihrem Flugblatt nicht entscheiden, welche Funktion das „Pseudo-Parlament“ der EU denn nun hat: Einerseits schreiben sie, es sei „ein machtloses Beratungsgremium“, andererseits phantasieren sie, dass jedes seiner Mitglieder die „Rolle eines diplomatischen Vertreters eines kapitalistischen Staates“ habe, die im „Aushandeln reaktionärer Abkommen“ bestehe, weshalb es dann „für deren Ergebnis mitverantwortlich“ sei. Dieser Unfug ließe sich mit weit mehr Berechtigung über die Mitglieder der nationalen Parlamente sagen. Was sagt das dann über die SpAD selbst, die sich direkt nach ihrem einzigartigen Kampf gegen die konterrevolutionäre Zerstörung der DDR 1990 am Bundestag, dem Parlament des Vierten Reichs des deutschen Imperialismus, beteiligte? Die Position der IKL hat mit dem, was Marx, Engels und Lenin über bürgerliche Parlamente gesagt haben, nicht viel zu tun. Engels betonte: „Das allgemeine Stimmrecht ist so der Gradmesser der Reife der Arbeiterklasse. Mehr kann und wird es nie sein im heutigen Staat“9 Lenin erklärte, dass das Parlament (das „echte“!) nur eine „Schwatzbude“10 ist, und führte weiter aus:

„Die Teilnahme am bürgerlichen Parlament (das in der bürgerlichen Demokratie nie über die wichtigen Fragen entscheidet: diese Fragen werden von der Börse, von den Banken entschieden) ist den werktätigen Massen durch tausenderlei Hindernisse versperrt, und die Arbeiter wissen und empfinden, sehen und fühlen ausgezeichnet, daß das bürgerliche Parlament eine ihnen fremde Einrichtung ist, ein Werkzeug zur Unterdrückung der Proletarier durch die Bourgeoisie, eine Einrichtung der feindlichen Klasse, der ausbeutenden Minderheit.“11

Die Zulässigkeit einer Kandidatur für bürgerliche Parlamente hatte nie etwas mit deren „Fortschrittlichkeit“ zu tun, sondern nur damit, dass sie von den Kommunisten als Bühne für ihr revolutionäres Programm benutzt werden können. Lenin pochte immer wieder auf die Notwendigkeit, sich auch an „erzreaktionären“ Parlamenten zu beteiligen – und sie unter Umständen wie einem revolutionären Aufstand auch zu boykottieren. Den sogenannten „linken Kommunisten“, die jede Arbeit in bürgerlichen Parlamenten ablehnten, entgegnete er: „Solange ihr nicht stark genug seid, das bürgerliche Parlament und alle sonstigen reaktionären Institutionen auseinanderzujagen, seid ihr verpflichtet, gerade innerhalb dieser Institutionen zu arbeiten, weil sich dort noch Arbeiter befinden, die von den Pfaffen und durch das Leben in den ländlichen Provinznestern verdummt worden sind.“12 Die Rolle der Pfaffen spielen in Deutschland heute die Führer der Sozialdemokraten, mit den diversen Reformisten als ihren Messdienern und Chorknaben. Lenins Eintreten für die Ausnutzung auch von „reaktionären Institutionen“ war Teil seiner Perspektive, die Arbeiter vom Einfluss der Sozialdemkraten, von Illusionen in die bürgerliche Demokratie und das Hirngespinst einer friedlichen Vereinigung der Imperialisten wegzugewinnen:

„Wir aber werden mit den Opportunisten endgültig brechen; und das ganze klassenbewußte Proletariat wird mit uns sein im Kampf nicht um eine ‚Verschiebung der Machtverhältnisse‘, sondern um den Sturz der Bourgeoisie, um die Zerstörung des bürgerlichen Parlamentarismus, um die demokratische Republik vom Typ der Kommune oder die Republik der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten, um die revolutionäre Diktatur des Proletariats.“13

Dieses Programm wird heute – trotz obiger Kritik – nur von der IKL organisiert verkörpert. Deshalb: Wählt am 26. Mai DKP, lest Spartakist!


  1. Siehe Spartakist Nr. 191, Januar 2012.

  2. Siehe „PSG – politische Banditen im orthodox-trotzkistischen Mantel“.

  3. Trotzki, „Gegen den Nationalkommunismus – Lehren des ‘Roten’ Volksentscheids”, 25. August 1931.

  4. “Programm der DKP zur EU-Wahl 2019”.

  5. http://www.icl-fi.org.

  6. https://icl-fi.org/deutsch/extra/eu.html.

  7. Siehe „Nieder mit Exekutivämtern des kapitalistischen Staates! – Marxistische Prinzipien und Wahltaktik“ und „Warum wir die Forderung nach einer konstituierenden Versammlung ablehnen“.

  8. Kommunistische Korrespondenz Nr. 25, Juni 1979.

  9. Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats.

  10. Lenin, Staat und Revolution.

  11. Lenin,Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky, Werke Bd. 28, S. 246.

  12. Lenin, Der ‚Linke Radikalismus‘, die Kinderkrankheit im Kommunismus.

  13. Lenin, Staat und Revolution.

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